Jungpolitiker im Landkreis:Der Freischwimmer

Lesezeit: 3 min

Bei der Kommunalwahl 2014 hat David Grothe in Taufkirchen für das Amt des Bürgermeisters kandidiert - eine wichtige Erfahrung. (Foto: Claus Schunk)

Seine Parteikollegen haben ihn gleich ins kalte Wasser geworfen und zum Fraktionssprecher der Grünen in Taufkirchen gemacht. Die Seilschaften im Gemeinderat aber muss David Grothe, 28, erst noch ergründen.

Von Iris Hilberth, Taufkirchen

Er ist der Mann mit dem grünen Hemd. Einen ganzen Stapel solcher Kleidungsstücke muss er, akkurat gebügelt, in seinem Schrank haben: Kein Termin im Wahlkampf im vergangenen Jahr, bei dem David Grothe nicht auch äußerlich Farbe bekannte. Wie viele identische Oberhemden der ehemalige Bürgermeister-Kandidat der Grünen tatsächlich besitzt, darüber hüllt er sich grinsend in Schweigen. Seit die Wahl rum ist, trägt er auch wieder Shirts in gedeckteren Farben. Innerlich aber, das zeigt sich in jedem seiner politischen Statements, ist der 28-Jährige durch und durch ein Grüner.

Den Sprung auf den Chefsessel im Rathaus schaffte David Grothe letztes Jahr nicht, das hatte aber auch niemand in Taufkirchen ernsthaft angenommen. Zu unbekannt und auch zu unerfahren war er noch, als dass ihm ein Coup wie der seiner Parteifreundin Susanna Tausendfreund gelingen hätte können. Die neue Pullacher Bürgermeisterin kennt Grothe gut, er hat in ihrem Abgeordnetenbüro gearbeitet, als sie noch für die Grünen im Landtag saß.

Jungpolitiker im Landkreis München
:Ratssaal statt Kneipe

Fast überall reihen sich in den Gemeinderäten graue Haarschöpfe an weiße. Doch es gibt Ausnahmen. Die SZ stellt sechs junge Menschen vor, die sich in der Kommunalpolitik engagieren. Einer will sogar Bürgermeister werden, aber nur, wenn ihm seine Frau dann nicht wegläuft.

Von Ruth Eisenreich, Mitarbeit: David Knapp

Dürre Kenntnisse von Verwaltungsrecht

Landespolitik allerdings ist nicht das erklärte Ziel von Grothe. "Ich will mich politisch in meinem Wohnort engagieren", sagt er. 2009 trat er den Grünen bei, arbeitete im Ortsverein mit und merkte bald: "Wenn ich etwas bewegen will, muss ich Mitglied im Gemeinderat werden." Nachdem das geklappt hatte, machten seine Fraktionskollegen Rudi Schwab und Gabriele Zaglauer-Swoboda den Neuling sogleich zum Fraktionssprecher. Ein Sprung in kaltes Wasser, nicht nur wegen Grothes Alter und seiner bislang noch dürren Kenntnisse von Verwaltungsrecht. Der Taufkirchner Gemeinderat ist ob seiner Vergangenheit mit zahlreichen Streitigkeiten ein spezielles Gremium. Wer da mit wem wann welchen Strauß ausgefochten hat, kann ein Neuer nicht wissen - aber das ist vielleicht ganz gut, denn so kann Grothe die Dinge unverkrampft angehen.

1 / 7
(Foto: N/A)

David Grothe in fünf Bildern: So sieht der Jungpolitiker sich selbst.

2 / 7
(Foto: N/A)

"Was mir wichtig ist: Nicht nur in alle Richtungen denken, sondern auch in alle Richtungen reisen. Aufgenommen 2013 im kanadischen Ort Prince Rupert."

3 / 7
(Foto: N/A)

"Wenn mich mein Studium zu sehr in die Theorie verführt, holt mich dieses Zitat aus der Humboldt- Universität Berlin wieder zurück in die Realität."

4 / 7
(Foto: N/A)

"Der Sport, der mir den größten Abstand vom Alltag bringt, zu dem ich aber leider lange nicht mehr gekommen bin."

5 / 7
(Foto: N/A)

"Warum ich Politik mache, drückt dieses Plakat am besten aus, das ich in Paris entdeckt habe."

6 / 7
(Foto: N/A)

":-)."

7 / 7
(Foto: Claus Schunk)

Bei der Kommunalwahl 2014 hat David Grothe in Taufkirchen für das Amt des Bürgermeisters kandidiert - eine wichtige Erfahrung.

Grothe ist Student, aber nicht ganz so jung, wie man daraus schließen könnte. "Das klingt immer so, als wäre ich erst 18", findet er. Bevor er sich an der Uni für Soziologie und Politikwissenschaften eingeschrieben hat, hatte er schon ein paar Jahre als Bibliothekar hinter sich. Neben seiner Anstellung an der Bayerischen Staatsbibliothek hatte er am Abendgymnasium sein Abitur nachgeholt. Auch während des Studiums arbeitete er immer nebenher. "Ich bin eine Doppelbelastung also gewohnt", sagt er mit Blick auf die umfangreiche Arbeit im Gemeinderat und die oft bis in den späten Abend dauernde Sitzungen.

"Im Gemeinderat läuft eben alles zusammen"

Er habe schon an verschiedenen Orten gewohnt, aber keinen je so gut gekannt, wie er Taufkirchen nach der Bürgermeisterkandidatur und einem Jahr im Gemeinderat kenne, sagt Grothe. Oft halte man sich ja in seinem direkten Umfeld auf, gehe in bestimmten Geschäften einkaufen und kenne höchstens noch den Sportverein. In Taufkirchen aber kenne er inzwischen alle Ortsteile, wisse um deren Probleme und könne mitentscheiden: "Im Gemeinderat läuft eben alles zusammen."

Nicht immer spürt man die beschlossenen Veränderungen sofort. "Da ich auch in der Staatsbibliothek in einem Verwaltungsbetrieb tätig war, weiß ich, wie lange mache Sachen dauern können", sagt Grothe.

Dennoch wurmt es ihn, wenn Dinge allzu lange auf sich warten lassen - den W-Lan-Anschluss für die Öffentlichkeit im Taufkirchener Rathaus etwa, den der Gemeinderat auf Antrag der Grünen beschlossen hat, gibt es noch immer nicht. Er müsse noch ein bisschen gelassener werden, sagt Grothe über sich. Es sei ja okay, wenn jemand gegen seinen Antrag stimme, er wisse, dass man Ablehnung nicht als persönlichen Angriff sehen dürfe: "Aber es ist halt schade, wenn man bei einer Idee schon vorher weiß, dass der Antrag abgelehnt wird."

Der Bürgermeister lässt den jungen Grünen gerne mal auflaufen

Die Gründe, wer sich wann wie positioniere, und die Seilschaften im Gemeinderat durchblicke er noch nicht ganz, sagt Grothe, aber das sei ja auch das Bestreben derer, die sie pflegten. Auch in Verwaltungsdingen ist Grothe noch nicht ganz firm, der politische Gegner und auch der Bürgermeister lassen den jungen Grünen gerne mal auflaufen, wenn ihm Detailkenntnisse über irgendwelche Verordnungen fehlen oder wenn er sich bei der Formulierung von Anträgen aus dem Stegreif schwer tut, weil ihm die Verwaltungssprache nicht so einfach über die Lippen kommt wie den Leuten vom Amt. Grothe sieht das entspannt, wichtig sei ihm der Rückhalt aus seiner Fraktion, und den habe er.

Im Vergleich zu Gemeinderäten in anderen Kommunen sind die Jüngeren in Taufkirchen ganz gut vertreten, auch Matteo Dolce von der SPD und Maximilian Löffelmeier von der CSU sind unter 30. Gemeinsam mit Dolce und dem Kreisjugendring will Grothe bald im Jugendzentrum einen Workshop über Kommunalpolitik veranstalten. Er sieht sich auch als Vertreter der Jugend, aber die Bürger, die mit ihm Kontakt aufnähmen, die ihn als ihren Vertreter im Gemeinderat sähen, seien meist viel älter als er. "Die Jüngeren interessieren sich seltener für Kommunalpolitik", sagt Grothe. Auch seine Freunde außerhalb der Politik hätten wenig Vorstellung von dem, was er im Gemeinderat tue und wie viel Arbeit er hineinstecke.

Trotz des zeitlichen Aufwands und so mancher langatmiger Sitzung habe er sein Engagement bisher nie bereut, nie das Gefühl gehabt, etwas Anderes zu verpassen, sagt Grothe. Man gehe ja nicht an jedem Abend weg: "Die Alternative wäre vielleicht Fernsehen, ich glaube nicht, dass das besser ist."

© SZ vom 03.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: