Politischer Aschermittwoch:"Klinkergate" und anderer Tobak

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Als früher Fastenprediger liest Bruder Jobst alias Christian Jobst beim Politischen Aschermittwoch politischen Gegnern wie Freunden die Leviten. (Foto: Claus Schunk)

Bei der Haarer SPD teilt Christian Jobst als Bruder Jobst gegen Schwarze und Rote aus

Von Cristina Marina, Haar

Dass die SPD noch Säle füllen könne, und das ganz ohne Zwietracht und Skandale, sei schön, findet Alexander Zill, als er die etwa 90 Gäste begrüßt, die zum politischen Aschermittwoch des SPD-Ortsvereins in den kleinen Saal des Gasthofs Zur Post gekommen sind. Der Vorsitzende der SPD-Gemeinderatsfraktion sollte am Ende des Abends jedoch nur halb recht behalten: Aschermittwochsredner Christian Jobst teilte als Bruder Jobst kräftig aus gegen Feind - und Freund. Etliche verbale Attacken des als Mönch verkleideten Genossen richteten sich mit viel Selbstironie gegen die eigenen Leute.

Der ehemalige Gemeinderat und Ortsvorsitzende sprach unter anderem den aktuellen Streit zwischen den beiden Nachbargemeinden Haar und Grasbrunn um ein Gewerbegebiet an, das die Grasbrunner an einem historisch bedeutsamen Ort bauen wollen. Fraktionschef Zill habe wohl "den Wadlbeißer ausgepackt", als er den Grasbrunner Bürgermeister deswegen gleich eines Verbrechens bezichtigte. Bauen sei am besagten Ort offiziell erlaubt. Nun müssten die Haarer "acht geben, dass die Grasbrunner nicht neben der Autobahn eine Kirche bauen", sonst würde eine ausgewachsene Sinnkrise "mit dem Argument des Ensembleschutzes für die Raststätte Vaterstetten, die A 99 und die Autobahnkirche" drohen.

Generell, befand der Fastenprediger, würden in Haar "architektonische Grundsatzfragen" besprochen, die anderen Gemeinden nicht einmal einfielen. Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) habe es deswegen nicht leicht. "Jetzt bauen Sie extra schon am Friedhof, weil Sie sich denken, dass diejenigen, die da liegen, wenigstens keine Unterschriften mehr sammeln können." Eine Anspielung auf den Protest von 500 Bürgern gegen die geplante Erweiterung der Grundschule am Jagdfeld. "Aber deshalb gleich vom Untergang der Demokratie zu sprechen, Frau Müller, ist schon starker Tobak."

Eine weitere Spitze zielte auf die Kontroverse im Gemeinderat über den Neubau des Wärterhäuschens am Waldfriedhof. Im Bauausschuss hatte sich die Diskussion an der Gestaltung der Fassade entfacht. Genauer: ob diese aus günstigerem weißen Putz oder Klinkermauerwerk bestehen soll. Im Sinne des zitierten Ensembleschutzes wäre Letzteres beizubehalten gewesen. Drei SPD-Mitglieder sprachen sich für die Erhaltung aus, der Rest des Ausschusses dagegen. "Da stimmt die Zweite Bürgermeisterin gegen die Erste", tat Jobst empört. Das sei nichts weniger als "Klinkergate" - eine Rathausaffäre.

Doch auch der politische Gegner bekam sein Fett ab. In seiner Mönchskutte sezierte Jobst die Ablehnung des Haushalts für das laufende Jahr durch die CSU. Diese habe ihr Nein damit begründet, der Haushalt sei "konsumptiv". Jobst las eine Definition vor: Das Wort meine "all diejenigen Ausgaben, die im Laufe des Haushaltsjahres einen Nutzen stiften". Dann könne man natürlich verstehen, warum die CSU den Etat abgelehnt habe.

Auch das Parteiblatt der Haarer CSU kam zur Sprache. Dieses lesen zu müssen, sei Selbstgeißelung, sagte Jobst und fragte rhetorisch, woher "diese Aggression" komme, die einen "aus fast allen Artikeln" förmlich anspringe. Den Schwarzen riet er wiederholt: "Bleibt bei der Wahrheit!" Und seinen Roten: "Achtet auf die Sprache, vertragt euch, kämpft gemeinsam gegen Alternativen, die keine sind, und bleibt immer schön sachlich und überwiegend freundlich."

Hinterher befand Fraktionschef Zill, "netto betrachtet" seien die Genossen an diesem Abend insgesamt gut weggekommen. Bürgermeisterin Gabriele Müller fasste ebenfalls zufrieden zusammen: "Bruder Jobst schont niemanden, aber das ist auch gut so."

© SZ vom 16.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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