Pullach:Gemeinderat lehnt Bürgerentscheid ab

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Das Verhältnis zwischen Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund und ihrer Stellvertreterin Cornelia Zechmeister (von links bei der Vereidigung Zechmeisters) ist zerüttet. (Foto: Claus Schunk)

Die Mehrheit der Pullacher Gemeinderäte widersetzt sich der Kommunalaufsicht im Landratsamt und hält die Eingabe gegen ein kommunales Wohnbauprojekt für unzulässig. Deren Initiatoren prüfen nun eine Anfechtung vor Gericht.

Von Michael Morosow, Pullach

Im Streit um das Bürgerbegehren gegen den Bau von 22 kommunalen Wohnungen in der Heilmannstraße bietet der Pullacher Gemeinderat der Kommunalaufsicht des Landratsamtes München die Stirn. In seiner Sitzung am Dienstag hat das Gremium mit 13 zu sieben Stimmen überraschend die Rechtmäßigkeit des von der Gruppierung "Wir in Pullach" (WIP) initiierten Bürgerbegehrens verneint und damit der rechtlichen Bewertung des Landratsamtes widersprochen, dessen Juristen keine ausreichenden Gründe für eine Ablehnung sehen.

Die unterlegenen Antragssteller können den Gemeinderatsbeschluss nunmehr vor dem Verwaltungsgericht anfechten. Eine Entscheidung darüber stehe noch aus, sagte WIP-Gemeinderätin Cornelia Zechmeister am Mittwoch zur SZ. Das gleichzeitig von der FDP-Fraktion beantragte Ratsbegehren wurde auf Vorschlag von Andreas Most (CSU) vertagt, "weil es jetzt in der Luft hängt", wie Most sagte.

Die Fronten sind verhärtet

Wie verhärtet inzwischen im Gemeinderat die Fronten in dieser Angelegenheit sind, zeigte nicht nur eine ganze Reihe von teils heftigen Vorwürfen gegen die WIP-Vertreter, denen unter anderem Panikmache und eine bewusste Irreführung der Bevölkerung vorgehalten wurde. Es zeigte sich auch im Vorwurf der WIP, Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) habe ein Gefälligkeitsgutachten bei der Münchner Kanzlei Döring-Spieß in Auftrag gegeben.

Auf der anderen Seite sprach Andreas Most von einer "merkwürdigen Stellungnahme" der Münchner Kanzlei Dentons Europe LLP, die im Auftrag der Antragsteller die rechtliche Situation bewertete, und deutete mögliche private Verflechtungen an. Auf der Webseite der Kanzlei habe er eine Namensgleichheit mit einer Antragsstellerin bemerkt, sagte Most. Tatsache ist, dass Alexander von Bergwelt der Office Managing Partner des Münchner Büros ist und die zweite Vorsitzende der WIP Beate von Bergwelt heißt. Diese war für eine Stellungnahme bis Mittwochabend nicht zu erreichen.

Im Gegensatz zur Expertise der Kanzlei Dentons und der Kommunalaufsicht kommt der von der Gemeinde beauftragte Jurist Gerhard Spieß zu dem Ergebnis, dass das Bürgerbegehren vor allem deshalb nicht zulässig sei, weil die zur Abstimmung stehende Frage unkonkret und der Begründungstext lückenhaft sei sowie durch das Weglassen wichtiger Informationen die Unterzeichner des Bürgerbegehrens möglicherweise in die Irre geführt worden seien.

Die Fragestellung ist laut Gutachter der Gemeinde zu unkonkret

Die von der Wählergemeinschaft formulierte Fragestellung lautet: "Wollen Sie, dass das Grundstück Heilmannstraße 53/55 als Vorratsfläche erhalten bleibt und in naher Zukunft nicht bebaut wird". Die Begriffe "Vorratsfläche" und "in naher Zukunft" seien zu unkonkret, um daraus einen Handlungsauftrag an die Gemeinde erkennen zu können, stellte Spieß fest.

Dass das von der Gemeinde 2016 gekaufte Grundstück, auf dem sie 22 bezahlbare Wohnungen errichten will, nicht Vorratsfläche für die Gemeinde sein könne, merkte unter anderen Arnulf Mallach (SPD) an. In der Hauptsache stießen sich die Gegner der Bürgerinitiative an mehreren von der WIP öffentlich aufgestellten Behauptungen, über die sich vor allem Andreas Most ausließ.

In einer Pressemitteilung vom 26. September hatte die WIP geschrieben, dass die Rücklagen der Gemeinde binnen dreier Jahren von 62 auf acht Millionen Euro gesunken seien, die Gewerbesteuerprognose nach der Fusion von Linde mit Praxair unsicher sei und man deshalb befürchte, dass zugunsten des beabsichtigten Wohnungsbaus die Baumaßnahmen Schulen, Schwimmbad und Bürgerhaus verschoben werden müssten.

Die Bürgermeisterin wehrt sich gegen den Eindruck, dass andere Projekte gefährdet sind

Nachdem schon während der Sitzung in mehreren Wortmeldungen die von der WIP genannten Zahlen und Daten korrigiert worden waren, legte Bürgermeisterin Tausendfreund tags darauf in einem auf die Homepage der Gemeinde gestellten Brief an die Bürgerinnen und Bürger nach: "Keine Sorge, unsere anderen Projekte wie die Schulen, das Schwimmbad und die Bürgerhaussanierung stehen nicht in Konkurrenz, die Finanzlage der Gemeinde ist durchaus solide und verkraftet eine ganze Reihe der anstehenden Infrastrukturprojekte."

Was für die Mehrheit des Gemeinderats von wesentlicher Bedeutung für ihre Entscheidung gegen das Bürgerbegehren ist, sind die Vorleistungen in Höhe von circa einer Million Euro, die die Gemeinde bereits geleistet hat für den beabsichtigten Wohnungsbau, sowie ein staatlicher Zuschuss in Höhe von 3,5 Millionen Euro, der möglicherweise nicht mehr abgegriffen werden könne, wenn sich das Bauvorhaben in die Länge ziehe.

Diese "wesentlichen Informationen" darüber, wie weit das Projekt bereits fortgeschritten sei, fehlten in der Begründung des Antrags auf ein Bürgerbegehren, monierten Gemeindeanwalt Spieß sowie auch Bürgermeisterin Tausendfreund, die dennoch neben Martin Eibeler, Alexander Betz (beide FDP) und den vier WIP-Räten für die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens stimmte.

© SZ vom 19.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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