Universität der Bundeswehr:Kleine Einheiten, große Wirkung

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Nam Truong, Christoph Dietrich und Arthur Singer (von vorne) haben gemeinsam mit ihrem Kollegen Martin Sprehe (nicht im Bild) eine Technologie entwickelt, die das Speichern von Energie optimiert. Unterstützt wird das junge Start-up von Rafaela Kraus, Vizepräsidentin der Bundeswehruniversität. (Foto: Claus Schunk)

Vier junge Forscher in Neubiberg wollen die Technik von Batteriespeichern revolutionieren. Durch die Aufteilung in eigenständige Module soll die Effizienz erhöht und die Störungsanfälligkeit gesenkt werden.

Von Anna-Maria Salmen, Neubiberg

Solarenergie, Windkraft, Elektroautos - Diese richtungsweisenden Innovationen werden von vielen Experten als Schlüssel zur Energiewende gesehen. Doch aktuell ist vor allem ein Aspekt unklar: Wie kann der Strom aus Sonne oder Wind bestmöglich gespeichert werden, bevor er von Elektroautos verbraucht wird? Vier junge Forscher haben nun an der Universität der Bundeswehr in Neubiberg eine mögliche Lösung gefunden. Arthur Singer, Christoph Dietrich, Nam Truong und Martin Sprehe haben eine Technologie entwickelt, die Batteriespeicher effizienter, sicherer und günstiger macht. Gemeinsam haben sie das Start-up-Unternehmen M-bee gegründet, in dem sie ihr Konzept vermarkten möchten.

Herkömmliche Energiespeicher sind wie Ketten aufgebaut, die einzelnen Batterien hängen in einer Reihe aneinander. Ein zentraler Wechselrichter wandelt den Gleichstrom des Speichers in Wechselstrom um, damit er in das Netz eingespeist werden kann. Diese Technologie bringt mehrere Probleme mit sich: Die hohe Spannung stellt ein Sicherheitsrisiko dar, nur Spezialisten dürfen daher die Wartung übernehmen. Zudem ist der Wechselrichter in etwa so groß wie ein Kühlschrank - das Gerät ist teuer und unhandlich. Die jungen Unternehmer brechen nun das alte System auf. Sie organisieren den Speicher in eigenständigen Modulen. Jedes davon ist mit einer Platine verbunden, die den zentralen Wechselrichter ersetzt. Eine Software steuert die einzelnen Batterien, die Module werden je nach Bedarf dynamisch verschaltet. "Das Spannende daran ist, dass dadurch die Effizienz erhöht wird", sagt Singer.

Durch die neue Technik kann zudem mehr Kapazität genutzt werden. Denn in gewöhnlichen Speichern beeinflusst das schwächste Glied die Leistung. "Wenn ein Akku schwächer ist, dann ist der ganze Speicher genauso schwach", erklärt Dietrich. Bei der Aufteilung in Module kompensieren die stärkeren Batterien eine Schwachstelle. Selbst der Ausfall eines Akkus schränkt den Betrieb kaum ein, der Rest des Speichers kann weiterlaufen.

Die Wartung ist nicht so gefährlich

Ein weiterer entscheidender Vorteil ist die Sicherheit. Während in klassischen Speichern stets lebensgefährliche Spannungen herrschen, kann ein Techniker durch den Aufbau von M-bee höchstens mit der Spannung eines einzelnen Moduls in Berührung kommen. "Dafür muss man nicht einmal Elektrofachmann sein. Das würde also auch die Wartung vereinfachen", so Singer. Laut Dietrich ist dieser Aspekt auch in Entwicklungsländern interessant. Häufig gebe es dort nur wenige Fachkräfte, die mit Hochspannung umgehen könnten. "Das Potenzial ist generell in netzfernen Regionen riesig." Mit Windkraft und Batteriespeichern könne man selbst entfernte Dörfer mit Strom versorgen, doch bei einem Ausfall müsste die Bevölkerung lange auf einen Techniker warten. "Unser Speicher ist ja ausfallsicher", betont Dietrich. Sein Teamkollege Singer ergänzt: "Unsere Vision ist es, mit M-bee einen internationalen Markt zu beliefern."

Zunächst aber wollen die Unternehmer ihr Konzept in Deutschland auf den Markt bringen. Für Interessenten bieten sie auf ihrer Website ein Whitepaper an, das die Technologie detailliert beschreibt. Mögliche Kunden können nach Ansicht der Gründer beispielsweise Industrieunternehmen oder Energieversorger sein. Auch Mehrfamilienhäuser oder Wohnblocks könnten durch die neuen Batteriespeicher effizienter mit Strom versorgt werden. Im April wird das Team probeweise einen Speicher bei einem Kunden aufbauen und an das Netz anschließen.

"Das ist ein Test, der uns viel bringt", sagt Singer. "Wenn wir zeigen können, dass das System nicht nur im Labor funktioniert, dann strahlen wir dadurch viel mehr Vertrauen aus." Mithilfe der Daten aus dem Test möchte das Team die Technologie weiterentwickeln. "Wir hoffen, nächstes Jahr ein marktfähiges Produkt zu haben", sagt Singer. Und für die fernere Zukunft haben die Gründer bereits ein großes Ziel: "Elektroautos sind eine Vision", sagt Singer. Es sei relativ schwierig, in diesen Markt zu kommen, aber: "Wir sind guter Dinge, dass wir es schaffen."

Die Jungunternehmer suchen noch Investoren

Um ihre Entwicklungsarbeit auch längerfristig fortsetzen zu können, suchen die Jungunternehmer Investoren. "Der Finanzbedarf ist ab nächstem Jahr da. Aktuell suchen wir nicht akut, sondern strecken langsam unsere Fühler aus, um bekannt zu werden", sagt Truong. Momentan wird das Team durch das Exist-Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie finanziell unterstützt. Auch die Universität der Bundeswehr in Neubiberg hat daraus kürzlich einen Zuschuss erhalten. Rafaela Kraus, als Vizepräsidentin der Bundeswehruniversität für Entrepreneurship zuständig, möchte in Zukunft Unternehmertum an der Universität gezielt stärken. "Es geht darum, den ganzen Gründungsprozess risikoloser zu gestalten", sagt Kraus.

Viele Themen seien für junge Unternehmer zu Beginn schwierig: Sie müssen sich um Personalverwaltung, administrative und rechtliche Angelegenheiten und vieles mehr kümmern. Kraus möchte mit ihren Kollegen die einzelnen Schritte der Unternehmensgründung begleiten, indem sie unter anderem Beratung und Service, aber auch ein Mentoren-Netzwerk zur Verfügung stellt. Beispielsweise soll bald ein Co-Working-Space entstehen, eine Art Marktplatz zum Austausch für Start-ups. Das Ziel der Vizepräsidentin ist es, "dass die jungen Unternehmer die Gründung möglichst reibungslos bewältigen können." Zudem wolle sie generell Forscher zum Gründen ermutigen. "Es ist auch für die Uni eine tolle Sache, wenn Entrepreneurship gefördert wird", ist Kraus überzeugt. "Die Leute, die so etwas machen, strahlen positive Energie aus. Das wirkt auch auf die Studierenden, die Kollegen und auf das ganze Umfeld."

Den Eindruck der Vizepräsidentin können die Unternehmer von M-bee nur bestätigen. Singer findet beispielsweise an einem Start-up "spannend, dass man viel gestalten kann. Aber man macht auch alle Fehler selbst." Derzeit sind die Gründer größtenteils an der Universität in Neubiberg tätig, wo sie Labor- und Büroarbeiten aufteilen. "Jeder von uns könnte tatsächlich alles machen", sagt Dietrich. "Das ist an sich überwältigend, aber auch spannend. Ich habe zuvor promoviert, jetzt laufe ich auf Messen herum und versuche, Kunden zu gewinnen", erzählt Truong. Das gesamte Team konzentriert sich momentan vollständig auf M-bee. Das Risiko, dass ihr Unternehmen scheitern könnte, ist den Gründern bewusst, wie sie sagen. "Es ist aber selten so, dass eine Idee gar nicht mehr funktioniert. Wir haben die Exist-Förderung auch nur bekommen, weil Experten das Potenzial sehen", sagt Dietrich. Einen Plan B gibt es laut Singer nicht. "Wir sind alle noch jung und qualifiziert genug, um einen Job zu finden. Ich bin da relativ entspannt."

© SZ vom 09.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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