SZ-Serie: In den Startlöchern:Am Gaul kommt keiner vorbei

Lesezeit: 3 min

Das Pauschenpferd zählt zu den schwersten Disziplinen für Turner. Das weiß auch Fabian Stemmer vom TSV Unterhaching (Foto: Angelika Bardehle)

Wer im Mehrkampf der Turner erfolgreich sein will, muss schon in jungen Jahren viel am Pauschenpferd trainieren. Das weiß auch der elfjährige Fabian Stemmer, der in Unterhaching seinem Vereinskameraden Marcel Nguyen nacheifert.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Magnesia ist wichtig, und Konzentration natürlich. Fabian Stemmer hat die beiden Griffe des Turngeräts, die Pauschen, fest umklammert. Das Seitpferd reicht ihm etwa bis zur Schulter. Es hat nun mal bei Elfjährigen die gleichen Ausmaße wie bei Olympiateilnehmern, auch der Unterhachinger Spitzenturner Marcel Nguyen hat stets einen 1,15 Meter hohen, 1,60 Meter langen und 35 Zentimeter breiten Gaul zu zähmen. Wie schwierig das oftmals ist, wissen die deutschen Turner nur allzu gut. Einmal danebengelangt, und schon wirft einen das Pferd ab und man landet ungewollt auf der Turnmatte jenseits aller Medaillenränge.

"Wer den Mehrkampf gewinnen will, muss gut am Pauschenpferd sein. Das ist die halbe Miete", sagt Oskar Paulicks, Abteilungsleiter des TSV Unterhaching, bei dem Nguyen groß wurde und Fabian Stemmer sich noch nach ganz oben turnen möchte. Ohne Mehrkampf geht es bei den Turnern nicht. Anders als in der Leichtathletik, wo schnell reine Spezialisten gefragt sind, müssen die Enkel von Turnvater Jahn in jedem Wettbewerb immer erst ihre Vielseitigkeit beweisen, bevor sie auch an den einzelnen Geräten um Medaillen ringen dürfen.

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"Pauschenpferd ist ekelhaft zu trainieren."

Beliebt ist das Pauschenpferd deshalb noch lange nicht. Optisch eher unscheinbar und vielleicht auch mit seiner etwas plumpen und antiquierten Form wenig reizvoll, kann es mit der schicken Trampolinbahn, dem modernen Sprungtisch und den beeindruckenden Aufbauten von Ringen und Reck nicht annähernd mithalten. Dieser lang gestreckte Bock mit den beiden Plastikgriffen, an denen schon viele Riegen von Turnern ihre Magnesiaspuren hinterließen, verlangt den Athleten aber mehr ab als mach andere Disziplin.

Auch wenn Flugteile über die Reckstange oder Doppelsalti auf der Bodenfläche spektakulärer aussehen. "Es ist ekelhaft zu trainieren und sehr zeitaufwendig", sagt der Unterhachinger Bundesligaturner Jakob Paulicks. Er steht mit dieser Meinung nicht alleine. "Viele hassen das Pferd. Auch Marcel Nguyen und Fabian Hambüchen", weiß Oskar Paulicks. Denn irgendwie finden viele es auch einfach langweilig, immer und immer wieder um die Pauschen und über den Pferdrücken zu kreiseln, bis sie diesen akrobatischen Ritt endlich so perfektioniert haben, dass jeder Handgriff, jede Flanke, jedes Spreizen sitzt.

Fabian Stemmer ist da noch weniger emotional, wenn es um sein Verhältnis zum Pauschenpferd geht. Es zählt zwar nicht unbedingt zu seinen Lieblingsgeräten, da bevorzugt er eher Reck und Sprung. Die Übung an den Pauschen findet er "eher so mittel". Aber eines weiß auch er: "Es ist ziemlich schwer zu trainieren." Auf seinem Programm stehen derzeit einige neue Elemente, die Namen haben wie "Tschechen-Kehre" oder "Russen-Wende". Man kann sich denken warum.

Die Nachwuchsturner müssen zunächst viel am Turnpilz trainieren. (Foto: Angelika Bardehle)

Der Elfjährige geht fast täglich an die Geräte

Fabians Trainer stammt aus Russland. Valerij Ostrouschko trainiert den Unterhachinger Nachwuchsturner schon seit der vor vier Jahren zum ersten Mal zu ihm in die Kunstturnhalle in der Sportarena am Utzweg kam. Sieben Jahre alt war Fabian damals und für den Start einer Kunstturnkarriere vergleichsweise schon recht alt. Die meisten beginnen mit fünf. "Wenn einer Talent hat, kann er auch mit acht Jahren noch anfangen", sagt Ostrouschko. Er sah sofort das Potenzial, das in dem Jungen steckt. "Er hat Kraft, ist sehr beweglich und hat eine gute Konzentration. Das ist perfekt", sagt der Trainer.

Und so kam es, dass der jetzt Elfjährige inzwischen fast jeden Tag an die Geräte geht. "Meine Mutter dachte am Anfang, zweimal Turnen in der Woche wäre doch ganz gut. Aber ich sollte sofort viermal kommen", erzählt Fabian. "Damals wussten wir noch nicht viel übers Turnen, ich hatte beim ersten Mal sogar ganz normale feste Turnschuhe an." Inzwischen weiß er, dass man als Turner in weißen Socken oder barfuß antritt, längst gehören Reck- und Ringriemchen zu seiner Ausrüstung, und an die Trikots, die wie Badeanzüge geschnitten sind, weil Bodys nun mal nicht aus der Hose rutschen, hat er sich auch gewöhnt. Mittlerweile ist sechsmal Training pro Woche angesagt, dazu kommen Wettkämpfe und Trainingswochenende mit dem Landeskader. Das klingt viel und ist von einem so jungen Sportler nur leistbar, wenn der das selbst unbedingt möchte.

Will zu Olympia: Fabian Stemmer vom TSV Unterhaching. (Foto: Angelika Bardehle)

Trainer und Mutter attestieren dem Elfjährigen diesen Willen zu sportlichen Höhenflügen. Er selbst sagt: "Marcel Nguyen ist mein Vorbild, irgendwann möchte ich auch zu Olympia." Vielleicht 2024 oder 2028, hat er ausgerechnet. Immerhin ist er schon oberbayerischer Meister im Mehrkampf sowie bayerischer Meister am Boden und Sprung. Ab und zu hat er Hachings großen Vorturner Nguyen schon in der Halle getroffen. Gemeinsam trainiert haben sie zwar noch nicht: "Aber er hat Hallo gesagt, dann habe ich auch Hallo gesagt."

© SZ vom 05.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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