Standortverlagerung:Haar verliert wichtigen Gewerbesteuerzahler

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Künftig eine Schule? Das leer stehende Bürogebäude der ehemals in Haar ansässigen Pharmafirma MSD Sharp & Dohme. (Foto: Claus Schunk)

Das Pharmaunternehmen MSD Sharp & Dohme verlässt die Gemeinde 2021 und zieht mit den 500 Beschäftigten nach Berg am Laim.

Von Bernhard Lohr, Haar

Das Pharmaunternehmen MSD Sharp & Dohme gibt seine Zentrale in Haar auf. Der Konzern bezieht mit den 500 Beschäftigten, die in sieben Teilunternehmen tätig sind, Büros im Quartier "Die Macherei", das gerade nahe dem S-Bahnhof in Berg am Laim entsteht. Der Umzug ist nach Fertigstellung im Jahr 2021 geplant. Für die Gemeinde Haar ist die Entscheidung ein Schlag. MSD ist einer größten Gewerbesteuerzahler. Auch gab man im Rathaus etwas darauf, den nicht ganz unbedeutenden Ableger des US-Konzerns Merck & Co. am Ort zu haben.

Im Jahr 1994 fiel am Merck-Sitz in Whitehouse Station in New Jeresey die Entscheidung, MSD in Haar anzusiedeln. Die kleine Gemeinde setzte sich gegen Wettbewerber wie London und Brüssel durch. Damals hieß es, die Attraktivität von München habe den Ausschlag gegeben. Nun zeigt sich: Haar ist eben doch nicht München. Das Unternehmen zieht es ins Stadtgebiet. Angeblich wegen des attraktiveren Umfelds in einem modernen Quartier.

Damit steht ein Umbruch für ein Unternehmen an, das in den vergangenen Jahren einige Umstrukturierungen erlebt hat. Ein Sparprogramm wurde aufgesetzt. Dann wurden Teile der Tiermedizin-Sparte nach Haar verlegt. Vor einiger Zeit wurde dafür die Europazentrale von MSD, die erst 2007 nach Haar kam, nach Luzern in die Schweiz verlegt. Nun soll ein Standortwechsel - offenbar gerade mit Blick auf die Mitarbeiter - das Unternehmen bereit für die Zukunft machen. MSD-Geschäftsführerin Susanne Fiedler erklärt den Umzug mit dem "überzeugenden Quartierskonzept, das die Bedürfnisse unserer Mitarbeiter umfänglich abdeckt".

Der neue Standort soll für Mitarbeiter attraktiver sein

MSD-Sprecher Christoph Habereder spricht die Lage in München als eines von zwei Kriterien an. In Berg am Laim werde man ein Umfeld vorfinden, das jungen Mitarbeitern entgegenkomme. Da gehe es konkret um "Erreichbarkeit", um die "Nähe zum Wohnort" und um solche Dinge wie "Work-Life-Balance", sagt Habereder. Als zweiten Punkt nennt Habereder die Erfordernisse eines modernen Arbeitsplatzes und verweist auf das Vorbild der Microsoft-Zentrale in der Parkstadt Schwabing. Habereder sagt, man wolle an Stelle abgeteilter Büros sogenannte Co-Working-Spaces schaffen, also Orte, an denen die Mitarbeiter miteinander in Kontakt träten und verschiedenen Tätigkeiten nach gehen könnten.

Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) wurde von MSD-Geschäftsführerin Fiedler vorab informiert und bezeichnet die Nachricht als "Schock". Haar verliere "einen wichtigen Partner". Damit seien nicht nur finanzielle Einbußen verbunden. "Wenn eine international erfolgreiche Firma einen Standort verlässt, geht auch ein Imagefaktor verloren", sagt Müller. Sie zieht einen Vergleich zum Weggang der Bayerischen Versicherungskammer, der Anfang der Nullerjahre Löcher in die gemeindlichen Finanzen riss und dauerhaft Steuerausfälle in Millionenhöhe nach sich zog.

Die Gemeinde richtet sich darauf ein, dass sie sparen muss

Erste Gespräche in der Verwaltung, wo gespart werden könne, habe man bereits geführt, sagt Müller. Mit den Fraktionen des Gemeinderats werde man sich nach den Sommerferien beraten. An zentralen Investitionen will Müller nicht rütteln: Dazu zählen für sie der Bau der Grundschule, die Errichtung der Kindertagesstätte im Jugendstilpark, der Wohnungsbau sowie der Umbau des jetzigen Maria-Stadler-Hauses. "Aber natürlich muss man jetzt vieles neu auf den Prüfstand setzen."

MSD unterzeichnete einen langfristigen Mietvertrag für drei Geschosse in einem von sechs Gebäuden in dem neuen Quartier, das auf einem 26 400 Quadratmeter großen früheren Werksgelände in Berg am Laim entsteht. Das Unternehmen mietet 8500 Quadratmeter Bürofläche an. Insgesamt sollen in der "Macherei" auf 67 000 Quadratmetern Geschossfläche unterschiedliche Nutzungen Platz finden. Rund um ein sogenanntes Inkubatorgebäude mit Co-Working-Spaces und Konferenzflächen soll ein attraktives Arbeitsumfeld entstehen: Loft-Büros mit Dachterrassen, ein Design-Hotel, Gastronomie, Einzelhandel und auch ein Fitnessstudio, wie Geschäftsführer Ferdinand Spies von Art-Invest Real Estate sagt.

Haar muss nun zusehen, dass das MSD-Gebäude von 2021 an nicht leer steht. Haar sei ein attraktiver Standort und werde Leerstände wieder füllen, sagt Müller. Einen Konzern wie MSD zu finden, dürfte aber schwierig werden. Dieser zählt in Deutschland etwa 2100 Mitarbeiter an sieben Standorten. Umsatz: 1,7 Millarden Euro.

© SZ vom 25.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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