Natur:Fast alle Fällungen werden erlaubt

Lesezeit: 2 min

Der Schutz von Bäumen ist in Haar ein wichtiges Thema. Das Foto zeigt einen bestrickten Stamm beim Zamma-Festival im Sommer. (Foto: Claus Schunk)

Eine Anfrage der Grünen ergibt, dass in Haar von 75 Anträgen auf das Umsägen von Bäumen 71 in vollem Umfang genehmigt wurden. Am Sinn der Schutzverordnung zweifelt dennoch niemand.

Von Bernhard Lohr, Haar

Dem einen oder anderen Hausbesitzer steigt die Zornesröte ins Gesicht, wenn Blätter wieder einmal die Dachrinne verstopfen: Ist doch der Baum neben dem Wohnhaus schon wieder gewachsen. Und was ist es nicht für eine Sisyphos-Arbeit, die fallenden Blätter im Herbst wegzuräumen und die Rinne und das Abflussrohr freizuhalten. Wer nun aber meint, davon ein Recht ableiten zu können, den als störend empfundenen Baum zu fällen, sieht sich in Haar oft getäuscht. Denn die Baumschutzverordnung räumt der Gemeinde eine Mitsprache ein. Und wer damit argumentiert, dass ein Baum wegen der störenden Blätter in der Dachrinne verschwinden solle, hat schlechte Karten.

Aussichtslose Ansinnen werden offenbar erst gar nicht vorgetragen

Doch die Haarer Gartenbesitzer scheinen sich schon darauf vorbereitet zu haben, keine aussichtslosen Anträge zu stellen. 75 Anträge auf Baumfällungen haben im vergangenen Jahr das Rathaus in Haar erreicht. Davon wurden 71 genehmigt, drei wurden teilweise - also womöglich nicht für alle gewünschten Bäume - genehmigt. Lediglich ein Antrag wurde 2016 abgelehnt. In den Jahren davor gab es auch schon mal mehr Absagen. So bekamen von 2001 bis 2004 jeweils mehr als zehn Antragsteller einen Korb. Das geht aus einer Statistik hervor, die Andreas Nemetz, Leiter des Umweltreferats im Rathaus, kürzlich auf Antrag der Grünen-Fraktion im Gemeinderat vorlegte. Mike Seckinger, Fraktionschef der Grünen, zeigte sich trotz der weit überwiegenden Genehmigungen zufrieden. Das Signal an die Bürger und vor allem die Bauherren müsse sein, "dass wir Baumschutz ernst nehmen", sagte er. Gerade bei größeren Bauvorhaben in der Gemeinde dürfe der nicht zu kurz kommen.

Seckinger sprach den Jugendstilpark nicht ausdrücklich an. Doch genau dieses ziemlich große Bauvorhaben trieb zuletzt den Grünen-Vertretern im Gemeinderat die Sorgenfalten auf die Stirn, weil trotz zahlreicher Bekundungen, die alten, hochwertigen, gesunden Laubbäume in dem parkähnlichen Gelände möglichst zu erhalten, doch mehr Bäume gefällt werden sollen als zunächst angenommen. Wegen Tiefgaragen und notwendigen Zufahrten, etwas für die Feuerwehr müssen diese weichen. Da hilft auch nichts, wenn diese Bäume sogar im Bebauungsplan eigens eingezeichnet sind. Ersatzpflanzungen soll es dafür aber jeweils geben.

Häufig verlangt die Gemeinde Nachpflanzungen

Die Anträge auf Fällungen, die im Rathaus eingehen, werden ganz unterschiedlich begründet. Bauvorhaben standen von 2001 bis 2017 hinter elf Prozent der Anträge. Am häufigsten, also in 24 Prozent der Anträge, führen die Antragsteller an, der Baum sterbe ab. Windbruch war in 22 Prozent der Anträge ein Grund, eine Fällgenehmigung zu erwirken; bei zwölf Prozent waren es Verschattung oder bauliche Schäden. Bei sieben Prozent wurde mit einem Borkenkäfer-Befall argumentiert. Bei Verschattung etwa wird laut Nemetz nach einer individuellen Prüfung entschieden. Bereits abgestorbene Bäume dürften ohne Genehmigung gefällt werden, sagte er.

Auch wenn das Thema auf Seiten der Baumschützer ebenso wie auf der der Gartenbesitzer emotional besetzt ist, hat es die Gemeinde bisher offenbar geschafft, die Baumschutzverordnung ohne größere Verwerfungen zur Geltung zu bringen. Referatsleiter Nemetz sagte, die Genehmigungen für Fällungen und die damit oft einhergehenden Auflagen, als Ersatz heimische Laubbäume zu pflanzen, würden gemeinsam verschickt. In der Regel werde zügig wie gefordert gepflanzt. Bis zu zwei Erinnerungsschreiben würden verschickt, sagte er, und das zweite sei mit einer Zwangsgeldandrohung verbunden. Die nächste Eskalationsstufe jedoch sei noch nie erreicht worden. Stichpunktartig werde schließlich auch vom Rathaus überprüft, ob die geforderten Bäume gepflanzt worden seien.

© SZ vom 22.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Naturschutz
:Aus weichem Holz

Die Eschen sterben, die Fichten verrotten. Mit dem Klimawandel und immer neuen Schädlingen verändern sich die Wälder im Landkreis massiv. Menschen wie Michael Matuschek und Anton Stürzer müssen den Wandel neu gestalten

Von Gudrun Passarge

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: