Wer sich mit Margarete Brunnhuber unterhält, merkt die Gutmütigkeit, die sie ausstrahlt. Aufmerksam hört sie Fragen zu, überlegt, bevor sie antwortet. Während sie über sich erzählt, lacht sie, wird ernst, traurig. Sie spricht über ihr Leben und Ereignisse, Dinge, die ihr Spaß machen, und Situationen, die sie herausfordern. Vor allem spricht sie über die Menschen, die sie in den vergangenen Jahrzehnten begleiten und unterstützen konnte. Seit mehr als 50 Jahren engagiert sich die Sauerlacherin für andere. In ihrer Gemeinde, seit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl vor allem aber in der Ukraine. An diesem Dienstag wird ihr für ihr Wirken das Bundesverdienstkreuz verliehen.
Aktuell widmet sich die 68-Jährige gerade wieder der Sammlung von Spenden für den Verein "Hilfe für die Ukraine". Schon von 1991 bis 2010 hatte sie mit dem Verein, der damals noch "Hilfe für die Tschernobyl-Kinder" hieß, Hilfsgüter nach Lwiw transportiert, teilweise fuhr sie die Lkw selbst über die Grenzen. Aber schon weit davor habe sie gelernt, immer für andere da zu sein. "Aufgewachsen bin ich in einer Großfamilie", erzählt sie. Geschwister habe sie zwar keine, "nur viele Tanten und Onkel", ergänzt sie mit einem Lachen. Als kleines Kind hat sie deshalb viel Zeit mit älteren Menschen verbracht, das habe sie auch geprägt.
Hier habe sie vor allem gelernt, sich gegenseitig zu helfen. "Das war schon immer so, jeder hat jedem geholfen." In die Rolle ihrer vielen Ehrenämter - neben der Ukraine-Hilfe hat sie sich im Gemeinderat, in der Bücherei, beim Umweltbeirat, beim Katholischen Frauenbund und beim Trachtenverein engagiert- ist Brunnhuber aber erst mit der Zeit hineingewachsen.
Die Kinder aus der Umgebung von Tschernobyl, die sie nach dem Reaktorunglück aus Lwiw, dem einstigen Lemberg, zu sich nach Hause brachte, haben sie besonders beeinflusst. "Als Erstes wohnte ein Junge bei mir, ihn werde ich nie vergessen", erinnert sich die Sauerlacherin. Sie erzählt von dem Tag, an dem sie die Kinder das erste Mal am Bahnhof sah. Das war der Tag, an dem sie sich dazu entschloss, sich so intensiv für Menschen in Not einzusetzen. Immer wieder hat sie seither Hilfstransporte organisiert, Geldspenden und Unterkünfte für die betroffenen Kinder und Familien, eine Hilfe, die für sie selbstverständlich ist. Über die Herausforderungen, die mit dieser Tätigkeit einhergehen, sagt sie: "Der Weg ist manchmal steinig, aber es gibt immer einen Weg." Kapitulation sei keine Option.
Inzwischen sind aus den Kindern von Tschernobyl Erwachsene geworden, mit vielen davon pflegt Margarete Brunnhuber auch noch heute engen Kontakt. Als sie darüber spricht, fangen ihre Augen noch mehr an zu leuchten. Dass sich ihr Engagement gelohnt hat, beweisen Fotos, E-Mails und SMS, die zeigen, dass ihre einstigen Schützlinge fest im Leben stehen. "Das ist für mich der Lohn meiner Arbeit", sagt sie. "Trotzdem ist nicht alles immer positiv." Das Leuchten in ihren Augen verschwindet, als sie von einem Jungen erzählt, der als Erwachsener immer wieder auf die schiefe Bahn geraten sei. 15 Jahre hat er mit Margarete Brunnhuber und ihrem Mann Werner verbracht. Inzwischen ist er laut seiner Schwester, zu der Brunnhuber immer noch Kontakt hat, dem Alkoholismus verfallen.
"Sie muss mehr auf sich achten", sagt ihr Mann
Trotz der emotionalen Bindung weiß Margarete Brunnhuber inzwischen, wie wichtig eine klare Abgrenzung ist. "Ich bin hier keine zweite Mutter, nur eine sehr gute Freundin", erklärt sie. So leicht fiel ihr diese Abgrenzung nicht immer, aber ihre Familie bietet ihr den Rückhalt, den sie braucht. "Wenn ich meine Familie nicht als Rückgrat hätte, könnte ich das Ganze nicht leisten", sagt Brunnhuber und fügt scherzend und lachend hinzu: "Viel muss mein Mann aushalten." Wenn es hart auf hart kommt, stehen ihr auch ihre beiden erwachsenen Söhne zur Seite. "Das sind meine Notnägel, wenn es mal brennt." Aus dem Zusammenhalt ihrer Familie schöpfe sie die Kraft weiterzumachen.
In einem ernsteren Moment erklärt die 68-Jährige, wie ihr Mann ihr dabei hilft, sie immer wieder auf den Boden zu holen. Nach ihrer Brustkrebsdiagnose im Jahr 2014 habe sie gemerkt, wie wichtig es sei, auch mal auf sich selbst zu achten. "Das war ein Wendepunkt für mich." Werner Brunnhuber findet aber immer noch: "Sie muss mehr auf sich achten." Denn auch wenn Margarete Brunnhuber die meisten Ehrenämter seit 2014 abgelegt hat - als die Ukraine nach dem russischen Überfall 2021 wieder Hilfe benötigte, wurde die Sauerlacherin wieder aktiv. Alle zwei Monate organisiert sie nach eigenen Worten eine Vier- bis Fünf-Tonnen-Lieferung an Medikamenten und medizinischen Hilfsmitteln.
Dass seine Frau an diesem Dienstag mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wird, macht Werner Brunnhuber stolz: "Das war eine tolle, riesengroße Überraschung."