Zum Schulstart an diesem Dienstag stellt sich wieder die Frage: Werden die Lehrer ausreichen? Bis jetzt sieht es noch gut aus mit der Lehrerversorgung für die Schulen im Landkreis. Oberbayerns Regierungspräsidentin Maria Els verspricht eine entspannte Lage. Alle Grund-, Mittel-, Förder- und beruflichen Schulen in Oberbayern seien ausreichend mit Lehrkräften versorgt. Doch ein Blick in die Praxis zeigt: Die ersten Unterrichtsausfälle lassen selten auf sich warten, und die Suche nach Fachkräften ist jedes Jahr eine neue Herausforderung.
Markus Rieger, Lehrer an der Erich-Kästner-Schule in Höhenkirchen und Mitglied im Personalrat des Schulamtes für den Landkreis, kann für die Grund- und Mittelschulen zwar bestätigen, dass alle Lehrerstellen besetzt seien. Der Lehrermangel ist für ihn damit aber noch lange nicht vom Tisch: "Ich denke schon, dass wir einen Notstand haben", sagt er mit fester Stimme. Probleme sieht der 52-Jährige vor allem im qualitativen Angebot.
Da es nicht genügend Lehramtsstudenten für die Grund-, Mittel- und Förderschulen gibt, wird händeringend nach zusätzlichen Lehrkräften gesucht. Pensionisten müssen wieder zurück in die Schule, Teilzeitkräfte sollen länger arbeiten und das Schulministerium zieht Lotsen - Grundschullehrer, die den Kindern den Übergang erleichtern sollten - wieder aus Realschulen und Gymnasien ab. Viele Stellen sind darüber hinaus mit sogenannten Zweitqualifizierten besetzt - Realschul- und Gymnasiallehrer, die sich zusätzlich für Grund- und Mittelschule weiterqualifiziert haben. Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), sieht darin ebenfalls ein eindeutiges "Indiz dafür, dass es da wohl brennt."
Vor allem bei Fachlehreren herrsche eine hohe Fluktuation
In der Schule von Markus Rieger gibt es viele Teilzeitkräfte und einige Zweitqualifizierte. Diese seien sehr engagiert, doch die meisten würden die Schule für eine bessere Bezahlung an Realschulen und Gymnasien wieder verlassen. Ferner werden auch gerne Referendare oder Lehramtsstudenten mit erstem Staatsexamen eingesetzt. "Man ist froh, dass die da sind", sagt Rieger, doch eine Klassleitung könne man die angehenden Lehrer noch nicht übernehmen lassen. Vor allem bei den Fachlehrern herrsche zudem eine hohe Fluktuation. "Das geht natürlich zu Lasten des Unterrichts", bedauert Rieger, der selbst über den zweiten Bildungsweg Lehrer geworden ist. Der persönliche Bezug zu Schülern und Eltern sei vor allem in den Grund- und Mittelschulen wichtig, betont er.
Problematisch kann es auch wieder bei der Mobilen Reserve werden. Das Kultusministerium hat diese zwar aufgestockt, aber Rieger rechnet fest mit Engpässen: "Das ist schon ganz normal. Im Laufe des Schuljahres gibt es kaum noch eine Mobile Reserve." Im vergangenen Jahr seien im Landkreis elf Klassen unterversorgt gewesen. Von den 51 Lehrkräften in der Mobilen Reserve waren schon bald die meisten im Einsatz.
Unausgewogene Verteilung der Lehramtsstudenten
Die Mobile Reserve selbst muss ebenfalls irgendwo herkommen. In diesem Jahr werden zwei Lehrer der Erich-Kästner-Schule für den mobilen Einsatz abgezogen. "Die beiden werden uns sehr fehlen", sagt Rieger. Darunter ist auch eine Lehrerin mit speziellen Qualifikationen, für die es schwer sein wird, einen "adäquaten Ersatz" zu bekommen. Zudem sei kürzlich beschlossen worden, die Stunden von Fächern wie Musik zu kürzen, um die Kernfächer besser abdecken zu können.
Eine Maßnahme, die auch die BLLV-Präsidentin vermehrt an Schulen beobachtet hat. Eine zusätzliche Herausforderung sind laut Fleischmann die in den vergangenen Jahren hinzugekommenen Themenbereiche wie Inklusion und Digitalisierung. Noch haben in der Erich-Kästner-Schule nur ein paar Klassenzimmer ein technisches Upgrade erhalten. Aus diesem Grund haben Rieger und einige seiner Kollegen sich für den Unterricht schon selbst mit iPads gerüstet. Hilfe bei der Bedienung und Einbindung ins Unterrichtsgeschehen sollen sie laut Staatsregierung im neuen Schuljahr von Medienberatern sowie Systembetreuern bekommen.
Die Hauptursache für die Lehrerknappheit in Grund-, Mittel- und Förderschulen sieht Rieger in der unausgewogenen Verteilung der Lehramtsstudenten. Eine Umgestaltung des Lehramtsstudiums sowie die gerechtere Bezahlung von Lehrern aller Schulrichtungen könne die Situation auf beiden Seiten verbessern. "Ich find's ungerecht", sagt Rieger: "Wir arbeiten hier mehr Stunden und sind schlechter bezahlt." Optimistisch bleibt Markus Rieger trotzdem. Für den Fall, dass es mit den Stunden wieder einmal brenzlig werden sollte, vertraut er auf das Engagement seiner Kollegen: "Geklappt hat's bisher immer."