Pullach:Rüstige Revolutionäre

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Seit 40 Jahren wird bei den Schwaneckern Rittersleit rumgeblödelt, gefeiert - und natürlich für einen Tag die Macht im Rathaus übernommen. (Foto: Claus Schunk)

Die Schwanecker Rittersleit haben keine Nachwuchssorgen, obwohl Frauen bei ihnen nur Nebenrollen spielen. Am Rosenmontag übernimmt der Faschingsverein für 24 Stunden die Regentschaft im Pullacher Rathaus

Von Claudia Wessel, Pullach

Herzog Sepp I. trägt für festliche Auftritte eine Kupferrüstung, ein silbrig glänzendes Wams, eine bunte Hose, eine blonde Perücke und einen Hut, der unten aus Metall besteht und oben aus einem Brotkörbchen, in welchem ein Stoffhund sitzt. Diese Kopfbedeckung hat er selbst ersonnen und hergestellt, wie alle seine Kollegen bei den Schwanecker Rittersleit auch. Der Ritter Firestoa beispielsweise hat eine Kopfbedeckung, welche aus zwei umgekehrten Tortenformen besteht, auf denen sich oben ein Mini-Riesenrad dreht. Und auf dem Kopf von Ritter Girlandl sieht man eine überdimensionale Ente mit Zylinderhut sitzen. Bei Ritter Grundlhofer ist ein Vogelkäfig der Höhepunkt.

Es kann gar nicht schräg genug sein bei den Schwanecker Rittersleit, der Pullacher Faschingsvereinigung, die in dieser Saison ihr 40-jähriges Bestehen feiert. Die tolle Truppe besteht aus 22 Männern. Nein, Frauen sind nicht zugelassen, nur als Ehefrauen und Freundinnen, die gerne bei den Faschingsbällen helfen dürfen und dies auch mit Eifer tun. Gegründet wurde der Verein 1977 zunächst als Freundeskreis von Friedrich Mandl, heute 57, alias Ritter Robart.

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(Foto: Claus Schunk)

Ritter aus Leidenschaft: Der Schwanecker Verein zählt aktuell 22 Mitglieder, davon zehn "Jungritter" zwischen 21 und 30 Jahren.

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(Foto: Claus Schunk)

Zu ihren Eigenheiten zählen die skurrilen Kopfbedeckungen, beim jährlich aufgeführten Theaterstück gibt es keine stringente Handlung, sondern zahlreiche Sprachspiele und Witze.

Zehn Jungritter sind auch mit dabei

Die Idee zu dem narrischen Treiben wurde ihm quasi in die Wiege gelegt: Sein Vater hatte in Pullach die "Burgraben" gegründet, ebenfalls eine Vereinigung von "damischen Rittern". Sie existiert heute noch weiter als "Rabenritter". Übrigens besteht die Mannschaft nicht nur aus ein paar verrückten Alten, sondern zehn der 22 Männer sind die "Jungritter" zwischen 21 und 30. Nachwuchssorgen kennt dieser Verein also anders als manch anderer nicht.

Dieser Ritter trägt einen ganzen Schwan samt Reiter auf dem Kopf. (Foto: Claus Schunk)

Die jungen Männer sind teilweise die Kinder der Gründer, teilweise deren Freunde und Bekannte. So etwa ist der Vorsitzende Stefan Danner alias Ritter Papierl sehr stolz, dass zwei seiner drei Söhne dabei sind. Alljährlich gibt es natürlich auch einen vom Herzog persönlich gestalteten Faschingsorden. Auf diesem sind im Jubiläumsjahr zwei Ritter auf einem seltsamen Gefährt zu sehen, wie sie bei geschlossener (Pullacher) Schranke auf dem S-Bahngleis fahren.

Was sind denn nun "damische Ritter"? "Irgendwas zwischen damenhaft und dämlich" sagt Mandl. Den Namen "damische Ritter" haben sich übrigens die Münchner "Damischen Ritter" sichern lassen. Letztlich aber sei dies ein Überbegriff für diese außergewöhnliche Form des Fasching Feierns. Warum diese Ritter so gerne dämlich sind, können die Mitglieder auch nicht recht beschreiben. Sie wissen nur, dass es diesen Trend bereits vor dem Zweiten Weltkrieg gab und dass es ihnen einfach Spaß macht. Wann, wenn nicht im Fasching, kann man denn mal so richtig verrückt und voll daneben sein?

Beim Ritter-Stammtisch wird rumgeblödelt

Eine politische Aussage steckt jedenfalls weder hinter den fantasievollen Hüten, noch hinter den Dialogen im alljährlichen Ritterstück. Seit 1994 wird dieses geschrieben von Ritter Federkiel alias Hans Stange, in der Festschrift zum 40-Jährigen bekennt er sich dazu, "treudoof beim Spielen" zu sein. Im Ritterstück gibt es denn auch weniger eine Handlung als Sprachspiele und Witze aller Art. Eine Art Ritter-Stammtisch, bei dem rumgeblödelt wird. Nein, man muss das nicht groß verstehen, darüber zu lachen genügt völlig. Das Stück wird jedenfalls traditionell auf den beiden Faschingsbällen der Schwanecker Rittersleit im Pfarrsaal von Heilig Geist in der Parkstraße 11 aufgeführt und sorgt garantiert für narrische Stimmung.

Ein großer Tag für die Schwanecker Rittersleit ist auch der Rosenmontag. Seit 2007 stürmen sie an diesem Tag traditionell das Pullacher Rathaus und der Herzog übernimmt für 24 Stunden die total unpolitische Regentschaft über die Gemeinde. Wer bei dieser friedlichen Revolution dabei sein will, sollte am Rosenmontag um 14.30 Uhr beim Maibaum erscheinen, von dort aus geht es gegen 15 Uhr zu Pippi Langstrumpf. Wer das jetzt wieder ist?

Im Fasching ist das diejenige, die sich von den Rittersleit gerne für einen Tag vom Gemeindethron stoßen lässt, nämlich Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund. Nach einem kleinen Schein-Widerstand gegen die Eindringlinge mit Knallfröschen und Konfetti werden jedoch alljährlich alle Revoluzzer eingelassen und auf Gemeindekosten bewirtet. Am Faschingsdienstag nachmittags tritt Herzog Sepp dann freiwillig wieder zurück. Bevor es womöglich ernst wird.

© SZ vom 25.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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