Erlebnis Bauernhof in Taufkirchen:Mit der Kuh auf Du und Du

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Die Kinder streicheln das Huhn, das Bauer´Georg Laubhart hält. (Foto: Sebastian Gabriel)

Auf dem Bauernhof der Familie Laubhart können Stadtkinder erfahren, woher unsere Lebensmittel kommen. Viele von ihnen fürchten oder ekeln sich zunächst vor den Tieren. Aber wenn sie sie streicheln dürfen, sind alle glücklich.

Von Sophie Kobel, Taufkirchen

25 bunte Rucksäcke liegen auf einem Haufen im Innenhof des Bauernhauses. Sie dürfen nicht mit in den Kuhstall, genauso wenig wie Kaugummis und Fleecejacken. "An denen bleibt das Heu sofort kleben", erklärt Bäuerin Hedi Laubhart den Schülern, die vor ihr auf den Holzbänken sitzen und sie mit großen Augen anschauen.

"Keiner von ihnen kennt einen Bauernhof, schon im Schullandheim standen sie ganz perplex vor den Kühen", erzählt die Biologielehrerin Katja Otto. Von ihr kam die Idee, den Wandertag mit der Klasse aus Neuperlach auf dem Hof der Familie Laubhart zu verbringen: "Die Kinder lernen gerade in der Schule viel über Nutztierhaltung, es ist ein wichtiges Thema", sagt Otto und versucht, ihre aufgeregten Schüler zum Schweigen zu bringen.

"Erlebnis Bauernhof" heißt das Projekt des bayerischen Landwirtschaftsministeriums. Seit 2012 können hier jedes Jahr Grundschulkinder der zweiten bis vierten Klassen und Kinder aus Förder- oder Übertrittsklassen kostenfrei einen Bauernhof besuchen. Mitmachen darf an sich jeder, ältere Klassen oder Kindergartenkinder zahlen aber einen kleinen Beitrag. Im Fall des Taufkirchner Bauernhofes sind das inklusive eines Schnittlauch-Butterbrots sechs Euro pro Kind.

Warum stehen auf den Eiern Zahlen?

Die Brotzeit muss sich die fünfte Klasse der städtischen schulartunabhängigen Orientierungsstufe aber erst noch verdienen. Das fröhliche Geplapper der Elfjährigen verstummt schnell, als Jungbäuerin Hedi ihnen zehn Großaufnahmen von der Geburt eines Kälbchens zeigt. Sie lächelt beim Anblick der entsetzten Gesichter: "Wir fangen mit dem ekeligen Teil an. Denk immer daran, wir sahen genauso schleimig und glitschig aus, als wir auf die Welt gekommen sind. Anders klappt es eben nicht", erklärt die Taufkirchnerin und stellt die für sie wichtigste Frage: "Worauf achtet ihr im Supermarkt? Schließlich esst ihr jeden Tag Lebensmittel, die aus der Landwirtschaft kommen." Die Kinder auf den Bierbänken schweigen, zögerlich meldet sich dann ein Junge: "Auf den Eiern stehen Zahlen?"

Solche Antworten ist Hedi Laubhart gewohnt, die wenigsten Kinder und Erwachsenen, die auf ihren Hof kommen, haben sich zuvor mit dem Thema Landwirtschaft beschäftigt. Gerade deswegen stellt sie viele Fragen, und beantwortet die meisten davon anschließend selbst: Wie stellt ihr euch einen Morgen auf dem Bauernhof vor? Wieviel, meint ihr, kostet ein Kuhstall? Was bedeutet Massentierhaltung? Wieso kann Antibiotikum in eurem Fleisch sein? Warum müssen manche Tiere geschlachtet werden? Laubhart und ist sich sicher, dass Ausflüge wie dieser wichtig sind. "Wenn ihr heute nach Hause geht, hinterfragt, was ihr esst. In euren Körper soll nur Gutes. Kauft ihr zum Beispiel Nudeln aus dem Ausland, sind vielleicht Eier aus Käfighaltung drin", erklärt Laubhart.

Später dürfen alle wie Sophie, Anna und Zaynab (von links) mit einer Handmühle selbst Getreide mahlen. (Foto: Sebastian Gabriel)

Sie lächelt die Kinder an und deutet in Richtung des Stalls. Dort werden sie gleich gemeinsam die Kühe füttern. Einer der Schüler wird unruhig und erzählt von einer sehr aggressiven Kuh, die er in einem Urlaub gesehen hat. Die Bäuerin lacht: "Es gibt auch ruhige Kinder und unruhige Kinder. Deshalb sind sie nicht böse. Außerdem kann eine Kuh nicht beißen, und wenn sie euch abschleckt, dürft ihr eure Hand an meiner Hose abwischen", sagt Laubhart und drängt die Kinder liebevoll, aber bestimmt in den Stall. Furkan hat Angst vor Kühen, Jessica hält sich aufgrund des Geruchs den Ärmel ihres Pullis vor die Nase und an Efes Fleecehose bleibt das Getreide aus seiner blauen Plastikschüssel hängen. Als es aber an das Füttern und Streicheln geht, strahlen auf einmal alle.

"Ich höre immer von den Lehrern, dass sie ihre Schüler nie so aufgeweckt und interessiert erleben wie bei uns", erzählt Laubhart und ist stolz auf ihr Projekt, das sie 2011 gegründet hat. "Die Kuh macht muu... und was weißt du?" heißt es und soll Kindern anschaulich eine erste Beziehung zu Landwirtschaft aufzeigen. Fast jeden Tag hat der Familienbetrieb eine Klasse zu Besuch, in den vergangenen fünf Jahren waren 14 000 Kinder auf dem Hof. Finanziell lohnt sich das Projekt für die Laubharts kaum, aber besonders die Motivation der ausgebildeten Erlebnisbäuerin ist groß: "Es macht mich wahnsinnig, dass inzwischen allen egal ist, was sie essen.

Diese Kinder werden in Zukunft Fleisch kaufen, sie brauchen Hausverstand und eine Verbindung zu den Produkten", sagt Laubhart. Was täglich mit den Gruppen unternommen wird, passen die Laubharts dem Alter der jeweiligen Kinder an. Nach dem Besuch im Kuhstall geht heute Hedis Vater Georg Laubhart mit den Neuperlacher Kindern zum Getreide-Mahlen. Der Bauer steht in seiner grauen Latzhose vor einem großen Holztisch auf dem gefüllte Schüsseln stehen. Er deutet auf eine davon und fragt: "Rosalie, was kann man alles aus Mais machen? Du isst es zum Beispiel immer im Kino". Die Schüler mögen Bauer "Schorsch", als er anschließend mit ihnen in den kleinen Hühnerstall geht, ist die Begeisterung so groß, dass das schwarz-weiße Huhn vor lauter streichelnden Kinderhänden kaum noch zu sehen ist.

Nach der Führung durch den Kräutergarten schmieren die Laubharts Butterbrote und bestreuen sie mit frischem Schnittlauch. Auch Katja Otto nimmt sich eine Scheibe. Die Lehrerin freut sich: "Es ist so wichtig für Kinder in diesem Alter rauszukommen. Besonders, weil viele aus sozial schwachen Familien sind. Ich bin mir sicher, dass sie nach dem Tag heute ein wenig mehr über ihr Essverhalten nachdenken", sagt sie und beißt in ihr Brot.

© SZ vom 27.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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