Ottobrunn:Verständigungsbrücken bauen

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Hannah Jüngst ist eine der Projektleiterinnen der Caritas für die Ausbildung von Kultur-Dolmetschern im Landkreis München. Vorgesehen sind drei Trainingsabende für die Bewerber. (Foto: privat)

Die Caritas bildet jetzt auch im Landkreis Kultur-Dolmetscher aus. Gesucht werden zweisprachige Personen

Interview von Daniela Bode, Ottobrunn

Man ist aus der Heimat nach Deutschland geflüchtet, spricht die Sprache nicht, muss sich aber zurechtfinden. Was würde da besser helfen als eine Person, die Deutsch und die eigene Sprache spricht, die sich mit den Gepflogenheiten in Deutschland auskennt und einen begleiten kann. Genau so ein Angebot etabliert die Caritas im Landkreis München in Kooperation mit der Volkshochschule Südost. Sie will Menschen als so genannte Kultur-Dolmetscher qualifizieren. Hannah Jüngst und Petra Römer von der Caritas fungieren als Projektleiterinnen. Das Angebot wird am Montag, 9. Oktober von 18 bis 20 Uhr im Wolf-Ferrari-Haus in Ottobrunn vorgestellt. Die SZ sprach mit Hannah Jüngst über das neue Angebot.

SZ: In München gibt einen Kurs für Kultur-Dolmetscher bereits. Warum wollen Sie so etwas nun auch im Landkreis München schaffen?

Hannah Jüngst: Wir als Caritas sind von der "Aktion Mensch" beauftragt, Integration auch im Landkreis zu fördern. Wir recherchieren quasi mit der "Integrationsbrille", wo es im Landkreis noch Lücken gibt. Wir sind hellhörig geworden, dass es gerade im sprachlichen und kulturellen Bereich immer wieder zu Missverständnissen und Schwierigkeiten kommt und es da noch kein deckendes Angebot gibt. Das wollen wir mit einem Netzwerk aus ehrenamtlichen Kultur-Dolmetschern schließen.

Wer kann Kultur-Dolmetscher werden?

Jeder Zweisprachige, der Lust hat, sich ehrenamtlich zu engagieren und der sich etwa zwei Stunden Zeit nehmen kann in der Woche. Man muss außerdem ausreichend Deutsch sprechen können. Wir gehen von Menschen aus, die einen Migrationshintergrund haben, die also selbst aus einer anderen Kultur kommen.

Am besten also sind es Menschen, die sich selbst hier neu zurechtfinden mussten?

Ja, wir gehen davon aus, dass die, die selbst so eine Erfahrung gemacht haben, andere in einem Gespräch gut unterstützen können.

Welche Aufgaben hat man als Kultur-Dolmetscher?

Die Kultur-Dolmetscher werden von Facheinrichtungen aus dem Sozial-, Gesundheits- oder Bildungsbereich gebucht. Bei einem Gespräch assistieren sie den Fachkräften sprachlich und kulturell. Sie sind quasi die Vermittler zwischen der Fachstelle und dem Hilfesuchenden. Die Aufgaben gehen aber über normales Dolmetschen hinaus, es geht darum, auch kulturelle Hintergründe zu erklären.

Was ist so ein typischer Konflikt, bei dem dann assistiert werden kann?

Oft tauchen solche in der Schule auf. Wenn sich ein Junge mit einem türkischen Hintergrund nur sehr wenig an Diskussionen beteiligt, könnte ein Elterngespräch einberufen werden, das ein Kultur-Dolmetscher begleitet. Er könnte aufdecken, dass es in der türkischen Kultur gang und gäbe ist, dem Lehrer nicht zu widersprechen. Bei der Wahl des Kultur-Dolmetschers muss nicht nur auf die Sprache, sondern unter Umständen auch auf die Region geachtet werden, aus der er kommt.

Wie läuft so ein Qualifizierungs-Kurs ab?

Am 9. Oktober findet eine Info-Veranstaltung für alle Interessierten statt. Es wird erklärt, was ein Kultur-Dolmetscher ist. Man kann sich dann zu einem Vorgespräch und schließlich für den Kurs zur Qualifizierung anmelden. Auftaktveranstaltung ist am 8. November. Bis 20. Dezember findet dann jeden Mittwoch ein Themenabend in der Volkshochschule in Ottobrunn statt. Die Teilnehmer werden von einer interkulturellen Trainerin begleitet, es geht um Fragen wie: Was ist interkulturelle Kommunikation? Wo können Konflikte entstehen? Im Training lernen sie Sprache und Kultur erfolgreich zu übersetzen, neutral zu bleiben und Verständigungsbrücken zu bauen. Außerdem lernt man verschiedene Institutionen kennen, auch aus dem Hospizbereich und Krankenkassen. Anhand von Rollenspielen testet man die Praxis. Am 10. Januar erhalten die Teilnehmer dann ein Zertifikat.

Kann denn ein Flüchtling direkt Kontakt zu einem Kultur-Dolmetscher aufnehmen oder geht das nur über eine Organisation?

Das muss über einen Fachdienst laufen, beispielsweise die Asylsozialberatung. Sie kann einen Kultur-Dolmetscher kontaktieren. Idee ist ja, dass die Einsätze strukturiert ablaufen und nicht manche Ehrenamtliche ständig eingesetzt werden.

Die Caritas wird das Netzwerk aus Kultur-Dolmetschern verwalten. Haben Sie schon Anfragen bekommen?

Ja, sowohl von Freiwilligen als auch von möglichen Kooperationspartnern.

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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