Literatur:Abenteuer Geschichte

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Die kleine Anna erlebt in Petra Breuers Büchern hautnah die Geschichte Münchens. Gerade ist der sechste Band in Planung. Die Autorin verlegt ihre Bücher selbst, deswegen kann sie auch alles selbst entscheiden. (Foto: Claus Schunk)

Petra Breuer hat die Hightech- gegen die Verlagsbranche ausgetauscht. Die Aschheimerin schreibt Bücher über die Münchner Historie für Kinder

Von Christina Hertel, Aschheim

Anna, ein Mädchen mit langen, blonden Zöpfen, ist Petra Breuers zweite Tochter. Doch sie wird anders als ihre erste niemals Abitur machen, niemals ausziehen, niemals studieren. Anna wird immer ein kleines, mutiges Mädchen bleiben. Zuerst existierte sie nur in Breuers Fantasie. Seit sechs Jahren gibt es Anna auch auf dem Papier, in fünf verschiedenen Teilen der Kinderbuchreihe "Abenteuer in München". Darin reist Anna durch 500 Jahre Münchner Geschichte - vom Mittelalter bis zum Barock. Sie sieht, wie Heinrich der Löwe vor 860 Jahren die erste Brücke Münchens bauen lässt. Schaut zu, wie die Stadtmauern errichtet werden, besucht die erste Dult, muss den verloren gegangenen Bauplan für die Frauenkirche wieder beschaffen und feiert auf einem Fest im Nymphenburger Schloss. Als nächstes wird Anna beim ersten Oktoberfest dabei sein, das Kronprinz Ludwig und Prinzessin Therese anlässlich ihrer Hochzeit 1810 feierten.

Petra Breuer, eine zierliche, blonde Frau mit sanfter Stimme, sitzt in ihrem Wohnzimmer in Aschheim, wo es keinen Fernseher gibt, dafür ein großes Bücherregal und einen Kamin. Wenn man aus dem Fenster schaut, sieht man Felder. An der Wohnzimmerwand hängt ein Bild, das ihr Mann malte - eine alte Gondel in Venedig. Petra Breuer, 51 Jahre alt, nennt ihr Zuhause "Reich der Fantasie" - dabei hatte sie in der ersten Hälfte ihres Lebens mehr mit Zahlen zu tun als mit Buchstaben: Sie arbeitete als Managerin in der Hightech-Branche, war oft auf Geschäftsreisen unterwegs, sah aber nur Flughäfen, Hotelzimmer und Meetingräume. "Ich wollte etwas Sinnvolles machen, was mit Inhalt", sagt Breuer.

Dann ließ sie sich zur Stadtführerin ausbilden, las Bücher, besuchte Vorträge. Ihr liege Geschichte am Herzen, immer schon. Besonders die von München, der Stadt, in der sie aufwuchs. Sie wolle bei Kindern Interesse wecken, ihnen etwas vermitteln und sie dazu ermutigen, sich ihre Umgebung anzusehen. So entstand die Idee von Anna - einem Mädchen, das mit ihrem behinderten Freund Benedictus in der Vergangenheit Abenteuer erlebt, und in der Gegenwart mit ihrem Großvater die Schauplätze noch einmal besucht. Jedes Buch enthält gezeichnete Pläne - von der Münchner Residenz, der Frauenkirche, dem Nymphenburger Schloss, den Mauern und Brücken. Sie selbst, sagt Breuer, könne nicht mal ein Strichmännchen malen. Deshalb arbeitet sie mit einer Illustratorin zusammen, Nicole Teusler aus Cottbus. Am Telefon und in seitenlangen E-Mails schildert Breuer ihr, wie sie sich die Bebilderung vorstellt.

Petra Breuer gibt ihre Bücher in ihrem eigenen Verlag heraus, "Fantasiereich" heißt er. Das sei gut - weil sie dann alles selbst bestimmen könne, von allen Wendungen, die ihre Geschichten nehmen sollen, bis hin zur Farbe des Einbands. Und gleichzeitig sei es anstrengend, weil sie ihre Bücher nicht nur selbst schreiben, sondern sie auch selbst vermarkten muss. Sie muss Illustratoren, Grafiker, Lektoren finden. Und sie alle bezahlen. Das koste jedes Mal so viel wie ein Kleinwagen. "Ohne meinen Mann", sagt Breuer, "würden meine Kinder wahrscheinlich verhungern."

Bis jetzt gehe das Geschäft mit ihren Büchern genau auf Null auf. Kein Verlust, aber auch kein Gewinn. Breuer würde sich einen berühmten Paten wünschen, der ihre Bücher bekannter macht, einen Fußballer zum Beispiel. Denn sie weiß auch: Münchner Stadtgeschichte für Kinder ist eine Nische. "Aber Geschichten von rosa Einhörnern und süßen Pferdchen interessieren mich einfach nicht", sagt Breuer. "Ich finde es wichtig, dass Kinder auch erfahren, dass die Menschen früher Pastinaken gegessen haben oder dass ein Huchen ein Fisch ist."

Doch weil Petra Breuer von ihren Abenteuern mit Anna alleine nicht leben kann, hat sie sich noch weitere Standbeine aufgebaut. Sie arbeitet für Gemeinden - für Aschheim etwa hat sie einen Kalender, ein Malbuch und eine Ortschronik für Kinder entwickelt. Zurzeit arbeitet Breuer die Ortsgeschichte von Geretsried für Jungen und Mädchen im Grundschulalter auf. Und für einen Bildungsverlag schreibt sie als Gastautorin kindgerecht über die Geschichte Bayerns. Sie gibt außerdem Bilderbücher für Kleinkinder heraus, die das Sprachverständnis fördern sollen, macht Stadtführungen und hält Vorträge.

Bevor Breuer mit dem Schreiben eines neuen Buchs beginnt, bereitet sie sich ein Vierteljahr darauf vor. In der Zeit bestehe ihr Tag hauptsächlich aus Lesen. Die Wörter würden danach von ganze alleine kommen. "Selbst bei banalen Aufgaben wie Wäsche aufhängen, denke ich daran, wie die Geschichte weitergehen könnte." Breuer schreibt in ihrem Arbeitszimmer im Keller. Neben dem Bildschirm ihres Computers hängt eine Postkarte. Ein Gebirge, darunter der Spruch: Kein Berg zu hoch, kein Weg zu weit. "Das ist sozusagen mein Lebensmotto." Sie sei Perfektionistin und zugleich Optimistin. Und das glaubt man ihr auch. Wenn sie ihre Bücher in der Hand hält, sagt, dass sie das geschrieben habe, klingt sie stolz und fröhlich und fast etwas erstaunt, dass sie das geschafft hat. Schreiben und sich mit Geschichte zu befassen, sei zwar ihr Traumjob, aber auch ein ganz schön hart verdientes Brot. Bis ein Buch fertig sei, dauere es etwa ein Jahr. "Wenn die Bücher angeliefert werden, reiße ich gleich den Karton auf und schaue, ob ich einen Fehler finde", sagt Breuer. Das nächste Mal im Spätsommer 2019 - dann erscheint der sechste Band ihrer Reihe "Abenteuer in München ".

© SZ vom 16.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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