Kreis und quer:Ratlos in Ottobrunn

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Warum Bürgermeister Loderer seine Gemeinderäte ständig ablädt statt einlädt.

Kolumne von Martin Mühlfenzl, Ottobrunn

Es kann immer etwas Unerwartetes passieren: der Verkehr zusammenbrechen, eine Naturkatastrophe das Land verwüsten oder eine Pandemie die Menschen dahin raffen. Doch selbst Letzteres hat die größte Volksvertretung der Welt nicht gehindert, zusammenzukommen. Statt wie gewohnt im März traf sich der Nationale Volkskongress der Volksrepublik China lediglich erst im Mai 2020. Ob die 3000 Mitglieder zuvor eine Abladung erhalten haben, ist nicht überliefert - vielleicht gibt es diesen Ausdruck im Hochchinesischen schlichtweg nicht.

In Ottobrunn kennen ihn zumindest die 30 Mitglieder des Gemeinderats dagegen bestens, schließlich flattert ihnen der Begriff regelmäßig ins schriftlicher Form ins Haus. Nur was genau verbirgt sich dahinter? Will der Absender bei den Empfängern seine Sünden abladen? Oder die große Last auf seinen Schultern oder einfach nur Bauschutt und Gartenabfälle? Nein, das trifft alles nicht zu. Die Abladung ist nichts anderes als das Gegenteil der deutlich herzlicheren Einladung.

Das wichtigste legislative Organ des chinesischen Volkskongresses ist der sogenannte Ständige Ausschuss, seine 161 Mitglieder tagen sechs Mal im Jahr und damit deutlich öfter als das gesamte Riesenparlament. Manch Ottobrunner Gemeinderat müsste schon in seinem Terminkalender nachschauen, ob er überhaupt auf sechs Ausschusssitzungen im Jahr kommt. Für diesen Monat vermeldet das Ratsinformationssystem auf der Gemeinde-Homepage jedenfalls für die Sitzungen des Planungs- und Umweltausschusses am 12. September, für den Bauausschuss am 18. September und für den Haupt-, Kultur- und Werkausschuss am 19. September "entfällt". Die Folge: Abladung.

Der Mann, der diese verschicken lässt, ist Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) und mit diesem im ganzen Landkreis München einmaligen Brauch treibt er nicht wenige im Gemeinderat in die Verzweiflung. Ein Mitglied entgegnete unlängst auf die Frage, ob das Gremium die Arbeit denn komplett eingestellt habe: "Wir als Gemeinderat nicht!" Nur werden die Gemeinderäte vom Bürgermeister halt nicht zu Sitzungen eingeladen - und das in schöner Regelmäßigkeit. Ob Kalkül dahinter steckt? Arbeitsverweigerung? Oder gibt es in Ottobrunn einfach nichts zu besprechen? Man wüsste es zu gerne. Vielleicht kann der 27. September Aufschluss bringen. Dann tritt der Ottobrunner Volkskongress in der kleinen Halle des Volkes im Wolf-Ferrari-Haus zur Gemeinderatssitzung zusammen. Außer es kommt vorher noch eine Abladung.

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