Taufkirchen:Dorfsozis und andere Hobbystrategen

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Wenn Michael Müller einmal im Jahr in das Gewand von Ritter Blech schlüpft, dann weiß jeder in Taufkirchen: Jetzt wird ordentlich ausgeteilt. (Foto: Claus Schunk)

Beim Starkbierfest werden die anwesenden Lokalpolitiker von "Ritter Blech" ordentlich derbleckt. Grund, beleidigt zu sein hat nur, wer nicht erwähnt wird. Denn den hält der Redner für nicht wichtig genug

Von Claudia Wessel, Taufkirchen

Nach der Ritter-Rede stehen Michael Müller, jetzt wieder im Trachtenjankerl des Heimatpflegers, und SPD-Bürgermeisterkandidat Matteo Dolce beinander. Er möchte keinesfalls jemanden beleidigen, sagt Müller alias Derblecker Ritter Blech, und Dolce versichert, dass er keinesfalls beleidigt sei. "Der Mensch, der man selber ist, ist jemand anders als der Politiker, der in der Öffentlichkeit steht", findet Dolce. Wenn er selbst so angegriffen würde, wäre er allerdings schon beleidigt. So aber, in der Haut des Politikers, sei es "eine Ehre, erwähnt zu werden". Das gebe es doch auch sicher nicht, dass durch die Ritter-Rede jemand beleidigt sei, fragt Dolce noch. "Doch doch", sagt Müller. "Einmal hat einer mich wochenlang nicht gegrüßt, aber dann hat er sich wieder beruhigt."

Zum siebten Mal hat Müller am Samstag als Ritter Blech im Taufkirchner Kultur- und Kongresszentrum die Lokalpolitiker aufs Korn genommen, die dazu allesamt lächelten, vielleicht manchmal ein wenig gequält. Landrat Christoph Göbel etwa musste sich anhören "Da können Sie noch 20 Jahre Präsident vom TSV Gräfelfing bleiben, Kreisliga bleibt Kreisliga." Bürgermeister Ullrich Sander (Parteifreier für die CSU), der diesmal anders als im Vorjahr anwesend war, was durchaus mehrfach bei Tischgesprächen thematisiert wurde, bekam ebenfalls sein Fett ab: "Als Bürgermeister insgesamt befindest du dich doch eher im sechsten Lehrjahr." Den Refrain "Wählen heißt, sich quälen" wiederholte Ritter Blech immer wieder, jeweils untermalt von einem Tusch der Blaskapelle Taufkirchen, aus dem Musikstück "Ja so warns die alten Rittersleit".

Matteo Dolce kam in der Rede vor als "der junge italienische Espressokocher", die Substanz eines Kaffees bezeichne man auch als Profil, erklärte Ritter Blech. "Matteo, du hattest fünf Jahre Zeit zum Kochen. Wo bleibt das Profil?" Er habe sich für einen Defibrillator eingesetzt. "Aber ob ein Defi reicht, um die Taufkirchener SPD zu reanimieren?" Dem Kandidaten der Grünen David Grothe verlieh der Ritter den Titel "Mr. Sieben-Prozent", die er bei der letzten Wahl erreichte. "Aber der Bürgermeisterstuhl ist für den Grothe so weit weg. Dagegen liegt Australien quasi ums Eck."

Alle Lokalpolitiker bekamen etwas ab vom Ritter-Schmäh. "Fünf Jahre lang hörst du von den politischen Gruppierungen so gut wie nichts", so Ritter Blech. "Zur Zeit lächeln an jeder Ecke unsere Nebenbei-Politiker auf Wahlplakaten um die Wette." Kurz vor der Kommunalwahl am 15. März erwachten offenbar die "Hobby-Polit-Strategen, sogar digital und multimedial". Die "Dorfsozis" täten sich durch ein Filmchen im Netz hervor. "Da tritt ein sichtlich gecoachter Bürgermeisterkandidat lächelnd und gestriegelt mit einer einstudierten Choreographie auf die Bühne." Letztendlich aber liefere der Film nur "kalte Pizza".

"Aber auch die anderen liefern nicht", "vom amtierenden Bürgermeister hörst du fünf Jahre lang nicht viel, sehen tust du ihn auch selten." Michael Lilienthal, Bürgermeisterkandidat der Freien Wähler, ist für den Ritter "wirklich nicht der Überraschungscoup", und es scheine nicht so, als ob er den Job wirklich wolle. "Du wirkst doch eher wie ein Traghund als wie ein Jagdhund." Die Kandidatin der FDP, Maike Vatheuer-Seele, sei sich seit ihrer Nominierung im Mai 2019 treu geblieben, versichert der Ritter. "Sie bleibt für viele ein No-Name." Eine Gruppierung hatte nicht die Ehre, erwähnt zu werden: die ILT. "Die ist auch nicht erwähnenswert", erklärte Michael Müller nach seinem Auftritt.

"Manche Nachbargemeinden beneiden uns um das Starkbierfest", hatte der Vorsitzende der Freunde des Wolfschneiderhofes, Helmut Rösch, schon zu Anfang gesagt, der es mit seiner Frau Edith organisiert. Tatsächlich amüsierte sich ein voller Saal nicht nur über den Ritter Blech, sondern auch über die anschließend auftretende Gstanzl-Sängerin Renate Maier aus dem Rottal, deren Scherze weniger politisch, dafür schön derb waren. Der Verehrung des Starkbieres, das unter den Augen des Ayinger Brauereidirektors Helmut Erdmann serviert wurde, widmete sich auch die Musikgruppe "Bast-Scho". Unter Anleitung der Moderatorin Traudi Siferlinger gab's zwischendurch Chorgesang des Publikums. Ein musikalisches Highlight war das "Trio Unterlercher Penz" aus Tirol. Das Wort "Virus" fiel auch irgendwann mal, dann sagte einer, zwei Bier seien das beste Gegenmittel. Erdmann findet: "Nach zwei, drei Halben stellt sich so ein wohliges Gefühl der Entspannung ein. Ist auch als Schlafmittel zu empfehlen."

© SZ vom 02.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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