Pelzgeschäft in Unterhaching:Aus der Mode

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Das Pelzgeschäft von Peter Neugebauer in Unterhaching ist eines der letzten seiner Art in der Region, die Kunden kommen teils von weit her. Im März schließt es nach 40 Jahren.

Von Christina Hertel, Unterhaching

Peter Neugebauer ist ein feiner Mann. Er trägt goldene Manschettenknöpfe und ein weißes Einstecktuch im Sakko. Seine Krawatte ist akkurat gebunden, das Hemd blütenweiß. Alles sitzt perfekt. Er sieht aus wie ein Herr, der regelmäßig in die Oper geht, gute Weine trinkt. Das muss so sein. Seine Kunden erwarten das. Denn Peter Neugebauer verkauft Pelze. Persianer, Nerz, Zobel, Wiesel, jeder kostet mehrere tausend Euro. Noch: Ende März gibt er sein Geschäft in Unterhaching nach 40 Jahren auf. Dann ist er 65 Jahre alt. Ein gutes Alter, sich zur Ruhe zu setzen, dachte er. Doch Peter Neugebauer findet keinen Nachfolger.

"In den Siebzigern und Achtzigern war Pelz ein Status-Symbol"

Obwohl die Modezeitschriften seit ein paar Jahren das Comeback des Pelzes heraufbeschwören, obwohl Stars und Sternchen auf den roten Teppichen wieder häufiger Tierfell tragen, ist sich Neugebauer sicher: Die große Zeit der Pelze ist vorbei, seit mehr als 30 Jahren schon. "In den Siebzigern und Achtzigern war Pelz ein Status-Symbol. Jede Frau musste einen haben", sagt er. In der Schickeria in Kitzbühel und St. Moritz sogar die Männer. Und dann war das plötzlich vorbei. Die Neunziger kamen und mit ihnen die Tierschützer. Die Geschäfte liefen schlechter, immer weniger junge Menschen - wenn sie nicht gerade Goldzähne trugen und in amerikanischen Rap-Videos auftraten - hatten Lust, Pelz zu tragen. Und damit verschwand auch das Interesse, in dem Bereich zu arbeiten. Mittlerweile gibt es in ganz Deutschland nur noch eine Berufsschule, die Kürschner ausbildet - in Fürth.

Außen an den Schaufensterscheiben von Pelz Neugebauer in Unterhaching kleben Prozentzeichen. Innen sieht es immer noch aus wie damals in den fetten Jahren. Glastisch, große Spiegelwand, Autogrammkarte von den Kessler-Zwillingen, zwei Größen aus dem Showgeschäft der Nachkriegszeit, langbeinig und leichtbekleidet, inzwischen 80 Jahre alt. Neugebauer serviert Cappuccino mit Amarettini. Einen Pelz kauft man eben nicht wie einen Anorak von der Stange. Für einen Frustkauf ist ein Mantel von Peter Neugebauer auch zu teuer. Ein russischer Bargusin-Zobel kostet an die 20 000 Euro - dafür hat er auch eine Kapuze. Aber wer kauft so etwas überhaupt?

Eine blonde Frau kommt herein. Sie spricht englisch mit osteuropäischem Akzent. Ihr Wunsch: eine Winterjacke mit Pelzbesatz, nicht so teuer bitte. Hat Neugebauer auch, kein Problem. Eine nach der anderen hält er ihr hin, keine passt. "Thaank youu verrry much." Und tschüss. Peter Neugebauer zuckt mit den Schultern, da kann man nichts machen, will er sagen.

Meistens kommen Stammkunden. "Die reichen Araber verirren sich von der Maximilianstraße nicht hierher", sagt Neugebauer. Dass er sich ausgerechnet in Unterhaching niederließ, war für ihn, damals vor 40 Jahren, logisch. Erstens kommt er aus dem Ort, und zweitens gab es damals in der Stadt mehr als genug Pelzgeschäfte. Und heute kommen die Kunden aus der Stadt zu ihm genauso wie die vom Tegernsee. Es gibt einfach keine Pelzläden mehr. Wer daran Schuld hat, ist für Neugebauer klar: die Tierschützer.

Auf die Tierzüchter lässt Neugebauer nichts kommen. Peta sieht das anders

"Wer Pelz trägt, trägt den Tod", dass in den Münchner U-Bahnhöfen solche Plakate hängen, findet Neugebauer schlimm, manipulativ. "Die Pelztierzüchter sind Landwirte, die kommen aus Skandinavien und machen das seit Hunderten Jahren", sagt er. "Wenn sich die Tiere nicht wohlfühlen würden, würde man das am Ende doch auch am Produkt sehen." Aber ist nicht auch etwas dran an der Kritik? Vielleicht, meint Neugebauer, aber nicht bei ihm. "Solche Ware, wie sie in den Kaufhäusern hängt, würde ich nicht verkaufen", sagt er und meint: Pelze aus China, billig und in schlechter Qualität. Die Zuchtbetriebe in Skandinavien, wo er die Pelze für sein Geschäft herbekommt, hat Neugebauer besucht. Die Zustände dort findet er in Ordnung.

Die Tierrechtsorganisation Peta nicht. "Die Tiere leiden in Skandinavien genauso wie in China", sagt Frank Schmidt. Er ist Experte für Bekleidung bei Peta. "Die Haltungsbedingungen sind überall gleich schlecht." Die Käfige seien zu klein, die Tiere würden sich selbst verstümmeln. Der Tod sei qualvoll, die Tiere würden vergast oder mit Elektroschocks traktiert, so lange, bis sie einen Herzinfarkt erleiden. Für Schmidt ist deshalb klar: Pelz ist ein Luxusprodukt, auf das die Menschen verzichten sollten.

Peter Neugebauer sieht das anders. "Pelz ist das älteste Kleidungsstück der Menschheit. Und noch dazu eines der ökologischsten", sagt er und zieht sein Smartphone aus der Tasche, wischt durch seine Bildergalerie: große, dunkle Decken, zusammengenäht aus braunen und schwarzen Teilen. "Das war mal ein Bisammantel", sagt er. "Solche teuren Werte muss man nicht wegschmeißen."

Man könne Pelzmäntel umarbeiten, der Mode anpassen, Decken und Kissen darausherstellen. Das macht Neugebauer alles in seinem Geschäft. Er ist nicht nur Verkäufer, sondern auch Handwerker, Designer.

Die Kürschnerin muss wieder mal umziehen

"Man muss immer mit der Mode gehen", sagt er und zieht einen olivfarbenen Parka hervor - mit pinkfarbenem Futter, aus Pelz versteht sich. Neugebauer fährt jedes Jahr nach Mailand auf die großen Modenschauen, sucht sich die Trends des Jahres heraus. Und dann legt er los, in seiner Werkstatt, im hinteren Teil des Ladens. An einer Werkbank steht Helga Winzinger, Kürschnerin. Vor ihr liegt ein Stück Pelz. Mit einem speziellen Messer schneidet sie entlang einer Linie, die sie vorher aufgezeichnet hat - ganz vorsichtig.

Mit 16 machte Winzinger ihre Lehre als Kürschnerin. Inzwischen sind ihre Haare grau. Doch sich irgendwo dauerhaft niederlassen - für sie geht das nicht. Seit einigen Jahren muss sie ihrem Beruf hinterherziehen. Von Stadt zu Stadt, dorthin, wo es überhaupt noch Pelzgeschäfte gibt. Sie ist dazu bereit, weil das Kürschnerhandwerk ihre Passion ist. Irgendwelche Plastikjacken, sagt sie, schmeißt man nach einem Jahr weg. "Ein Pelz wird von Generation zu Generation weitervererbt." Mit dieser Meinung steht Helga Winzinger jedoch inzwischen offenbar ziemlich alleine da. Und deshalb wird sie im nächsten Jahr wohl wieder umziehen müssen. Wohin weiß sie noch nicht.

© SZ vom 30.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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