Der alte Oberschleißheimer Bahnhof steht zum Verkauf. Nach mehr als zehn Jahren stetigen Strategiewechsels seitens der Bahn wurde das Immobilienangebot nun aus heiterem Himmel mit sieben Tagen Bieterfrist veröffentlicht. Die Gemeinde Oberschleißheim hat ein Gebot abgegeben, eine Bevorzugung wurde ihr nicht eingeräumt. Der Verein "Verrückter alter Bahnhof Oberschleißheim" (Vabosh), der seit Jahren um Erhalt und öffentliche Nutzung der traditionsreichen Immobilie kämpft, musste wegen der Kürze der Zeit passen, sieht sich aber vom Rathaus repräsentiert.
"Unverschämtheit und bodenlose Frechheit"
Der Verein bedauert in einer bemüht diplomatischen Stellungnahme, dass die mit dem Verkauf betraute Immobilientochter der Bahn "ihre Zusage leider nicht eingehalten" habe, Gemeinde und Verein rechtzeitig zu informieren. Vabosh-Vorstandsmitglied Walter Klar, seit 2008 um den Bahnhof bemüht, wird privat deutlicher und nennt das Vorgehen der Bahn "eine Unverschämtheit und bodenlose Frechheit".
Die Immobilie mit der außergewöhnlichen Historie verfällt seit der Stilllegung als Bahnhof mit der Eröffnung des S-Bahnhofs 1972 mal mehr und selten weniger ungebremst. Ein Verkauf wurde von der "DB Immobilien, Region Süd" periodisch avisiert, bis jetzt aber regelmäßig auch wieder abgeblasen.
Kurioserweise war seit mehr als 20 Jahren ein zentrales Argument gegen die Veräußerung des historischen Bahnhofs, dass sein Standort möglicherweise für einen viergleisigen Ausbau der Bahnstrecke München-Freising benötigt werde. Dabei war dieser Ausbau offiziell verworfen worden. Und gerade jetzt, da eine Studie zum viergleisigen Ausbau erstellt und die konkrete Planung eingeleitet wird, verkauft die Bahn. "Was ist da los?", wundert sich Klar, "ist das nun einfach nur unkoordiniert?"
Der Verkauf des Bahnhofs wurde nicht auf den üblichen öffentlichen Plattformen annonciert, stattdessen hat die "DB Immobilien" ausgewählte Interessenten um ein Gebot angefragt. Das Vorgehen der Bahn sorge für "Frustration, Ratlosigkeit und Unverständnis", schimpft Klar.
Der Gemeinderat hat hinter verschlossenen Türen Bürgermeister Christian Kuchlbauer (FW) autorisiert, ein Gebot abzugeben. Die Höhe nennt der Bürgermeister nicht, aber für ein ernsthaftes Gebot dürfte es über die 10 000 Euro hinausgehen, die für den Verkaufsfall als Merkposten im Gemeindehaushalt stehen. Der Vabosh-Verein hatte nach Darstellung des Vorsitzenden Andreas Hofmann Beteiligungen von zusammen 65 000 Euro akquiriert, die aber binnen sieben Tagen nicht rechtswirksam "flüssig" gemacht werden konnten. Zu den vorgemerkten Interessenten gehört auch der Eigentümer der benachbarten alten Post, der dieses historische Gebäude mustergültig als Wohnanlage saniert hat. Allerdings schwebt Vabosh und wohl auch der Gemeinde für den Bahnhof eine öffentliche Nutzung vor, in den bisherigen Visionen des Vereins als Kulturcafé, Ausstellungs- und Veranstaltungsort und eventuell als Heimatmuseum. Vabosh berichtet von "Gesprächen mit dem Bürgermeister, dem Eigentümer der Alten Post, dem aktuellen Mieter des alten Bahnhofs, mit der Bahn selbst sowie mit Personen, die bereits in der Vergangenheit die finanzielle Unterstützung eines Angebotes in Aussicht gestellt hatten". Eine Konkurrenz beim Bieten sollte ausgeschlossen werden. Für den Verein wäre "ein Zuschlag für die Gemeinde das optimale Szenario".
Der Bahnhof wurde exakt vor 160 Jahren errichtet, als die "Königlich privilegierte Actiengesellschaft der bayerischen Ostbahnen" eine Bahnstrecke von München nach Landshut erschloss und über Schleißheim führte. Sein kurioses Alleinstellungsmerkmal erhielt der Bahnhof, als er 1898 in einem Verfahren auf der technischen Höhe der Zeit in Gänze vom Fundament gelöst und um sechs Meter nach Osten verrückt wurde - daher auch der Vereinsname "Verrückter alter Bahnhof".