Naturschutz:Aus weichem Holz

Höhenkirchen, Aschheim, Ottobrunn, Klimawandel und Wald, schwere Schäden durch den Borkenkäfer,

Förster Michael Matuschek, hier mit seiner Hündin Jule, hat momentan viel zu tun, um Waldbesitzer zu beraten.

(Foto: Angelika Bardehle)

Die Eschen sterben, die Fichten verrotten. Mit dem Klimawandel und immer neuen Schädlingen verändern sich die Wälder im Landkreis massiv. Menschen wie Michael Matuschek und Anton Stürzer müssen den Wandel neu gestalten

Von Gudrun Passarge, Aschheim

Die Feinde kommen durch die Luft. Im Norden des Landkreises greift der Pilz Hymenoscyphus pseudoalbidus die Eschen an und leitet ihren Sterbeprozess ein, im Süden ist es der Borkenkäfer, der sich an den Fichten gütlich tut. "Die Fichtenwälder lösen sich jetzt auf, mit rasanter Dynamik", sagt Förster Michael Matuschek vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ebersberg. Als Grund für die tief greifenden Veränderungen im Wald, die für jedermann sichtbar sind, nennt er die veränderten Wetterbedingungen. "Den Klimawandel spüren wir schon ganz deutlich. Aber das ist erst der Anfang, es wird noch schlimmer werden."

Matuschek hat sein Büro in Aschheim. Sein Revier umfasst den Norden des Landkreises, aber im Moment muss er auch den Kollegen vertreten, der Teile im Süden betreut. Das heißt, er kämpft momentan an mehreren Fronten. Zur Erklärung der Misere holt er erst einmal aus. Da ist einmal die Münchner Schotterebene, die den Bäumen nicht gerade viel guten Boden anbietet. "Weiter nach Süden gibt es bessere Böden und deutlich bessere Bedingungen", und auch weniger Schäden, sagt er.

Aber in Richtung Stadt sieht es genau andersherum aus. Die Stadt heize das Klima auf, die Bebauung reiche immer dichter an die Wälder heran und in der Nacht könne die Hitze nicht mehr abfließen. Außerdem gibt es häufiger extreme Wetterkapriolen. Matuschek nennt das Jahr 2015 als Beispiel. Erst der Sturm Niklas, dann monatelange Trockenperioden und dann Hitzerekorde um die 38 Grad. "Das war eines der schlechtesten Jahre für die Wälder im Landkreis." Und es macht die Bäume angreifbar.

"Da blutet einem das Herz."

Höhenkirchen, Aschheim, Ottobrunn, Klimawandel und Wald, schwere Schäden durch den Borkenkäfer,

Waldbesitzer Anton Stürzer steht vor einem gefällten Waldstück. Große Flächen fallen gerade im Süden dem Borkenkäfer zum Opfer.

(Foto: Angelika Bardehle)

Es ist ein Bild des Jammers, das der Förster in Aschheim zu bieten hat. Der Ort, der die Esche im Namen führt, hat eh nicht viel Wald. Und jetzt sind drei Hektar einfach futsch. Im Wald klaffen große Lücken, da wo früher große, grüne Eschen standen. Die Esche war mal die große Zukunftshoffnung. Sie kann besonders gut der Trockenheit trotzen und verjüngt sich in großer Stückzahl. Doch gegen den aus Japan kommenden Schädling ist sie machtlos. Nur fünf Prozent der Eschen gelten als resistent. Matuschek hat mit ansehen müssen, wie selbst 200 Jahre alte Bäume vom Pilz befallen wurden.

"Da blutet einem natürlich das Herz", sagt er. Einige Eschenskelette stehen noch im Wald, die Förster lassen sie stehen, "so lange es geht", denn sie dienen allerlei Tierarten als Unterschlupf. Ähnliche Bilder könnte der Förster überall im Norden zeigen, auch an der Isar sind Bäume befallen. "Der asiatische Lauholzbockkäfer ist bekämpfbar, das Eschentriebsterben nicht", sagt Matuschek. Er geht sogar einen Schritt weiter. Das Kapitel Alb, wie der aus China eingewanderte Käfer kurz genannt wird, sei wohl beendet. "Wir finden nichts mehr, und es besteht die berechtigte Hoffnung, dass nichts mehr kommt."

Eschensterben

Im Norden sterben die Eschen. Förster Michael Matuschek setzt bei Neuanpflanzungen auf eine gute Mischung und die Heilkraft der Natur.

(Foto: FVA Baden-Württemberg)

Obwohl dem Eschentriebsterben nichts entgegenzusetzen ist, will Matuschek nicht resignieren. Aus Erfahrung weiß er, "dass die Heilungskraft der Natur sehr groß ist". Einige Bäume könnten überleben. In den Bereichen dagegen, wo gefällt wurde, pflanzen die Förster eine bunte Mischung nach. Matuschek zitiert einen alten Försterspruch: "Wer breit streut, rutscht nicht aus." Das gilt für alle Forstflächen, die neu bestückt werden, also auch für die stark geschädigten "Stadtwälder" in Ottobrunn und Neubiberg. Dort werden zum Beispiel der türkische Baumhasel, die Platane, die Douglasie, die amerikanische Roteiche oder die Hopfenbuche angepflanzt.

Alle Wälder des Landkreises sind "jung"

Bis zu 20 Prozent der Bäume kommen aus dem Ausland, der Rest sind einheimische Gewächse. Durch die Mischung soll die Gefahr verringert werden, dass alle Bäume einem Schädling oder einem Wetterphänomen zum Opfer fallen. Anreiz und Motivation bei all dem Sterben um ihn herum ist ein Wald bei Haar. Matuschek erzählt, dass die Orkane Vivien und Wiebke dort 190 Hektar platt gemacht hätten. 1990 war das. Mittlerweile sprießt es dort wieder. "Es werden wunderschöne Wälder. Sie sind halt noch sehr jung."

Jung wird bald das Wort sein, mit dem fast alle Wälder im Landkreis sich charakterisieren lassen. Matuschek sitzt im Auto, seine Hündin Jule, ein Gebirgsschweißhund, im Käfig hinter ihm. Er ist auf dem Weg nach Höhenkirchen. Sein Blick schweift über das Grün links und rechts. "Alles Käferbäume, so weit das Auge reicht", sagt er. Die Konsequenz: Alles muss gefällt werden. In Hohenbrunn, sagt der Förster, gibt es schon jetzt keine Fichte mehr, die älter als 60 Jahre alt ist. Der Borkenkäfer hat überall zugeschlagen.

Der Wald hier im Südosten besteht zu 80 Prozent aus Fichten. Ein Festmahl für den Schädling. Anders als im Norden gibt es hier im Südosten eher private Waldbesitzer, sagt Matuschek. Viele von ihnen wollten es anfangs gar nicht glauben, wie groß die Käferplage ist. Und viele, hat der Förster festgestellt, kennen sich mit dem Wald auch gar nicht aus. Sie hätten ihn geerbt oder Grund als Investition gekauft. Diese Waldbesitzer muss Matuschek sehr intensiv beraten und bei den anstehenden Maßnahmen unterstützen.

Aber auch so erfahrene Landwirte wie Anton Stürzer senior aus Höhenkirchen holen sich seinen Rat. Stürzer, 79, steht auf einem Waldstück, wo nur noch Baumstümpfe davon zeugen, dass hier einst stolze Fichten standen. Er hatte sie 1985 angepflanzt, "da kann man noch nicht mal von der Pubertät reden beim Wald", sagt Matuschek.

Aber die Hiebreife, die bei Fichten bei etwa 120 Jahren liegt, erreiche sowieso kein Baum im Umkreis mehr. Jetzt liegt da ein Häufchen dünner Stämme am Straßenrand. "Nur noch Brennholz", sagt Stürzer, "da musst du Glück haben, wenn es dir einer überhaupt abkauft." Er erzählt, es sei ein besonders schlechtes Jahr für den Wald gewesen, Hitze, Trockenheit, "die Pflanzen halten das nicht mehr aus, deshalb tut sich auch der Borkenkäfer so leicht." Die Fichten rundherum, alle befallen.

Die Fichten, die von selbst aufgehen, sind widerstandsfähiger

Er zeigt auf das Waldstück auf der anderen Straßenseite. Einige Fichten haben braune Kronen, "aber da ist der Käfer schon wieder raus, der ist jetzt in den grünen Bäumen drin", sagt Matuschek. Allerdings habe sich da bisher niemand um den Käferbefall gekümmert. Matuschek wird telefonieren müssen. Er wird anrufen und die Besitzer auf das Problem aufmerksam machen. Wenn sie nicht reagieren, kann er notfalls die Fällung anordnen. Aber das stehe immer ganz hinten an. Meist hilft es schon, wenn er Kontakte vermittelt, etwa zur Waldbesitzervereinigung, die über die nötigen Maschinen verfügt.

Solche Hilfe benötigt Stürzer nicht. Ihn interessiert vielmehr die Frage, was er nachpflanzen kann. Vor zehn Jahren noch hat er geglaubt, die Zukunft gehöre der Esche. "Aber von Zukunftsbaum kann man gar nicht mehr reden. Man weiß gar nicht mehr was man pflanzen soll. Jeder Baum hat mittlerweile seinen Schädling", sagt Stürzer und urteilt treffend: "Eine Katastrophe."

Aber sowohl Matuschek als auch Stürzer sind aus hartem Holz geschnitzt, sie wollen nicht aufgeben. Hie und da spitzt ein kleiner Fichtenschößling durch das Reitgras. "Die Fichten, die von selbst aufgehen und durchkommen, das sind die widerstandsfähigsten", sagt Stürzer. Wer weiß, vielleicht bleiben ja doch ein paar Fichten stehen und einige kommen nach. Wie dem auch sei, das Bild des Waldes im Landkreis wird sich nachhaltig verändern. Gerade hat der Förster Flächen nördlich in Ismaning besichtigt, auch dort sterben die Eschen, auch dort müssen sie gefällt werden.

Matuschek bemüht sich, auch noch etwas Positives im Waldsterben zu sehen: "Jeder Wandel gibt auch die Möglichkeit, wieder etwas Neues zuzulassen und zu gestalten." Gerade im Ballungsraum besitze der Wald großen Stellenwert, der weit über die wirtschaftliche Nutzung hinausgeht. Für die Menschen, die hier leben, ist er als Erholungsfläche unverzichtbar. Bleibt zu hoffen, dass Klimawandel und Pflanzen sich aufeinander einstellen, oder dass auch der Mensch sich wandeln kann.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: