St. Jakobus in Oberschleißheim:Zum Sterben zu schade

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Das Kirchlein St. Jakobus in Oberschleißheim hat eine wechselvolle Geschichte von mehr als 1000 Jahren. Zuletzt diente es als Friedhofskapelle und war dem Verfall preisgegeben. Ein Förderverein hat es in die Hand genommen, das Kleinod zu erhalten

Von Klaus Bachhuber

Ein bayerischer Herzog hat in Schleißheim einen Prototyp eines Renaissanceschlösschens diesseits der Alpen errichtet, das Alte Schloss; ein Kurfürst hier ein Monument des bayerischen Barock gebaut, das Neue Schloss; Kaiser zweier Epochen waren am Ort zu Gast, in Schloss Lustheim. Doch das älteste Gebäude in der Gemeinde Oberschleißheim ist das kleine Kirchlein St. Jakobus, über die Jahrhunderte immer wieder umgebaut, verändert und neu gestaltet. Zuletzt wegen Verwitterung sogar dem Verfall geweiht, hat sich vor 15 Jahren ein ehrenamtlicher Förderverein daran gemacht, das Gotteshaus zu erhalten.

Mauerwerk aus dem 12. Jahrhundert wurde bei Sanierungsarbeiten als älteste Bausubstanz der Kirche ermittelt, wie sie heute inmitten von Gräbern im Oberschleißheimer Gemeindefriedhof Hochmutting steht. Der legendäre Ursprung der Kirche lässt vermuten, dass sie aus dem 10. Jahrhundert stammt, wahrscheinlich um 1042 zerstört wurde und der seinerzeitige Wiederaufbau der Kern des heutigen Gebäudes ist. Die Renovierung hat Malereien an der nördlichen Innenwand freigelegt, die wohl im 13. Jahrhundert entstanden. Um 1540 wurde eine Mauereröffnung für eine Glocke geschlagen. Als Herzog Wilhelm V. Ende des 16. Jahrhunderts Land um die Schwaige Schleißheim für einen geplanten Landsitz zusammenkaufte, erwarb er auch die Schwaigen Ober- und Niederhochmutting mit den Kirchen St. Jakobus und St. Nikolaus, beide damals schon uralte Gemäuer.

Um seinen Landsitz, Vorgängerbau des Alten Schlosses, richtete er sich einen Ring von Kirchen ein, der wie ein Rosenkranz das Herrenhaus Schleißheim umspannte; die bestehenden St. Jakobus und St. Nikolaus - letztere brannte später ab - gliederte er ein. Dazu wurde St. Jakobus umgebaut, um der zeitgenössischen Mode folgend dem Glauben plastischeren Ausdruck zu verleihen.

So erhielt das schlichte Kirchlein laut einem zeitgenössischen Bericht einen Altar, "dessen tafel man 3 mal verkheren kann; als erstlich sihet man St Benno, hernach verkhert mans, so kompft unser herr Gott in gestalt aines gärtners in garten, wie er Maria Magdalena erscheinet; zum dritten kompt unser liebe Fraw und St Jacob bei ihr, und wird dieser altar gewichter also umgetriben und verkheret". Auch das Kirchendach wurde steiler angelegt, als es zuvor war, vielleicht wegen einer notwendigen Renovierung. An der Nordseite wurden rechteckige Fenster ins Mauerwerk gebrochen.

Als bei der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts das Kloster in Mittenheim aufgelöst worden war, wo die Schleißheimer zuvor ihre Toten bestattet hatten, waren Ort und Hofkuratie Schleißheim nun ohne Gottesacker. Kurfürst Max Joseph ließ daher "den Kirchhof (= Friedhof) an die durch ihr Alterthum so berühmte St. Jakobs-Kapelle in Hochmuthing verlegen", heißt es in den Hochmuttinger Sterbematrikeln.

Der Chorraum als Abstellkammer

Am 12. Mai 1805 wurde die Begräbnisstätte gesegnet und die erste Tote bestattet. St. Jakobus war nun Aussegnungsstätte. Der Chorraum wurde abgemauert und fortan als Abstellkammer für Friedhofsbedarf genutzt. 1966 wurde die Kirche grundlegend umgestaltet - nicht durchgängig zu ihrem Besten. Der alte hölzerne Dachstuhl wurde durch eine Stahlbetondecke ersetzt, in die Südfront wurde ein neuer Haupteingang gebrochen und die früher zugemauerten Lichteinlässe aus romanischer Urzeit wurden wieder geöffnet.

Genutzt wurde die Kapelle aber nur noch selten, weil für den Friedhofsbetrieb längst eine Aussegnungshalle gebaut worden war. Das Mauerwerk war über die Jahrhunderte grundlegend durchfeuchtet. St. Jakobus war faktisch der Verwitterung preisgegeben. Die Rettung des Bauwerks war zudem blockiert durch historisch gewachsene bürokratische Hürden. Das Gebäude gehört dem Staat, es wird verwaltet durch die Schlösser- und Seenverwaltung, der Unterhalt obliegt der Gemeinde Oberschleißheim - und die Nutzung der katholischen Pfarrei. Der Durchbruch gelang 2003, als die damalige Oberschleißheimer Bürgermeisterin Elisabeth Ziegler einen runden Tisch zur Sanierung der Kirche einberief, aus dem der Förderverein St. Jakobus erwuchs.

In Privatinitiative organisiert der Verein nun seit 15 Jahren den Erhalt des Schmuckstücks. Dazu waren zum Auftakt 13 Gräber umgebettet worden, die direkt an der Kirchenmauer gelegen waren. Nun konnte das Fundament trockengelegt werden, was alleine Monate dauerte. Um das zu sichern, wurde der Kirchenraum mit einer Fußbodentrocknung ausgestattet. Die alte Abmauerung wurde ausgebrochen, das Kirchenschiff wieder auf die originale Größe erweitert, der Glockenturm erneuert. Heizung und Strom wurden neu verlegt. Eine neue Beleuchtung verleiht dem Innenraum eine völlig neue Atmosphäre.

Der Förderverein hat mit der Trockenlegung begonnen und den Innenraum saniert. (Foto: N/A)

Eine Lüftung wird nun noch installiert, damit historische Ausstattungsgegenstände zurück in die Kirche können, die bei der Schlösserverwaltung eingelagert sind. Die gotische Wandbemalung wird nicht rekonstruiert. An die freigelegten Fragmente werden Infotafeln mit Fotografien erinnern. Eine Rekonstruktion hätte einen siebenstelligen Betrag verschlungen, der dem kunsthistorischen Wert der Malerei nicht angemessen schien. Zudem haben die nachträglich eingebauten Fenster das mögliche Gesamtbild ohnehin zerstört.

Aktuell ist der Förderverein auf der Suche nach einem neuen Altar. "Sehr schlicht und dezent" wünscht sie sich den, sagt Ziegler. Sie ist seit 15 Jahren Vorsitzende des Fördervereins, es ist das einzige öffentliche Mandat, das sie vier Jahre nach ihrem Abschied aus dem Rathaus behalten hat. Ziel des Vereins ist es nach ihren Worten, "St. Jakobus als historisches Kleinod zu erhalten, einer ökumenischen Nutzung für den Friedhof zuzuführen, aber auch als profanen Veranstaltungsraum für Konzerte oder Ausstellungen zu öffnen". Ein ganz eigenes Kapitel ist die Legende zum Ursprung der Jakobuskapelle. Die hängt üblicherweise auf einer mannshohen Tafel an der Wand der Kapelle, der sogenannten "Ungarntafel" aus dem Jahr 1549. Sie berichtet, dass in der Schlacht auf dem Lechfeld bei Augsburg 955, wo Ritter unter Führung König Ottos und des Augsburger Bischofs Ulrich ungarische Reiter gründlich besiegten, "ainer darunter gewesen mit namme Kalthausser" und der habe "Gott gebetten, wan ihm Gott ausgeb aus diesen krieg so wölle er ain Kirch bauen in seinen namen und S. Jacob".

Der Ritter überlebte, folgte König Otto zur Kaiserkrönung nach Rom und erlangte dort "vom Babst Joanne dem zwölften" die Erlaubnis ein Kirchlein zu bauen, die Tafel nennt als Jahreszahl 964.

Verbindung nach Keferloh

Bei der Abfassung der Tafel rund 600 Jahre später gibt es jedoch einige Ungereimtheiten. Dass im 10. Jahrhundert hierzulande jemand "Kalthausser" geheißen haben könnte, ist etymologisch weitgehend auszuschließen, der Name ist wohl in späteren Generationen hineingerutscht. Weiter soll nach der Legende im Jahr 1042 "die Kirchen und heußer auch verbrennt worden, dan es grösser Krieg nie gewest". Auch hierfür werden wieder die Ungarn als Schuldige genannt. Nach ihrer Niederlage im Jahr 955 aber waren diese historisch ganz sicher nicht mehr in Bayern. Kriegsschäden um diese Zeit führt Heimatforscher Hans Gruber auf Machtkämpfe zwischen den Bayernherzögen und dem deutschen König zurück.

Und dann verknüpft die Ungarntafel auch noch den päpstlichen Erlass zum Bau der Kapelle mit der Stiftung eines Jahrmarkts - der Ursprung der berühmten Auer Dult. "Nach Christi Geburth 1175zigsten Jahr", so heißt es auf der Tafel, "kham München auff, da kham der Jahrmarkt gen München hinein". Wahrscheinlich hat der Hans Keferloher, der die Tafel 1549 schreiben ließ, hier die Legenden über den Familienbesitz in Keferloh, wo es in der Tat einen berühmten Jahrmarkt gab und gibt, und über Hochmutting verwechselt. Ganz abgesehen davon, dass die auf der Tafel genannten Jahreszahlen nicht zusammenpassen, ist für Hochmutting nie ein Jahrmarkt nachweisbar.

© SZ vom 29.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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