SZ-Serie "Reife(n)prüfung":Die Geduldsprobe

Lesezeit: 2 min

Ein Radschnellweg, aufgenommen in Göttingen. Bis es im Landkreis etwas Vergleichbares gibt, kann es noch sehr lange dauern. (Foto: picture alliance / dpa)

Mit den Radschnellwegen im Landkreis ist es so eine Sache. Sie sollen flottes Fahren ermöglichen, aber die Planung geht eher mühsam voran.

Von Iris Hilberth, Landkreis

Obwohl Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle schon mehr als 16 Jahre Chef im Rathaus ist und daher genau weiß, wie lange manche Verwaltungsvorgänge dauern, verzweifelt er mitunter an der Bürokratie. Dann schlägt sein Pragmatismus durch und er ist einfach nur noch genervt, dass nichts vorangeht, obwohl doch alles so einfach sein könnte. Die Radschnellwegverbindung zwischen Sauerlach nach Oberhaching und weiter durch den Perlacher Forst bis in den Münchner Stadtteil Harlaching ist solch ein Projekt, das - ginge es nach Schelle - längst abgeschlossen wäre. Und doch steckt es noch immer in der Planung, genau wie der erste echte Radschnellweg im nördlichen Landkreis und inzwischen auch die möglichen Radtangenten, die sich wie ein Hufeisen um die Landeshauptstadt legen könnten.

Angezogene Handbremse

Doch überall müssen die Radfahrer derzeit noch mit angezogener Handbremse auf ihr Ziel zusteuern, denn von der Idee über die Machbarkeitsstudie bis zur Festlegung der Trasse, den zahlreichen Genehmigungen und schließlich dem tatsächlichen Bau solcher Radautobahnen ist es ein weiter Weg. Dabei hatte Schelle zumindest für seine Trasse im Süden gedacht, es könne alles etwas flotter als gewöhnlich gehen. Die Idee, die der Oberhachinger vor drei Jahren gemeinsam mit seinen Kollgen aus Unterhaching, Taufkirchen und Sauerlach vorstellte, schien so einfach und naheliegend zu sein: Nutzen wir doch die vorhandenen Wege entlang der S-Bahn und durch den Wald und richten sie so her, dass sie für eilige Pendler eine flotte Alternative zum Auto bieten. Neu asphaltieren, Winterdienst einrichten und losfahren. So hatten die Bürgermeister im Hachinger Tal sich das gedacht. Drei Jahre sind nun vergangen und die schnelle Radwegverbindung gibt es noch immer nicht. Zwar hat der Kreis mittlerweile dem Projekt zugestimmt, übernimmt sogar die Straßenbaulast und damit die Kosten. Doch was ist mit dem Wasserschutzgebiet bei Sauerlach und der Rodungsgenehmigung im Forst? Die braucht man für eine Förderung durch den Staat, das stellt die Verwaltung vor eine schwierige Herausforderung. Als die Kommission der fahrradfreundlichen Kommunen kürzlich Oberhaching bereiste, meinte Stefan Schelle: "Da bist du hilflos." Etwas mehr Pragmatismus wünscht er sich. Zumal auf dem bereits vorhandenen Weg gar keine Bäume stehen und es den Kiesweg nach Sauerlach auch schon seit 1857 gibt.

Beliebt bei Fahrrad-Ausflüglern: der Radweg durch den Perlacher Forst zur Kugler Alm. (Foto: Angelika Bardehle)

Dass man für diese Verbindung nicht von einem echten Radschnellweg wird sprechen könne, war eh klar. Denn dafür ist die Latte sehr hoch gelegt, die Kriterien umfangreich und vor allem in Siedlungsgebieten kompliziert zu realisieren. So soll ein Radschnellweg mindestens fünf Kilometer lang, mit einem hochwertigen Belag ausgestattet sein und eine Reisegeschwindigkeit von wenigstens 20 Stundenkilometern im Schnitt bis hin zu Tempo 30 zulassen. Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) fordert eine Breite von vier Metern, um ein sicheres Miteinander von schnelleren und langsameren Radfahrern sicher zu stellen. Umwege und Ampeln sollen vermieden werden, Radfahrer in querenden Straßen Vorfahrt haben. Auch sollen die Kurvenradien ausreichend dimensioniert sein, um die Zahl der Brems- und Beschleunigungsvorgänge zu minimieren. Keine leichte Aufgabe also für die Planer. Dennoch ist man inzwischen so weit, dass eine Pilotstrecke zwischen der Landeshauptstadt und den Gemeinden Unterschleißheim und Garching gebaut werden kann. In nur etwas mehr als 20 Minuten sollen dann Radfahrer von Unterschleißheim nach München gelangen. Von Garching schafft man es dann in 30 Minuten. Doch noch müssen sich die Schnellradler in Geduld üben, die Verbindung kann, wenn alles gut geht, erst 2021 eröffnet werden.

Unterdessen hegt der Landkreis bereits neue Pläne, um die Radfahrer zu beschleunigen. Da man nicht wie beim Bau der S-Bahn den gleichen Fehler machen will, indem man alle Verbindungen sternförmig nach München anordnet, gibt es inzwischen ein Konzept für tangentiale Radschnellwege. Sie ziehen sich von Oberschleißheim in Richtung Osten nach Garching, dann nach Süden über Ismaning, Aschheim, Feldkirchen, Haar, Grasbrunn, Putzbrunn und teilen sich in Neubiberg in zwei Varianten nach Westen. Bislang allerdings nur auf dem Papier.

© SZ vom 10.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: