S-Bahn-Chef Weisser im Chat:"Wir fahren heute am Limit"

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Ausfälle, Notarzteinsätze, Streit um die zweite Stammstrecke: Der Münchner S-Bahn-Chef Bernhard Weisser hat sich im Chat den Fragen der Nutzer gestellt. Die Nachlese.

LeonieSommer: Herr Weisser, viele Münchner glauben, das Geld für die zweite Stammstrecke wäre besser in andere Dinge investiert. Warum brauchen wir sie Ihrer Meinung nach unbedingt?

Verteidigt im sueddeutsche.de-Chat die zweite Stammstrecke: S-Bahn-Geschäftsleiter Bernhard Weisser. (Foto: CHRISTIAN ENDT)

Bernhard_Weisser: Wir fahren heute am Limit! Jeden Monat gibt es - überwiegend durch Notarzteinsätze - komplette Stammstreckensperrungen. Wir wollen den Münchnern nicht perspektivlos die Folgen dieser Sperrungen zumuten. Wir brauchen einen Bypass, der auch bei solchen Ereignissen den Münchnern die zuverlässige Mobilität bietet, die sie von uns erwarten und auch verdienen. Deshalb befürworten wir die 2. Stammstrecke. Die 2. Stammstrecke - und das ist vielleicht noch wichtiger - bietet München auch die Perspektive für weiteres Wachstum.

Sentilo68: Eine tägliche und ganzjährige Problematik stellen sicher die "Schülerzüge" im morgendlichen Berufsverkehr dar. Das Ein- und Aussteigen dauert länger - die Verspätung ist JEDEN Morgen da! Der Fahrplan sollte unbedingt zu diesen Zeiten geändert werden. Ich persönlich erlebe dies auf der Linie S7 am Harras. Hier könnte man durch eine vorausfahrende S27 Abhilfe schaffen, die den Zug der S7 pünktlich ersetzt. (...)

Bernhard_Weisser: Ihre Überlegung, durch mehr Züge die Lage zu entspannen ist natürlich grundsätzlich richtig. Leider scheitert ein solcher Lösungsweg an den begrenzten Gleiskapazitäten. Die S 27 kann deshalb "nur" einmal, wie von Ihnen vorgeschlagen, im Stundentakt vor der S 7 verkehren. Da sich die S 27 - Lösung so verbietet, verfolgen wir derzeit einen anderen Lösungsansatz. Wir beabsichtigen Anfang des nächsten Jahres eine spezielle Kampagne zu starten, mit der wir unsere Fahrgäste, im Besonderen auch die Schüler, für einen schnelleren Fahrgastwechsel gewinnen wollen. (...)

Pendlerglueck: Ich bin regelmäßiger Pendler. Am Montagmorgen bin ich wegen des Notarzteinsatzes 20 Minuten am Hauptbahnhof hängen geblieben. Alle zwei Minuten hat die Dame in der Kanzel den aktuellen Stand durchgegeben. Wunderbar! Aber: Warum klappt es so selten, dass auf den S-Bahnhöfen in der Region draußen vernünftige Infos durchgesagt werden, damit man erfährt, was genau los ist, welche Ausweichmöglichkeiten es gibt?

Bernhard_Weisser: Sie sprechen tatsächlich einen kritischen Punkt an! Im Außenbereich ist im Gegensatz zur Stammstrecke jeweils ein Mitarbeiter für die Ansage an mehreren Haltepunkten zuständig. Bei größeren Störungen mit einem sehr hohen Ansagebedarf, kann es in Einzelfällen vorkommen, dass an einzelnen Haltepunkten Ansagen verspätet oder ggf. auch gar nicht erfolgen. Unser System DEFAS versucht, diese Lücke durch automatisierte Ansagen zu schließen. Die Verbesserung der Situation steht mit hoher Priorität auf unserer Agenda.

victoria renier: Wieso fallen die Anzeigentafeln an den Bahnsteigen so häufig aus? Bernhard_Weisser: Im Regelbetrieb funktionieren die Anzeigetafeln sehr zuverlässig. Bei größeren Störungen ersetzen wir die Anzeigen, um Anzeigefehler zu vermeiden durch Ansagen. Grund: die hohe Anzahl von Daten wegen unserer Taktdichte auf der Stammstrecke (30 Züge/Std/Richtung).

Mooni0112: Wieso werden die Ansagen nur auf Deutsch gemacht? Auch wenn es sich um Fahrten zum Flughafen handelt?

Bernhard_Weisser: Die Ansagen im Zug erfolgen an den wichtigen Knoten zweisprachig. Am Flughafen arbeiten wir mit zweisprachigen Textbausteinen. Viele Fahrgäste der S-Bahn stören sich bereits heute an der Ansagedichte; auch aus diesem Grund beschränken wir uns auf kurze, prägnante, eindeutige Ansagen in deutscher Sprache.

Maria Hexenberg: Ich erlebe häufig, wie hilflos Flugreisende am Münchner Flughafen vor den komplizierten Ticketautomaten stehen und einfach nicht das richtige Ticket finden. Vor dem Schalter, wo Japaner, Amerikaner, aber auch einfach nur Berliner, echte Bahn-Menschen nach Rat fragen könnten, bilden sich ständig lange Schlangen. Warum setzen Sie da nicht einfach mehr Leute hin? Und warum gibt es keinen einfachen Fahrschein mit der Aufschrift München City?

Bernhard_Weisser: Am Flughafen hält die Deutsche Bahn fünf Verkaufsstellen mit Personal vor. Ferner haben wir jüngst alle 30 Fahrscheinautomaten am Flughafen ausgetauscht. Die neuen Automaten besitzen eine spezielle Menuführung, die auf Bedürfnisse der Flugreisenden zugeschnitten sind. Speziell hierfür haben wir das Airport - City - Day - Ticket eingeführt, das in jedem Falle der richtige Fahrschein in die Innenstadt ist. Darüber hinaus haben wir die Einführung dieser wesentlich bedienerfreundlichen Automaten mit Automatenguides begleitet. Zusätzlich führen wir zu speziellen Anlässen (z.B. Oktoberfest) Kampagnen mit Automatenguides durch.

chrissi_410: Die S4 hat sehr oft schon in Puchheim eine Verspätung von mehreren Minuten eingesammelt. Wie kommt das, wenn die Bahn doch gerade erst in Geltendorf gestartet ist?

Bernhard_Weisser: Verspätungen auf der S 4 entstehen leider öfters durch Anschlussverspätungen in Geltendorf aus anderen Regionalverkehren. Auf der Strecke selbst sind wir im Mischbetrieb unterwegs, d.h. wir teilen unsere Gleise z.B. mit dem Güterverkehr. Eine Lösung läge nur im mehrgleisigen Ausbau der Strecke, also in einer langfristigen Perspektive.

benjamin.martin: Ich bin Student und fahre täglich die Strecke von Germering-Unterpfaffenhofen zur Universität. Jeden Monat, wenn ich mir meine neue Monatskarte aus dem Automaten ziehe, frage ich mich, warum es in München kein Semesterticket gibt - nahezu alle anderen großen Universitätsstädte in Deutschland bieten dies. Zudem ist das Angebot für Studenten nur unwesentlich billiger als die Isarcard, die dafür jedoch im Abo erhältlich, übertragbar ist und bei der man beim Kauf Anfang des Jahres zwei Monate geschenkt bekommt. Also - ab wann werden Münchens Studenten in den Genuss eines Semestertickets kommen?

Bernhard_Weisser: In den vergangenen Monaten hat es mehrere Anläufe der beteiligten Verkehrsunternehmen, des Studentenwerks, des MVV, des Freistaats und der Landeshauptstadt München gegeben. Leider waren diese Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt. Tarifangelegenheiten fallen in die Kompetenz und Federführung des MVV.

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