SPD:"Konsequenzen wie bei Martin Schulz"

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Während Sozialdemokraten andernorts nur über ein Ende der großen Koalition diskutieren, fordern der Kreisverband München-Land und seine Vorsitzende Bela Bach auch den Rückzug von SPD-Chefin Andrea Nahles.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Die Diskussion um den weg beförderten Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen und die Konsequenzen aus der heftig umstrittenen Entscheidung nimmt bei Sozialdemokraten im Landkreis noch eine weitere Wendung als andernorts in der Partei. Im Zuge der Causa Maaßen sieht die SPD-Kreisvorsitzende Bela Bach nicht nur innerhalb der großen Koalition in Berlin eine "rote Linie" überschritten, sondern auch in ihrer eigenen Partei. So legt Bach SPD-Chefin Andrea Nahles unumwunden den Rücktritt nahe: Diese habe die Lage "vollkommen falsch eingeschätzt" und solle daher den "Weg für eine echte Erneuerung der SPD frei machen".

Bach und der gesamte Vorstand des Unterbezirks München-Land haben am Donnerstag den Bundesvorstand der SPD aufgefordert, die Koalition mit der Union zu beenden, falls Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Horst Seehofer (CSU) als Innenminister im Amt belässt. Sollte Merkel Seehofer nicht entlassen, heißt es in einem Antrag an den Landesvorstand und den Parteivorstand der SPD, "sind die roten Linien für eine Fortführung der großen Koalition überschritten. In diesem Fall ist die Koalition mit der CDU/CSU aufzukündigen".

"Alle Groko-Gegner haben recht behalten."

Die Einigung der Koalitionsspitzen auf die Beförderung von Hans-Georg Maaßen vom Chef des Amtes für Verfassungsschutz auf den Posten eines Staatssekretärs in Seehofers Innenministerium hat auch unter den Genossen im Landkreis München teils blankes Entsetzen hervorgerufen. Es rumort an der Basis, der Ton wird rauer und emotionaler. "Alle Groko-Gegner haben recht behalten", sagt Annette Ganssmüller-Maluche, die stellvertretende Landrätin und Landtagskandidatin aus Ismaning. "Mit Horst Seehofer und dieser CSU ist es nicht mehr möglich, vernünftige Politik zu machen."

Für Ganssmüller-Maluche gibt es derzeit nur einen Ausweg für die Sozialdemokraten: die Zusammenarbeit mit der Union im Bund beenden und Neuwahlen. "Ich fürchte mich davor auch nicht und die Partei darf sich auch nicht fürchten", sagt die Frontfrau der SPD im Landkreis. Sie erkennt im Verhalten von Nahles Parallelen zu deren Vorgänger: "Es ist sehr wahrscheinlich, dass es Konsequenzen wie bei Martin Schulz geben wird." Nahles sei unter Druck, sie habe "die Lage unterschätzt und sich verschätzt". Das Wort Rücktritt verwendet Ganssmüller-Maluche nicht, aber sie setzt wie Bach auf eine Erneuerung der SPD in der Opposition: "Das Ende der Groko wird der Partei gut tun und befreiend wirken."

Auch der Noch-Landtagsabgeordnete Peter Paul Gantzer aus Haar hat Verständnis für das Rumoren an der Parteibasis. "Ich kann diesen Schritt, Georg Maaßen zu befördern, nicht nachvollziehen. Das geht einfach nicht", sagt Gantzer. "Maaßen gehört in den Ruhestand." Und in diesen gehöre wohl auch die große Koalition in Berlin. "Vielleicht braucht es jetzt einen sauberen Schnitt und die Trennung." Das Ansehen der Politik und der Politiker, sagt Gantzer, schwinde durch derartige Zustände immer weiter; dem müsse entgegengewirkt werden. Ob dieser saubere Schnitt mit Andrea Nahles gelingen kann? "Ich glaube, sie wird es sehr schwer haben."

"Die CSU ist im Wahlkampf unberechenbar."

Bei der Ismaninger Kreisrätin Johanna Hagn bricht sich ebenfalls Wut über den Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, seine Äußerungen zu den Vorkommnissen in Chemnitz und seine spätere Beförderung Bahn, doch diese richtet sich nicht gegen die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles. "Wir haben eine schwache Kanzlerin und einen unerträglichen Innenminister, dem es nur darum geht, anderen Sand ins Getriebe zu werfen", sagt Hagn. Aber wegen einer Personalie die Regierung hinzuschmeißen, das sei der falsche Weg. "Ich möchte nicht lesen, dass die SPD Schuld daran trägt, dass die Koalition gesprengt worden ist", sagt Hagn und mahnt die eigenen Genossen zur Zurückhaltung. "Eine Koalition bedeutet auch Kompromisse. Und dass die CSU im Wahlkampf unberechenbar ist, wissen wir doch alle."

Unberechenbar? Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) geht noch weiter: Aus "niederträchtigsten Gründen" nehme Seehofer "ein ganzes Land in Haftung, nur um der Kanzlerin zu schaden". Außer Rand und Band sei der Minister, getrieben, die ganze Situation ein Wahnsinn, sagt Greulich. Aber raus aus der Groko will er nicht. Vielmehr, sagt Greulich und lacht, werde er das Ganze "bei ein paar Mass auf der Wiesn aussitzen". Denn: "Nach der Wahl ist der Seehofer dann eh fällig." An Andrea Nahles will der SPD-Rathauschef indes nicht rütteln. Es müsse Schluss sein mit Personaldebatten. "Und die große Koalition muss liefern."

© SZ vom 21.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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