Verkehr:In Haar wohnen, in Hamburg arbeiten

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Die Volkshochschule Sauerlach befasst sich mit der Zukunft des Verkehrs

Von Gregor Bauernfeind, Sauerlach

Elektromobilität, automatisiertes Fahren, Digitalisierung - der Straßenverkehr steht vor großen Veränderungen. Welchen Einfluss technische Neuerungen haben und was diese für das Münchner Umland mit sich bringen, darüber sprach Verkehrsexperte Wolfgang Kieslich in der Volkshochschule Sauerlach. Er ist überzeugt: Im Individualverkehr werden sich über kurz oder lang elektrisch angetriebene und autonom fahrende Autos durchsetzen.

Die Industrie habe investiert und müsse ihre Produkte nun auch verkaufen, sagte Kieslich. Bei öffentlichen Transportmitteln sieht Kieslich, der unter anderem die Verkehrsanbindung des Frankfurter Flughafens und das Verkehrskonzept der Stadt Regensburg verantwortet hat, dagegen Nachholbedarf. Zwar gebe es Pilotprojekte wie elektrisch und autonom fahrende Busse in Salzburg. Es werde aber zu wenig daran gedacht, wie man Verkehrsnetze ganzer Städte neu planen kann. "Wir leben in einer bewegten Zeit, in der Geschäftsmodelle des öffentlichen Personenverkehrs ins Wanken geraten", sagte Kieslich.

In Zukunft, ist der Experte überzeugt, könnten Fahrzeuge nach der "Uber-Formel" fahren. Das für seine Taxi-App bekannte US-amerikanische Unternehmen sieht laut Kieslich in der Personenbeförderung größeres Potenzial als im Online-Handel und investiert im großen Stil in einen "öffentlichen Individualverkehr". Darunter versteht Uber: Unflexible große Fahrzeuge wie Busse werden von einer Flotte flexibler kleinerer Fahrzeuge abgelöst. Das Beispiel zeige, dass sich auf dem Markt neue große Spieler bewegen. Für den Fortschritt sei das ein Segen.

Während innerhalb des Münchner Altstadtrings knapp die Hälfte mit den Öffentlichen fährt, sind es im Münchner Umland nur knapp mehr als zehn Prozent. Bundesweit liegt der Anteil im einstelligen Prozentbereich. Trotz aller technischen Möglichkeiten glaubt Kieslich nicht daran, dass sich der Anteil des öffentlichen Verkehrs grundlegend ändern und er dem Individualverkehr den Rang ablaufen wird.

Problematisch sei die unausgewogene Nutzung der Verkehrsmittel. Während zu Stoßzeiten Züge und Busse voll sind, sei der öffentliche Verkehr insgesamt nur zu 14 Prozent ausgelastet. Kieslich schlägt daher vor, Straßen oder einzelne Spuren schrittweise für automatisierte Autos und Busse umzuwidmen. Der Verkehr könne so besser fließen, Staus würden vermieden. Die kosten Lebenszeit und Unternehmen bares Geld.

Doch reagieren müssen Unternehmen und Politik nicht nur auf technische, sondern auch auf gesellschaftliche Veränderungen: Mehr als 70 Prozent der Deutschen können sich einer Studie zufolge vorstellen, von Zuhause aus zu arbeiten. Interessant für die Kommunen im Münchner Umland ist Kieslichs Vorschlag, Bahnhöfe zu "digitalen Umstiegspunkten" zu machen. Unternehmen und Ämter könnten demnach Teile ihrer Büros in Außenstellen im Umland verlegen, in die Stadt müsste man dann nur noch in Ausnahmen. Für Angestellte bedeute das kürzere Wege, das Verkehrsnetz werde entlastet.

Neue Technologien wie der in den USA entwickelte Hyperloop, der mit einem rohrpostähnlichen Prinzip Menschen mit mehr als 1000 Stundenkilometern transportieren soll, könnten Verkehrsbeziehungen auch in die andere Richtung ändern. Menschen könnten dank schnellerer Verbindungen arbeiten, wo sie es vorher nicht konnten. "Ich könnte dann ohne weiteres in Hamburg arbeiten und in München wohnen", sagte Kieslich. Technisch viel unkomplizierter, laut Kieslich aber dennoch sinnvoll, sind Radschnellwege, wie sie im Münchner Norden geplant sind: "Mit Elektromotor ist das Fahrrad eine wirkungsvolle Alternative."

© SZ vom 20.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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