Unterschleißheim:Kulturkampf ums Reihenhaus

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Vor allem die Bewohner der direkt angrenzenden Häuser lehnen Geschosswohnungen in der Nachbarschaft ab. (Foto: Stephan Rumpf/)

In Lohhof wehren sich Eigenheim-Besitzer gegen höhere Bauten in ihrer Nachbarschaft. Unterstützung bekommen sie von der CSU im Stadtrat - die Geschosswohnungen Lebensqualität abspricht und Vorbehalte gegen die künftigen Bewohner hat.

Von Bernhard Lohr, Unterschleißheim

SPD und Grüne haben sich im Bauausschuss des Unterschleißheimer Stadtrats am Montagabend mit der CSU einen harten Schlagabtausch darüber geliefert, ob der Bau von Reihenhäusern noch zeitgemäß ist. Den Anlass bot das geplante Mehrgenerationen-Quartier in Lohhof-Süd an der Kreuzstraße: Ein Investor und die Stadt selbst wollen dort Flächen bebauen, eine Umfahrung soll die bestehende angrenzende Siedlung vom Verkehr entlasten. Dort allerdings laufen Anwohner Sturm gegen die in der Nachbarschaft ihrer Einfamilien- und Reihenhäuser geplanten Geschosswohnungen. 305 Unterschriften wurden im Rathaus vorgelegt, um das zu untermauern. Die CSU unterstützt den Protest.

Der seit längerem schwelende Konflikt entlud sich in der vorentscheidenden Sitzung des Bauausschusses, in der ein Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan fiel, in dem Gebäudehöhen und Baudichte festgelegt wurden, aber noch keine Aussagen über Einfamilien- oder Reihenhäuser getroffen wurde. Darüber will man wegen der Brisanz eigens später diskutieren. Doch schon jetzt attackierten sich die Stadträte heftig und warfen sich soziale Kälte vor oder das bewusste Ignorieren des Bürgerwillens.

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CSU-Stadträtin Brigitte Weinzierl, die auch Präsidentin des SV Lohhof ist, irritierte sichtlich einige im Stadtrat, als sie meinte, man müsse für Besserverdiener mit höherer Bildung auch Reihenhäuser oder Einfamilienhäuser möglich machen, weil diese Leute für gewisse "Aufgabenstellungen" in Vereinen wichtig und somit Stützen des öffentlichen Lebens seien.

Die Pläne sehen bisher vor, auf dem städtischen Anteil des noch nicht bebauten Areals hinter einem Grünstreifen zur bestehenden Bebauung Gebäude mit Flachdach mit einer Wandhöhe bis 9,5 Meter zu schaffen. Erst im hinteren, von der Siedlung abgewandten Bereich sollen größere Höhen erreicht werden bis hin zu 14 Metern beim Seniorenheim, das auch eine Schallschutzwirkung für das neue Quartiert mit etwa 180 Wohneinheiten entwickeln soll. Vorgesehen sind auch betreutes Wohnen, eine Kindertagesstätte, Büros und Geschäfte sowie ein Gebäude für die Polizeistation, die von Oberschleißheim dorthin verlegt werden könnte.

In der Siedlung Lohhof-Süd wird genau verfolgt, was die Stadt in der Nachbarschaft plant. (Foto: Stephan Rumpf/Stephan Rumpf)

In der Debatte ging es um die Baudichte und die Geschossflächenzahl (GFZ), die zwischen 1,0 und 1,2 liegen soll, was die CSU für zu hoch ansieht. Das würde im konkreten Fall bedeuten, dass auf einem Quadratmeter Grund 1,0 oder 1,2 Quadratmeter Geschossfläche geschaffen werden darf. Aber spätestens mit Weinzierls Aussage zur Sozialstruktur waren auch noch Vorbehalte gegen die Bewohner von Wohnblocks auf dem Tisch. Thomas Bittner (CSU) sprach davon, dass er selbst nicht in "irgendwelchen Geschosswohnungen" wohnen wolle. Er stritt ab, dass dort hohe Lebensqualität möglich sei. Er sei froh um sein Reihenhaus. Und es sei ja überhaupt nicht modern, jetzt plötzlich Wohnblocks zu propagieren: "Ich kann das nicht mehr hören."

Jürgen Radtke (Grüne) fragte, auf welche Erhebung Weinzierl ihre Aussage stütze, und er lobte den Ansatz zu flächensparendem Bauen. Sein Fraktionskollege Tino Schlagintweit (Grüne) hielt Weinzierl direkt entgegen, dass gut konzipierte Siedlungen mit Geschosswohnungen hohe Qualität aufweisen könnten, wenn dort Freiflächen und Begegnungsorte geschaffen würden. Es sei "unlauter" solche Wohnformen zu "diffamieren".

Die CSU lehnt es insbesondere ab, den Siedlungsdruck in der Region zur Maxime ihres Handelns zu machen. Stefan Diehl sagte, damit löse man das Problem nicht. Unterscheißheim liege in Deutschland bei der Siedlungsdichte auf Rang 53, ohne den Ort Riedmoos sogar auf Rang drei. Der Verkehr auf der Kreuzstraße als Zubringer werde sich verdoppeln.

Annegret Harms (SPD) warf Diehl daraufhin einen "sehr egoistischen und sehr unsozialen Blick" auf das Thema vor. Viele junge Familien suchten händeringend bezahlbaren Wohnraum. Ihre Fraktionskollegin Katharina Bednarek verwies auf schwer zu verkaufende Reihenhäuser in der Stadt und sagte, diese seien bei den Bodenpreisen für viele unbezahlbar.

Der Sozialdemokrat Thomas Breitenstein nannte die geplanten Geschosswohnungen ohnehin das "beste Programm, um Reihenhäuser auf den Markt zu spülen". Denn es gebe viele ältere Bewohner solcher Häuschen in der Stadt, die gerne in eine kleinere Wohnung ziehen würden.

In Lohhof-Süd herrscht dichter Durchgangsverkehr. Eine Umfahrungsstraße soll Entlastung bringen. (Foto: Florian Peljak)

Uneinigkeit herrschte auch darüber, wie der Protest gegen die Pläne in Lohhof-Süd zu bewerten ist. Während Stefan Diehl von der CSU meinte, die Unterschriftensammlung sei zu würdigen und es handle sich etwa bei dem in einer frühzeitigen Bürgerbeteiligung über das Online-Tool "Consul" zum Ausdruck gebrachten Unmut um ein repräsentatives Bürgervotum, protestierte die SPD vehement.

Thomas Breitenstein bezeichnete es als "abstrus", die Abstimmung als repräsentativ anzusehen. Dort hätten Anlieger sich geäußert. Und jeder, der ein Häuschen habe, und gefragt werde, ob er Bebauung gegenüber haben wolle, sage erst einmal Nein. Diehl bezeichnete daraufhin das Online-Instrument "Consul" als wertlos. Dann könne man das auch abschaffen. Laut Rathaus wurde dieses aber nie als Ersatz für einen Bürgerentscheid angeschafft, sondern lediglich, um in die Bürgerschaft hineinzuhören.

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