Mülltrennung in Garching:Die Problemsammler

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Manch einer rückt sogar mit der Schubkarre am Garchinger Werstsoffhof an. Doch der stößt längst an seine Kapazitätsgrenzen. (Foto: Stephan Rumpf)

In Garching gibt es laufend Beschwerden über verdreckte Wertstoffinseln. Die Stadt aber ist für deren Zustand und Reinigung gar nicht verantwortlich. Die gelbe Tonne und ein neuer Wertstoffhof sollen Abhilfe schaffen. Doch auch die Bürger sind in der Pflicht - sie produzieren zu viel Restmüll.

Von Gudrun Passarge, Garching

Hässliche Müllsäcke und herumfliegende Verpackungen neben leeren Containern an der Wertstoffinsel, in Garching ist das mancherorts ein alltäglicher Anblick. Der durchschnittliche Landkreisbürger produziert im Jahr 476,84 Kilogramm Müll, etwa 70 Prozent werden recycelt. Das heißt, die Wertstoffe wie Papier, Glas, Plastik werden einzeln gesammelt, mit mehr oder minder großem Erfolg. Doch gibt es eine Handhabe, die Wertstoffinseln zu überprüfen? Kaum, denn "Videoüberwachung ist rechtlich schwer möglich", sagt der Garchinger Umweltreferent Christoph Marquart, zumindest müssten Hinweisschilder aufgestellt werden.

Im ganzen Stadtgebiet von Garching verteilt stehen 25 solcher Sammelstellen, sechs bezeichnet Marquart als Problem. Zwei dieser Inseln sind in Hochbrück, ein Thema, das bei jeder zweiten Stadtratsitzung wieder angesprochen wird, weil die Anwohner sich dort beschweren. Die Hochbrücker glauben, dass Leute aus dem Gewerbegebiet vorbeifahren und ihren Müll dort hinterlassen. "Ich weiß nicht, ob das so ist", sagt Marquart, "man sollte sich an die eigene Nase fassen".

Auch die Garchinger Problemsammelstellen wie etwa an der Post oder an der alten B 471 weisen als gemeinsame Merkmale auf, gut erreichbar zu sein sowie "eine gewisse Uneinsichtigkeit" zu besitzen. Das könnte der Grund sein, warum sich Menschen hier vielleicht leichter tun, ihren Müll unsanktioniert abzustellen. Manchmal handelt es sich tatsächlich um Wertstoffe, die in die Container gehörten, manchmal sind es Sachen, "die absolut nicht da hingehören". Also etwa ein Sofa oder ein Beutel mit Hausmüll. Marquart zieht Fotos aus einer Schublade seines Schreibtisches. Sie zeigen einen Müllberg neben einem leeren Container.

Reines Holsystem soll Abhilfe schaffen

Der Umweltreferent sagt, die Stadt sei gar nicht zuständig für die Wertstoffsammelstellen. Diese werden vom Dualen System betrieben, die Unternehmen damit beauftragen, die Wertstoffe regelmäßig abzuholen. Videoüberwachung hält Marquart jedenfalls nicht für eine Lösung, mal abgesehen von der rechtlichen Problematik: Warum sollte die Stadt etwas unternehmen, wenn es sie eigentlich gar nichts angeht? "Wer zahlt das und wer wartet das? Es ist und bleibt ein Problem." Abhilfe verspricht sich der Umweltreferent dagegen eher von einem reinen Holsystem. Das würde bedeuten, die Garchinger bekämen noch eine vierte Tonne, diesmal in Gelb. In großen Wohnanlagen gibt es sie teils schon, doch Marquart will sie flächendeckend einführen.

Als Termin hält er 2021 für realistisch, vielleicht ein wenig früher. Für die Stadt würde es damit teurer, Marquart beziffert die Mehrkosten auf etwa 100 000 Euro, aber er sieht die Vorteile. Wenn die Container wegfallen, "dann haben wir auch die Schweinereien von den Sammelstellen ein bisschen weg". Übrig blieben die Glascontainer, die aber irgendwann in der Zukunft durch Unterflurbehältern ersetzt werden sollen. Sie bieten viel Platz, haben oben nur kleine Öffnungsbehälter und vor allem sind sie "absolut lärmsicher", weshalb sie auch wohnortnah aufgestellt werden könnten. Am Ende blieben also nur noch die Altkleidercontainer.

Außer der Einführung der gelben Tonne hat der Umweltreferent noch ein zweites Ziel. Er hält einen größeren Wertstoffhof für dringend erforderlich. Der jetzige am Brunnenweg misst gerade mal 700 Quadratmeter. In anderen Kommunen, wie beispielsweise Vaterstetten oder Mainburg können die Bürger dagegen auf 3000 oder 4000 Quadratmetern ihren Müll sortieren. Marquart schwebt ein größerer Wertstoffhof "mit allen Schikanen und Mülltrennung in allen Varianten" vor, womit sich Garching gleich auf die Zukunft vorbereiten könnte. Denn es sei davon auszugehen, dass auch solche Dinge wie Solarmodule und ähnliches in einigen Jahren gesammelt werden müssten.

Möglich wäre eine solche Erweiterung, wenn der Bauhof wie geplant auf das Grundstück an der Autobahnausfahrt Nord umzieht. "Wir könnten dort eine ganz andere Logistik aufbauen", ein Hof mit mehr Containern und einem Dach schwebt dem Umweltreferenten vor. Er sieht zwar den Nachteil, dass der neue Hof dann etwas weit vom Schuss wäre. Mal eben mit dem Fahrrad seine zwei Flaschen vorbeifahren, das ginge dann nicht mehr so leicht. Aber dafür hätten die Garchinger dann eben andere Vorteile.

Nur Grünwald produziert mehr Müll je Einwohner

Doch auch ein neuer Wertstoffhof wird möglicherweise ein anderes Garchinger Problem nicht lösen. Die Stadt mit den 18 000 Einwohnern liegt beim Restmüllaufkommen an vorletzter Stelle im Landkreis. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das, jeder Garchinger bringt es im Jahr auf etwa 197 Kilogramm Müll, ein Wert, der nur noch überboten wird von Grünwald, wo jeder Einwohner etwa 205 Kilogramm Müll produziert. Im Vergleich, der Durchschnittswert im Landkreis liegt bei etwa 144 Kilogramm, Sauerlach glänzt mit 73,2 Kilogramm. Die Gründe für die großen Restmüllmengen sind im einzelnen kaum auszumachen. Marquart nennt als eine mögliche Komponente die großen Gewerbegebiete. Vielleicht spiele es auch eine Rolle, dass in der Universitätsstadt eine hohe Fluktuation der Einwohner bestehe, 2000 Personen kommen und gehen im Jahr. Was auch entsprechend viele Umzüge bedeute, und es ist leicht vorstellbar, dass so ein Umzug auch genutzt wird, sich von allerlei Überflüssigem zu trennen, was dann in der Tonne landet. Möglich ist auch, dass der hohe Anteil an Personen, die aus anderen Ländern kommen, den Wert nach oben treibt. "Sie sind zum Teil nicht immer so mit der Abfalltrennung vertraut", sagt Marquart, da helfen selbst erklärende Broschüren in unterschiedlichen Sprachen nicht viel.

Außerdem, so argumentiert er, sage die Restmüllmenge allein nicht alles aus, man müsse auch die Recyclingquote betrachten, und da liege Garching gar nicht schlecht. Nur beim Altglas lässt das Sammeln offenbar zu wünschen übrig, da bringt Garching es nur auf 22 Kilogramm pro Kopf. Anders die Grünwalder, wo jeder immerhin 32 Kilogramm im Jahr sammelt. Darauf bezieht sich auch Bürgermeister Jan Neusiedl (CSU): "Der hohen Restmüllmenge steht auch eine sehr große Menge an Müll gegenüber, die entsprechend wiederverwertet wird." Tatsächlich, die Gemeinde bringt es 2016 auch bei den Recyclingmengen auf einen Spitzenplatz im Landkreis mit fast 500 Kilogramm pro Kopf. Sauerlach wird mit etwas mehr als 400 Kilogramm gelistet, Garching bleibt knapp unter 300 Kilogramm. "Wenn das im Restmüll drinnen ist, wirkt sich das natürlich katastrophal aus", kommentiert Marquart die Glasquote.

Für die Zukunft sieht Garchings Umweltreferent nur den Weg, Abfall zu vermeiden. "Der Müll ist der beste, der gar nicht erst entsteht." Ansonsten müsse die Kommune auf die Mitarbeit ihrer Bürger setzen. Handhaben, die Mülltrennung zu kontrollieren, habe die Stadt nicht, sagt Marquart. "Wenn der Bürger es macht, ist es schön, wenn nicht, ist es nicht schön. Aber ich kann es nicht verhindern. Ich müsste sonst jedem Bürger in die Tonne schauen." Übrigens soll es schon vorgekommen sein, dass der Abholer eine Restmülltonne stehen ließ - weil sie zu viel Grünschnitt enthielt.

© SZ vom 19.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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