Ottobrunn:"Nicht aussagekräftig"

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Klaus-Detlev Jost ist seit mehr als 30 Jahren als Hausarzt in Ottobrunn tätig. Seit Ende März arbeitet er in der Gemeinde in der Station mit, in der Abstriche für Tests auf das Virus Sars-CoV-2 genommen werden. (Foto: Privat)

Hausarzt Klaus-Detlev Jost warnt vor Corona-Antikörpertests

Interview von Claudia Wessel, Ottobrunn

Corona-Antikörpertests sind im Gespräch. In Tübingen wurden jüngst 7000 Freiwillige getestet, 8,8 Prozent hatten demnach bereits Antikörper gegen das Virus, das Covid-19 auslöst. Die SZ sprach mit Klaus-Detlev Jost, seit mehr als 30 Jahren Hausarzt in Ottobrunn und seit Ende März in der Abstrichstation für Coronatests tätig, über den Sinn und die Aussagekraft solcher Tests.

SZ: Sind auf Sie schon Patienten zugekommen, die auch einen solchen Test machen möchten?

Klaus-Detlev Jost: Ja. Eine Motivation dafür ist sicherlich die Hoffnung darauf, dass sie die Erkrankung schon durchgemacht haben und der Wunsch, dass sie dann nicht mehr daran erkranken und niemanden mehr anstecken können. Das ist aber nicht sicher, für Einzelpersonen ist der Test nicht aussagekräftig, da er noch nicht hundertprozentig sicher ist.

Dennoch sind viele Menschen neugierig, vor allem, wenn sie sich krank gefühlt haben oder in einem Risikogebiet gewesen sind. Was halten Sie für die beste Möglichkeit, einen Antikörpertest zu machen?

Wenn man einen Test machen möchte, sollte man zum Hausarzt gehen, der über Sinn und Unsinn des Test informieren kann. Die angebotenen Tests sind qualitativ sehr unterschiedlich, im Internet sollte man keinen, vor allem keinen überteuerten, bestellen. Auch die Blutabnahme sollte professionell in einer Praxis gemacht werden. Was die Ergebnisse betrifft, ist es so: Ein negatives Testergebnis ist sicher, es bedeutet, dass der Getestete noch keine Erkrankung mit Covid-19 durchgemacht hat. Beim positiven Ergebnis aber muss man sehr skeptisch sein. Denn da insgesamt in Deutschland wahrscheinlich nur zwei Prozent aller Menschen an Covid-19 erkrankt waren oder sind, ist fast die Hälfte der positiven Antikörperergebnisse falsch. Das liegt unter anderem daran, dass der Test möglicherweise auf andere Coronaviren reagiert.

Deshalb warnen Sie Patienten davor, sich angesichts eines positiven Ergebnisses als immun und sicher zu betrachten. Andererseits brauchen größere Untersuchungen und Studien so viele unterschiedliche Menschen wie möglich, die sich untersuchen lassen, um die "Durchseuchung" der Bevölkerung festzustellen. Deshalb wäre ein Antikörpertest immerhin dafür sinnvoll oder?

Ja, für Studien auf jeden Fall immer. Aber auch für die Menschen, deren Ergebnis negativ ist, die vielleicht dachten, sie hätten die Erkrankung durchgemacht. Dann wissen sie, dass sie ungeschützt sind und sich immer noch vorsehen und die Hygieneregeln unbedingt einhalten müssen.

Würden Sie eine große Antikörpertest-Reihe in Ottobrunn oder im gesamten Landkreis befürworten? Das wäre doch sicher eine aussagekräftige Kohorte.

Eine große Studie muss von Wissenschaftlern und Statistikern geplant und durchgeführt werden. Irgendwelche Bewohner zu Tests aufzufordern, die sie dann auch noch selbst zahlen sollen, halte ich für nicht zielführend. Ob hier wirtschaftliche Interessen einer Firma eine Rolle spielen, vermag ich nicht zu beurteilen.

Nicht nur die Antikörpertests können fehlerhaft sein, sondern auch die Rachenabstrich- Tests auf das Virus selbst.

Leider liefern auch die Ergebnisse der Abstriche nur ein Bild eines momentanen Zustands. Zu früh oder zu spät durchgeführt, werden sich auch bei durchgemachtem Infekt nicht ausreichend Viren nachweisen lassen. Auch technische Probleme - so wurden an manchen Orten Selbstabstriche der Patienten durchgeführt - führen zu negativen Ergebnisse bei Erkrankten.

© SZ vom 04.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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