Tiermedizin:Wie die Menschen

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Chefarztbehandlung: Klinik-Gründer Felix Neuerer untersucht mit Assistenzärztin Johanna Helmke eine Dogge. (Foto: Robert Haas)

Die Tierklinik Ismaning feiert ihr zehnjähriges Bestehen. Seit der Gründung sind dort 44 000 Patienten behandelt worden - von Hunden und Katzen bis hin zum Koikarpfen. Die Diagnosen und die Behandlungsmethoden unterscheiden sich kaum von denen in der Humanmedizin.

Von Marie Heßlinger, Ismaning

Eine Sache lernte Felix Neuerer als Student der Tiermedizin ziemlich schnell: Ähnlichkeit macht sympathisch. "Die Professoren sahen den Tieren ähnlich, über die sie unterrichteten. Da war zum Beispiel dieser Schweineprof", erinnert sich der Internist lachend. Heute ist er, zusammen mit dem Chirurgen Klaus Zahn, Leiter der Tierklinik Ismaning. Vor zehn Jahren gründeten die beiden das Veterinär-Krankenhaus. Die These, dass Herrchen und Tierchen sich in Aussehen und Charakter ähneln, habe sich seitdem immer wieder bestätigt.

Auch die medizinischen Beschwerden, unter denen Tiere leiden, ähneln oft jenen von Menschen: Kreuzbandrisse, Bandscheibenvorfälle, Leistenbrüche. Allerdings landen in den Gedärmen der Tiere auch Gegenstände, die sich bei Menschen eher selten finden. Ein pinkfarbenes Plastikschweinchen zum Beispiel, oder eine vom Weihnachtstisch stibitzte Rinderroulade - samt Metallspieß. Vielleicht ist das der Grund, warum Neuerer es am spannendsten findet, Darm- und Lungenspiegelungen vorzunehmen?

Als Neuerer und Zahn 2009 die Klinik gemeinsam aufbauten, um den "universitären Zwängen" zu entkommen, wie Neuerer sagt, arbeiten sie in einem Fünfer-Team von drei Ärzten und zwei Helferinnen. Mittlerweile ist die Zahl der Mitarbeiter auf 100 gestiegen, zusammen haben sie mehr als 44 000 Tiere in ihrer Klinik behandelt. Und seit der Fernsehsender Vox eine Doku hier drehte, ist die Ismaninger Klinik auch über Deutschlands Landesgrenzen hinaus bekannt. Patienten reisten schon aus Luxemburg, Südtirol, Polen und Slowenien an. Ab und zu bringen Menschen außergewöhnliche Tiere mit, wie zum Beispiel einen Koikarpfen oder ein Stinktier.

Neuerer stellt immer wieder fest, dass einige Menschen für ihre Haustiere mehr Geld ausgeben als für sich selbst. "Kleintiere sind purer Luxus", sagt er. "Tiere sind heute oft ein Ersatz für Kinder", vermutet Neuerer, "und sie können unglaublich viel Harmonie in eine Familie bringen. Sie spüren, wenn jemand traurig ist oder wenn es Streit gab." Gelegentlich beharren Tierhalter auf einem weiteren Therapieversuch, während Neuerer sich die Frage stellt, ob es nicht besser wäre, das todkranke Tier von seinen Leiden zu erlösen. "Das ist schwierig, weil sich das Tier nicht dazu äußern kann", sagt er.

Ein Hund im CT. (Foto: Robert Haas)

Obwohl sie nicht sprechen, schätzt Neuerer die Ehrlichkeit der Tiere. Das ist auch ein Grund, warum er Veterinär- und nicht Humanmediziner geworden ist. "Ich habe nicht das Gefühl, dass sie mich so belügen", so Neuerer. Außerdem gefällt ihm die Detektivarbeit bei der Anamnese: "Es ist schön, wenn man als Arzt eine Diagnose stellen kann. Vor allem, wenn sich das Krankheitsbild behandeln lässt."

In den vergangenen zehn Jahren hat sich in der Tiermedizin einiges verändert. Während man Tieren früher häufiger Medikamente gab, die eigentlich für Menschen gedacht waren, gibt es heute spezielle Medikamente für sie. Technisch werden heute hingegen die gleichen modernen Geräte verwendet wie in der Humanmedizin. Beispielsweise geben die Mitarbeiter bei einer Narkose keine Spritzen mehr, sondern intubieren Narkosegas mit einem Gerät, das Parameter wie die CO₂-Ausatmung des Tieres misst.

Mitarbeiter adoptieren immer wieder Tiere aus der Klinik

Röntgenbild eines verschluckten Plastikschweinchens. (Foto: Robert Haas)

Für die Zukunft planen die Klinik-Chefs vor allem, interne Arbeitsabläufe effizienter zu gestalten. "Die Klinik wächst und wächst, das passiert einfach, weil die Nachfrage da ist", sagt Managerin Stefanie Stock. Dementsprechend müssten Organisation und Wissensweitergabe stetig wachsen. Innerhalb des Teams steht außerdem zur Diskussion, ob alle ihre eigenen Hunde zur Arbeit mitbringen dürfen und ob man eine extra Hundebetreuung dafür einrichtet. Einige Mitarbeiter haben immer wieder Tiere aus der Klinik adoptiert, die ein Herrchen brauchten.

So kam Neuerer auch an sein eigenes Haustier, einen Kater. "Die Mutter starb und wir hatten drei kleine Kätzchen hier. Da habe ich ihn mit der Hand aufgezogen", sagt Neuerer. Lachend fügt er hinzu: "Hätte ich gewusst, dass er sich zu so einem verrückten Kater entwickelt, hätte ich ihn vielleicht nicht adoptiert." Da stellt sich die Frage: Ob sein Kater ihm wohl ähnelt?

Am Samstag, 18. Mai, feiert die Tierklinik Ismaning von 11 bis 15 Uhr ihr zehnjähriges Bestehen. Erwachsene können sich an diesem Tag Vorträge über Ernährung, künstliche Gelenke und Physiotherapie bei Tieren anhören, Kinder ihre Kuscheltiere in eine "Sprechstunde" bringen. Echte Tiere dürfen hingegen an diesem Tag nicht kommen.

© SZ vom 13.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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