Lehrermangel an Grundschulen:Nachhilfe für den Minister

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Unterrichtsausfälle und Leistungsdruck vor dem Übertritt: In der BR-Sendung "Jetzt red i" klagen Eltern von Grundschulkindern und Rektoren Michael Piazolo ihr Leid mit der bayerischen Bildungspolitik.

Von Patrik Stäbler, Sauerlach

Die Kinder von Holger Dietrich besuchen die erste und dritte Klasse der Friedrich-von-Aychsteter-Grundschule, und was der Sauerlacher dort bislang erlebt, stimmt ihn - vorsichtig gesagt - nachdenklich. "Die Leistung, die die Schule bringt, ist nicht ausreichend", findet er. Kranke Lehrkräfte würden wegen Personalmangels nicht ersetzt "und dann schauen die Kinder halt eine Stunde lang Film". Überdies kritisiert der Vater die Klassengrößen: "Ganz ehrlich, wie will man 25 Kinder auf einmal unterrichten?" Der Schule und ihren Lehrern mache er keinen Vorwurf, betont Dietrich. Es sei vielmehr das Bildungssystem, "das nicht funktioniert".

Federführend zuständig hierfür ist seit der Landtagswahl Michael Piazolo von den Freien Wählern, und dem Schulminister klagt der Sauerlacher Vater am Mittwochabend sein Leid - in der BR-Sendung "Jetzt red i", die live aus der Mehrzweckhalle in Sauerlach gesendet wird. Das Thema der Show: "Bayerns Grundschulen am Limit - Gestresste Schüler, geplagte Eltern, geforderte Lehrer". Mehr als 120 Besucher haben sich in der "Arena" eingefunden, unter ihnen etliche Eltern sowie Lehrer und Rektoren der umliegenden Schulen. Vielen von ihnen liegt besonders ein Thema am Herzen: der Übertritt nach der vierten Klasse und der immense Druck, der dadurch im letzten Grundschuljahr auf den Kindern lastet.

Gleich zu Beginn meldet sich Konstanze von Unold zu Wort, Rektorin der Grundschule in Baierbrunn. Sie werde oft von Kollegen aus anderen Bundesländern gefragt: "Was macht ihr mit euren Viertklässlern? Warum stresst ihre eure Kinder so?" Die Schulleiterin berichtet von "Leistungsdruck und Konkurrenzkampf" vor dem Übertritt und kritisiert die starren Vorgaben, wonach es einen Notenschnitt von 2,33 fürs Gymnasium und 2,66 für die Realschule braucht - in den Fächern Deutsch, Mathe und Heimat- und Sachunterricht. Die Rektorin regt an, den Übertritt auf die fünfte oder sechste Klasse zu verschieben; zudem fordert sie mehr Flexibilität bei der Bewertung der Schüler - ein Thema, das auch Andrea Zran aufgreift. Die Leiterin der Konradschule in Haar lobt die Spielräume, die Lehrkräfte inzwischen in der ersten bis dritten Klasse haben, etwa durch die Einführung der Lernentwicklungsgespräche anstelle von Zeugnissen. "Aber warum kommt es in der vierten Klasse dann zum Bruch?", fragt Zran. "Auf einmal wird da entschieden über den weiteren Lebensweg des Kindes."

Piazolo verteidigt das bestehende Modell des Übertritts

Piazolo verteidigt das Modell des Übertritts und betont, dass es bereits Veränderungen gegeben habe. Er wolle sich vor allem um eine bessere Beratung von Schülern und Eltern bemühen und hierfür mehr Schulpsychologen und Sozialpädagogen an die Grundschulen bringen. In die Defensive gerät der Minister, nachdem ihn Holger Dietrich auf den Lehrermangel angesprochen und gefragt hat: "Man weiß doch sechs Jahre vorher, wie viele Kinder in die Schule kommen. Was ist so schwer daran, für die nötigen Lehrer zu sorgen?" Piazolo verweist hier auf die Zuwanderung - aus dem Ausland, aber auch aus anderen Bundesländern und Regierungsbezirken. Dies mache die Planung schwierig. Auf die Frage nach der Bezahlung von Grundschullehrern betont er, dass er sich eine höhere Entlohnung für Grund- und Mittelschullehrer wünsche. Jedoch räumt er ein: "Wir haben im Koalitionsvertrag nicht alles erreicht, was ich wollte. Und das ging auch nicht in den Haushaltsverhandlungen."

Umringt und bedrängt von Eltern und Lehrern: Kultusminister Michael Piazolo am Rande der BR-Sendung "Jetzt red i" in Sauerlach.

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(Foto: Claus Schunk)

Die Sendung mit dem Thema: "Bayerns Grundschulen am Limit - Gestresste Schüler, geplagte Eltern, geforderte Lehrer." wurde live übertragen.

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(Foto: Claus Schunk)

Das Publikum beteiligte sich aktiv an der Diskussion.

Der zweite Gast der Sendung, Markus Bayerbach (AfD), kommt ob der vielen Beiträge der Besucher kaum zu Wort. Der Vorsitzende des Bildungsausschusses im Landtag bricht eine Lanze fürs dreigliedrige Schulsystem und wehrt sich gegen Islamunterricht an Schulen. Letzteres bringt ihm einen Rüffel von Simone Fleischmann ein. In den Grundschulen werde integrative Arbeit geleistet, betont die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV): "Bitte senden Sie positive Signale - und spalten Sie nicht."

Nach der 45-minütigen Sendung wird in der Mehrzweckhalle noch eifrig weiter diskutiert. Unter anderem bekräftigt Astrid Langwieder, Rektorin der örtlichen Grundschule, dass sie die Kritik ihrer Kolleginnen am jetzigen Übertritts-Modell teile. "Da werden nur drei Noten angeschaut - und der Rest der Fächer fällt unter den Tisch." Und was denkt Holger Dietrich, auf den der Übertrittsstress im nächsten Schuljahr zukommt, wenn seine Tochter in die vierte Klasse geht? "Unserer Strategie ist, auf jeden Fall zu versuchen, dass sie es aufs Gymnasium schafft", sagt der Sauerlacher. Auch wenn die Politiker zuvor mit der Durchlässigkeit des dreigliedrigen Schulsystems geworben haben, betont Dietrich: "Ich selbst glaube daran nicht".

© SZ vom 15.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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