Oberschleißheim:Mustersiedlung mit neuem Anstrich

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Die Wohnblöcke am Stutenanger galten einst als Symbol für die Moderne - dann ging es bergab. Jetzt werden die Häuser aufwendig saniert.

Von Klaus Bachhuber, Oberschleißheim

Eine Wohnanlage in strahlendem Weiß, weit ausgreifende helle Zugänge führen einladend in die lichtdurchfluteten Flure. Der Hochglanzprospekt zeigt kein futuristisches Neubauprojekt in Oberschleißheim - er illustriert den baldigen Zustand jener Blöcke, die vor rund fünf Jahren wesentlich dafür verantwortlich waren, dass die Siedlung in einem städtebaulichen Gutachten als "verwahrlost" bezeichnet werden musste und Mieter hier mehr strandeten als ankamen.

Die drei neunstöckigen Wohnblöcke am Stutenanger dominieren die Oberschleißheimer Parksiedlung nicht nur durch ihre schiere Größe - sie symbolisieren auch Modernität und Niedergang der einstigen Mustersiedlung, die in den 1960ern so schick war, dass die Postkartenverlage die Stutenangerblöcke neben das Schloss auf die colorierten Ansichtskarten von Schleißheim druckten. Und die dann so herunterkam, dass 2010 die Bezirksregierung von Oberbayern Städtebaufördermittel völlig ungewöhnlich mitten in den Wohlstandsgürtel der Münchner Peripherie steckte, um diesen sozialen Brennpunkt wieder aufzupäppeln.

Die damaligen Besitzer ließen die Anlage herunterkommen

Den Schick und die Idee hinter dem Projekt nimmt Martina Persohn heute noch wahr. Die Projektleiterin der Generalsanierung spricht ausschließlich wohlwollend über die Anlage, in die ihre eigens für die Abwicklung gegründete Firma "JP Oberschleißheim GmbH" einen zweistelligen Millionenbetrag pumpen muss, um sie nur ansatzweise wieder nutzbar zu machen. Aber an der Struktur gibt es keinerlei Eingriffe, "die Grundrisse sind sehr nett gemacht", schildert sie, sowohl die Ein- wie Zweizimmerwohnungen sehr ansprechend gestaltet, über die drei Blöcke herrsche "eine recht gute Mischung".

Der Elan der modernen 1960er und 70er war eben schnell verpufft, das Wohnen in Blöcken mit 170 Einheiten komplett aus der Mode, und die neuen Besitzer, eine staatliche Versorgungsanstalt, ließen die Anlage, man kann das nicht freundlicher sagen, herunterkommen.

2014 kauften "Jargonnant Partners GmbH & Co. KG", ein international tätiger Immobilienfonds, die Anlage, unterzeichnete mit Gemeinde und Mieterbund eine Sozialcharta zum Schutz der Mieter, darunter viele Senioren. 310 der 440 Wohnungen sind nach Angaben des Besitzers derzeit noch bewohnt. Nach fast einjähriger Sanierungsplanung haben im Frühjahr am mittleren Haus mit der Nummer 8 die Arbeiten begonnen. Der komplette Block wurde eingerüstet und dann die Fassade abgebrochen. Ein Höllenlärm. Eine ältere Mieterin, die das gar nicht aushielt, wurde von "JP" in ein Hotel eingemietet.

Die Anlage wird großflächig saniert

Jetzt wird ein neues Wärmeverbundsystem aufgebracht, das modernen Standards gerecht wird. Parallel dazu werden sämtliche Versorgungsleitungen im Haus runderneuert, Wasser und Abwasser, Elektrik. Alle Wohnungen der Häuser 8 und 10 erhalten dabei neue Bäder. Während in den Küchen mit den Aufbruch und anschließender Reparatur der Leitungsschächte alles getan ist, entschied man sich in den Bädern für die ganz große Lösung.

Vorgegangen wird dabei entlang der Leitungsstränge, alle neun Wohnungen übereinander, die an den selben Leitungen hängen, werden gemeinsam saniert. Die Mieter ziehen für die etwa vier Wochen der Strangsanierung in bereits erneuerte Wohnungen, die vom Vermieter möbliert werden. "JP" garantiert auch für die Sicherheit der verlassenen Wohnungen während der Bauphase. Bei 130 Wohnungen Leerstand lässt sich das organisieren, die Mieter würden dieses Arrangement "sehr gut mitmachen", freut sich Persohn, "da wird mehr das neue Badezimmer gesehen als der Stress".

Derzeit ist Haus 10 in Arbeit, immer zwei Stränge werden parallel bearbeitet, 19 dieser Arbeitsgänge bietet ein Block. Drei Monate zeitversetzt nach Haus 8 wurde die identische Prozedur im identischen Haus 10 gestartet. Auch hier hat der Fassadenabbruch wieder Lärmbelastung für das gesamte Viertel gebracht. Bei den Innenarbeiten sind jeweils die ersten drei Tage beim Beginn eines neuen Stranges lärmintensiv, wenn die alten Leitungen herausgebrochen werden.

In Zukunft werden die Häuser weiß strahlen

Bereits modernisiert sind die Tiefgaragen, die nun wieder neuesten Brandschutzanforderungen genügen. Die Flure werden neu gestaltet und erhalten neue Böden und bessere Beleuchtung. Die Eingangsbereiche werden mit neuen, weit ausgreifenden Vordächern als Visitenkarte des Hauses gestaltet. Die Zugänge erhalten längere Rampen, die zwar das amtliche Etikett "behindertengerecht" nicht erreichen, aber deutlich komfortabler sein sollen als die kurzen Rampen bisher.

Gestrichen werden die Häuser innen und außen weiß, die frühere Rasterung durch Holzelemente wird künftig durch Putzstrukturen nachgebildet. Alle Wohnungseingangstüren werden erneuert und als Erkennungshilfe mit bunten Streifen geschmückt. Als besonderes Zuckerl sollen alle drei Blöcke zusammen 15 Dachgeschosswohnungen mit dem anerkannt besten Blick über Oberschleißheim erhalten. Diese Aufsätze waren einst bereits geplant und auch im Rohbauzustand erstellt worden, dann aber wegen eines Genehmigungsstreits nie vollendet worden. Jetzt wurden sie zumindest vom Rathaus genehmigt, das Verfahren liegt derzeit im Landratsamt.

Haus 8 soll zuerst fertig sein, Haus 10 etwa drei Monate später. Haus 6 ist erst für 2016 vorgesehen. Da es sich stark von den Nachbarhäusern unterscheidet, will "JP" hier mit einem anderen Konzept arbeiten. Die Wohnungsgrundrisse seien hier anders, die notwendigen Veränderungen für die energetische Sanierung deutlich schwieriger.

Entmietungen gehörten nicht zum Geschäftsmodell, versichert der Betreiber

Und wenn alles abgeschlossen ist? Martina Persohn verweist auf die Sozialcharta und wiederholt das Mantra von "Jargonnant Partners" seit dem Kauf, Entmietungen gehörten "nicht zum Geschäftsmodell". Selbst im Haus sei allerdings noch nicht entschieden, versichert Persohn, ob die Blöcke nach der Sanierung noch gehalten würden, im Ganzen weiter verkauft oder in Eigentumswohnungen zerlegt und verkauft würden. Auch ohne "Heuschreckenmethoden" werde das Oberschleißheimer Projekt den nötigen Ertrag abwerfen, hat "JP" kalkuliert. Den Sanierungsaufwand will man nicht beziffern, bei Diskussionen vor dem Verkauf war seinerzeit mit 30 Millionen Euro spekuliert worden.

Die Zukunftsperspektive im Haus sei jedenfalls freundlich, schildert Persohn. Man bemühe sich, den "unglaublich vielen Gerüchten" über die Zukunft des Objekts in stetigem persönlichen Kontakt zu begegnen, etwa durch Besuche der Teestunde im Quartiersladen "Wir", ein Baubüro ist im Haus 6 eingerichtet und bei der Vorbereitung der Baumaßnahme wurde ohnehin jede Wohnung besucht und Fragen geklärt. "Es hat sich wesentlich verbessert jetzt", versichert sie, nachdem der Verkauf seinerzeit von massiven Ängsten und einer regelrechten Flucht aus den Blöcken begleitet war.

© SZ vom 04.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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