Vaterstetten:Tore auf am Thorak-Bau

Lesezeit: 2 min

Im einstigen Atelier von Hitlers Lieblingsbildhauer in Baldham soll eine Dauerausstellung zur Geschichte des Hauses eingerichtet werden

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Eine schlafende Prinzessin gibt es zwar nicht wachzuküssen, in dem palastgroßen Bau hinter dichtem Gestrüpp - einige Dinge dort dürften aber durchaus Interesse wecken. Wenige hundert Meter vom Baldhamer Bahnhof entfernt findet sich ein Stück Zeitgeschichte: das ehemalige Atelier des Bildhauers Josef Thorak, der dort seit Ende der Dreißigerjahre monumentale Plastiken im Auftrag und nach dem Geschmack der Nazis fertigte. Diese Zeit und der Rest der wechselvollen Geschichte des Gebäudes könnten schon bald der Öffentlichkeit in einer Dauerausstellung präsentiert werden.

Seit knapp zwei Jahren gibt es entsprechende Überlegungen, das 1938 nach Plänen von Albert Speer entstandene Atelier in irgendeiner Form der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Bislang gab es nur sehr selten die Gelegenheit, das Gebäude zu besichtigen - dementsprechend groß war der Andrang, wenn einmal geöffnet war. Für einen größeren Besucherkreis war dies zuletzt vor fast genau neun Jahren möglich, Vaterstettens Bürgermeister Georg Reitsberger von den Freien Wählern, damals noch Gemeinderat, hatte die Tour organisiert und war überrascht, dass 200 Leute kamen. "Vaterstetten ist sehr interessiert an dem Gebäude", sagt Reitsberger. Weshalb Ende 2017 die Idee aufkam, zumindest das Gelände und Teile des Gebäudes der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Inzwischen seien diese Überlegungen schon etwas konkreter, sagt der Bürgermeister, möglicherweise könnte bereits im kommenden Jahr die Dauerausstellung eröffnet werden. Darin "soll die ganze Geschichte des Hauses gezeigt werden".

Die hat es durchaus in sich, nicht nur in den frühen Jahren - auch wenn die Ereignisse jener Zeit weit über Vaterstetten hinausragten. Der Mann, mit dessen Namen das Haus bis heute verbunden ist, lebte und arbeitete dort nur wenige Jahre. Die naturalistischen Großplastiken des 1889 in Wien geborenen Thorak gefielen den neuen Machthabern nach 1933 so sehr, dass Thoraks Werke nicht nur rund um die Austragungsstätten der Olympischen Spiele, sondern auch auf dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände aufgestellt wurden. Das Atelier in Baldham - ein Geschenk Adolf Hitlers an seinen erklärten Lieblingsbildhauer - trägt der Monumentalität von dessen Werken Rechnung. Auch von außen sind die gewaltigen Ausmaße des Gebäudes zu erkennen, besonders eindrucksvoll die drei großen Tore auf der Südseite. Jedes davon ist gut zwölf, der Raum dahinter sogar 18 Meter hoch, 900 Quadratmeter groß und komplett von einem Glasdach überspannt.

Fast schon ironisch ist, dass der Ort, an dem sozusagen das Dekor des Dritten Reiches entstand, auch bei dessen Ende zumindest eine kleine Rolle spielte: Am 5. Mai übergab dort der Befehlshaber der Wehrmachtsverbände in der Region, General Hermann Foertsch, dem amerikanischen General Jacob L. Devers seine Kapitulation.

Vor 30 Jahren wurde das Gebäude in ein Lagerhaus der Archäologischen Staatssammlung umgewandelt. Das ist auch einer der Gründe, warum Besichtigungen selten sind. Denn die dort gelagerten Gegenstände sind sehr empfindlich, etwa gegen Schwankungen der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit - was nicht unbedingt mit einem regulären Museumsbetrieb vereinbar ist. Der sei aber auch personell nicht zu leisten, sagt Harald Schulze von der Archäologischen Staatssammlung, der das Projekt Thorak-Ausstellung betreut. Dass es eine solche geben werde, sei zwar so gut wie sicher - bei deren Eröffnungstermin ist Schulze indes etwas vorsichtiger als der Bürgermeister, unter anderem auch wegen der Vorgaben des Brand- und des Denkmalschutzes.

Das Konzept für die Ausstellung sieht laut Schulze vor, dass es einen Raum geben wird, in dem die Geschichte des Gebäudes von 1938 bis heute dargestellt ist. Geplant ist, dass man diese Ausstellung auf Anfrage besichtigen kann, ein Angebot, das sich vor allem an Besuchergruppen wie etwa Schulklassen richtet. Ein Museum mit festen Öffnungszeiten ist indes nicht vorgesehen. Was neben den personellen Gründen, die Schulze anführt, noch einen weiteren Grund hat, wie Reitsberger sagt: "Ansonsten ist zu befürchten, dass sich Leute mit entsprechender Geisteshaltung dann an dem Gebäude verewigen." Manche Dinge möchte man dann eben doch nicht wecken.

© SZ vom 28.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: