Übersetzung aus dem Altgriechischen:Beim Bart des Kaisers

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Altphilologin Marion Giebel (mit Hund Rudi) schätzt die Schriften des römischen Kaisers Julian Apostata. (Foto: Angelika Bardehle)

Die Pullacher Altphilologin Marion Giebel hat Werke des spätantiken römischen Kaisers Julian neu übersetzt. Der wollte das Christentum zurückdrängen, wurde wegen seines behaarten Gesichts verspottet und machte sich auch noch selbst darüber lustig.

Von Udo Watter, Pullach

Die Blütezeit des Hipster-Bartes mag sich dem Ende zuneigen, als modisches Holzfäller-Accessoire, das im Mainstream angekommen ist, prägt er aber immer noch häufig das Bild des urbanen Raums. Generell ist gerade die Bartmode starken Trendschwankungen unterworfen, vielleicht wird ja sogar der Achtziger-Schnauzer wieder mal en vogue.

In der vergnügungssüchtigen, antiken Metropole Antiochia war ein unrasiertes Kinn im Jahr 362 nach Christus jedenfalls nicht angesagt, was der römische Kaiser Julian bei seinem Aufenthalt zu spüren bekam. Mit seinem Philosophen-Vollbart, seiner Aura als ungewaschener Asket, seinen ungeliebten Reformen und seiner christenfeindlichen Einstellung wurde er während der Saturnalien, einer Art Karneval, zum Gespött der Stadt. Witzworte kursierten, die Bürger schrieben böse Sprüche an die Wand, und er musste sich das alles gefallen lassen.

Doch Julian, der als Literat unter den römischen Kaisern gilt, reagierte originell. Er schrieb zwei satirische Schriften: "Das Kaiserbankett", eine geistreiche Kritik an seinen Amtsvorgängern und "Der Barthasser", eine (selbst)ironische Rechtfertigung als Antwort auf den Spott der Antiochener. Die renommierte Pullacher Altphilologin Marion Giebel, die neben anderen maßgeblichen Werken zur Antike eine 2002 erschienene Biografie über Julian verfasst hat, stellte jetzt in der Charlotte-Dessecker-Bücherei im Bürgerhaus zwei Neuübersetzungen beider Schriften aus dem Altgriechischen vor.

"Der Barthasser" ist eine höchst unkaiserliche Satire

Besonders "Der Barthasser" hat es ihr angetan: "Eine höchst unkaiserliche Satire. Eines der persönlichsten Dokumente überhaupt." In der Tat ist es bemerkenswert, dass sich ein Kaiser, trotz ironischer Maskerade so offen und entlarvend zeigt. So schreibt er: "Ich liefere euch ja selbst den Anlass, indem ich einen Bart trage wie ein Ziegenbock."

Er nennt ihn ein "Dickicht, in dem die Läuse herumwimmeln". In späteren Kapiteln geht es ihm freilich auch dezidiert um moralisch-religiöse Haltungen. Julian, der wegen seines Versuchs, 25 Jahre nach dem Tode seines Onkels Konstantin das Christentum zurückzudrängen und die Hegemonie der alten Religionen wiederherzustellen, den Beinamen "Apostata", der Abtrünnige, bekam, ist einer der ungewöhnlichsten Herrscher der Spätantike.

"Kann man das überhaupt sein, Kaiser und Philosoph zugleich?", fragt Giebel - und verweist darauf, dass auch der von Julian verehrte Mark Aurel seine "Selbstbetrachtungen" erst für die Nachwelt geschrieben hat. Giebel hat ein Faible für den Mann, der als Kind einem Familien-Gemetzel entkam, als Feldherr die Rheingrenze stabilisierte, als Kaiser ambitioniert war, aber Anfang dreißig bereits tot, getroffen von einem Speer auf einem Persien-Feldzug.

"Er liebte Bücher", erklärte Giebel, und wer sie kennt, weiß, wie sehr sie so etwas schätzt. Seinen Ruf als Antichrist wies sie zurück ("Kein blutiger Christenverfolger"), ohnehin scheiterte sein Versuch, den religiösen Wandel aufzuhalten. Julian selbst pflegte einen esoterisch-neuplatonisch verquasten Religionsmix, seiner Klasse als Autor tut das keinen Abbruch. Sowohl "Kaiserbankett" als auch "Der Barthasser" haben Witz und Esprit.

Pullach
:Dicht- und Lebenskunst aus der Antike

Die Pullacher Altphilologin und Schriftstellerin Marion Giebel liest in der Bücherei aus ihrem Büchlein über Homer, Cicero und Co.

Von Udo Watter

In einer früheren Version des Artikels stand in der Überschrift, dass es sich um eine Übersetzung aus dem Lateinischen handelt.

© SZ vom 28.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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