Oberschleißheim:Tierische Patienten

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Zwei Bewohner der Tierklinik. (Foto: Florian Peljak)

Die Klinik für Vögel, Reptilien, Amphibien und Zierfische in Oberschleißheim feiert ihr 50-jähriges Bestehen. Mit ihrem Angebotsspektrum gehört die Einrichtung zu den größten ihrer Art in Europa. Besucher können an diesem Samstag einen Blick hinter die Kulissen werfen

Von Klaus Bachhuber, Oberschleißheim

Als D. Tettenborn im Jahr 1965 über die Fermentaktivitätsbestimmungen bei Hühnerembryonen publizierte, war dies wohl die erste wissenschaftliche Wortmeldung aus Oberschleißheim. Das bayerische Kultusministerium hatte im April 1965 Professorin Irmgard Glystorff von Hannover an die Tierärztliche Fakultät der Universität München berufen, um dort einen Lehrstuhl für Geflügelkrankheiten aufzubauen.

Dazu mietete man eine mehr als 30 Jahre alte Geflügelfarm an der Mittenheimer Straße in Oberschleißheim an. Drei wissenschaftliche Generationen später feierte das 1966 offiziell installierte Institut nun am Freitag als Klinik für Vögel, Reptilien, Amphibien und Zierfische sein 50. Jubiläum; an diesem Samstag schließt sich von 10 bis 15 Uhr ein Tag der offenen Tür an.

Doktorin Uscha Halla zeigt einen Blauzungenskink. (Foto: Florian Peljak)

"Ein eigenes Univiertel."

Es war ziemlicher Zufall, dass Professorin Glystorff mit ihrer Pioniertat in Oberschleißheim landete, und es sollte vor allem auch nur provisorisch sein. Doch das Institut, das über mehrere Veränderungen seiner wissenschaftlichen Termini in den 50 Jahren stets prägnant "die Vogelklinik" blieb, wurde Wegbereiter des mittlerweile eingeleiteten Komplettumzugs der gesamten Tiermedizinischen Fakultät von München nach Oberschleißheim. Und mit dem innerörtlichen Umzug 1992 - nach 27 Jahren Provisorium - auf den Veterinäranger war die Klinik auch Pionier auf dem neuen Campus.

Das Jubiläum wurde im Schatten von Baukränen begangen; gerade entsteht als erste Zentraleinrichtung der künftigen Fakultät ein Hörsaal. Jedes weitere Jubiläum der Vogelklinik muss nun nicht mehr im Treppenhaus gefeiert werden. Es werde "ein eigenes Univiertel", freute sich Bürgermeister Christian Kuchlbauer (Freie Wähler) beim Festakt. Oberschleißheim sei "schon stolz, ein Unidorf zu werden", versicherte er und versprach den Medizinern, "alles zu tun, um ein angenehmes Klima zu schaffen".

Dekan Joachim Braun deutete als weiteren Fahrplan mit maximal vorsichtiger Wortwahl an, dass "vielleicht zum 70. Jubiläum deutlich mehr von der Fakultät da sein könnte". Mit der Zufallsentscheidung von 1965 habe man "vielleicht die richtigen Weichen gestellt damals", sagte er. Mit der emeritierten Professorin Helga Gerlach, die 1965 im Stab von Irmgard Glystorff an die Mittenheimer Straße zog, Professor Josef Kösters, der von 1981 bis 1999 Institutsleiter in Oberschleißheim war und seither in Chile lebt, und seinem Nachfolger Professor Rüdiger Korbel, der seit 2001 das Haus führt, waren alle drei Generationen bei der Feier vertreten.

Massiv verändert hat sich in den 50 Jahren das Aufgabenspektrum. Begründet als Institut für Krankheiten des Haus- und Wildgeflügels, hat sich der Schwerpunkt innerhalb der komplett abgedeckten biologischen Klasse "Aves", die etwa 8700 Arten und mehr als 27 000 Unterarten umfasst, immer mehr auf Ziervögel verlagert - und in diesem Trend generell zu den "minor species" in der Fachsprache. 2013 wurde eine Klinikambulanz für Reptilien, Amphibien und Zierfische angebaut. Und punktgenau zum Jubiläum ist als nächste Untereinheit eine Klinik für kleine Heimtiere vom Hamster bis zur Ratte im Aufbau.

Geflügelkrankheiten ist für angehende Tierärzte ein Pflichtfach

Vogelklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München, 50-jähriges Bestehen. Oberschleißheim, Sonnenstraße 18 Hahn, genauer: Marans-Mix (Foto: Florian Peljak)

Behandelt werden jährlich 5000 Vögel sowie etwa 1500 Reptilien und Zierfisch-Patienten. Mit den Heimtieren werden weitere 1500 Besucher per anno erwartet. Außer der Diagnostik der tierischen Patienten mit Röntgen, Ultraschall oder Computertomografie und ihrer medikamentösen und operativen Behandlung gehören zum Spektrum des Instituts auch labordiagnostische Untersuchungen in Virologie, Bakteriologie oder Parasitologie, dazu die wissenschaftliche Forschung.

280 Studenten lernen je Semester an der Vogelklinik, seitdem 1967 das Fachgebiet Geflügelkrankheiten in der Approbationsordnung für Tierärzte zum Pflichtfach erhoben wurde. Mit ihrem Angebotsspektrum gehört die Oberschleißheimer Einrichtung zu den größten ihrer Art in Europa. Durch die Arbeit von Korbel, der sich in Oberschleißheim habilitiert hatte, ehe er unter anderem in Minnesota und Wien seinen Schwerpunkt Augenheilkunde bei Vögeln lehrte, ist die Vogelklinik in dieser Disziplin weltweit führend.

Noch immer aber sind im Sprachgebrauch des fast familiären Instituts neben den wissenschaftlichen Fachbegriffen die Interna aus den Jahren im Holzschuppen an der Mittenheimer Straße verankert - vom "Faulturm", wo einmal Hühnerköpfe gelagert waren, über den "Explosionsschuppen", einer nach 23 Institutsjahren aufgebauten Wellblechhütte zur Separierung leicht entzündlicher Stoffe, bis zum Kachelofen, hinter dem ein Ölbrenner verborgen war, der das Institut heizen sollte, was aber angesichts fehlender Isolierung der Holzhütte wirkungslos blieb.

Beim Tag der offenen Tür von 10 bis 15 Uhr an der Sonnenstraße 18 (Zufahrt über die Veterinärstraße) gibt es Führungen durch die Klinik, ein Kinderprogramm sowie eine Poster-Ausstellung und von 14 Uhr an eine Greifvogelvorführung.

© SZ vom 04.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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