Landwirtschaft:Am Tropf von Brüssel

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Kirchheim: Kreisbäuerin Sonja Dirl Foto: Claus Schunk (Foto: Claus Schunk)

Bauern wie Kreisobmann Anton Stürzer wünschen sich faire Preise statt hoher Subventionen - und mehr Unabhängigkeit

Von Anna-Maria Salmen, Kirchheim

In den vergangenen Wochen ist die Landwirtschaft immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Nicht nur das Volksbegehren zum Artenschutz hat dazu beigetragen; auch Demonstrationen gegen eine neue Düngeverordnung fanden große Beachtung. Häufig wird nun auch über die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU diskutiert. Der Grund: Bei den Verhandlungen über den Finanzrahmen für die kommenden Jahre sieht sich die EU vor das Problem gestellt, dass der Austritt Großbritanniens ein Loch in Milliardenhöhe in den Haushalt reißen wird. Momentan gibt es daher Pläne, zum Ausgleich das Budget für die GAP zu kürzen, das in den vergangenen Jahren mit einem Anteil von knapp 40 Prozent den größten Posten in den Ausgaben darstellte. Damit gehen auch Diskussionen einher, wie die GAP in Zukunft gestaltet werden soll.

Aktuell besteht die GAP aus zwei Säulen. Die erste bilden die sogenannten Direktzahlungen: Jeder Landwirt erhält pro Hektar einen bestimmten Betrag, unabhängig davon, ob er Ackerbau oder Viehzucht betreibt. Dabei sind die Zahlungen an Auflagen geknüpft, beispielsweise in Bezug auf Umweltschutz. Zudem gibt es eine höhere Prämie für Betriebe mit geringer Fläche sowie eine Zusatzförderung für Junglandwirte. Insgesamt werden für die erste Säule etwa 75 Prozent der Ausgaben aufgewendet. Die zweite Säule soll Förderprogramme der Mitgliedsstaaten unterstützen und ist deshalb kofinanziert. Ziel ist es, den ländlichen Raum zu stärken. Bestandteile sind zum Beispiel Zahlungen für weitere Maßnahmen zum Umweltschutz oder der Ausgleich für Landwirte in benachteiligten Gebieten.

Kritiker fordern eine grundlegende Reform der Agrarpolitik: Sie bemängeln beispielsweise die Direktzahlungen, durch die ihrer Ansicht nach hauptsächlich große Betriebe profitieren, die ohnehin nicht auf Förderungen angewiesen sind. Naturschutzverbände kritisieren, dass der Umweltschutz momentan nicht ausreichend honoriert werde. Die Auflagen, die innerhalb der ersten Säule erfüllt werden müssen, seien nicht zielführend; die Mittel aus der zweiten Säule seien nicht ausreichend. Umweltverbände fordern daher, die Flächenprämie schrittweise abzuschaffen und stattdessen gezielt Leistungen der Landwirte unter anderem für Natur- und Tierschutz zu fördern.

Doch was halten diejenigen von der GAP, die am stärksten davon betroffen sind - die Landwirte selbst? Der Bayerische Bauernverband (BBV) weist darauf hin, dass die Subventionen der EU unerlässlich für viele Landwirte seien. Etwa die Hälfte des Einkommens eines bäuerlichen Betriebs machen diese im bayerischen Durchschnitt aus und sorgen so für Stabilität. Diese Abhängigkeit vom Staat stört jedoch viele, wie Anton Stürzer, Landwirt aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn und Kreisobmann des BBV, stellvertretend erzählt: "Wir möchten mit unserer ehrlichen Arbeit den Lebensunterhalt sichern können, ohne von Förderungen abhängig zu sein." Das bedeutet: Die Landwirte möchten lieber von fairen Preisen für ihre Produkte leben. "Das ist aber momentan nicht umsetzbar, deswegen brauchen wir die Zahlungen", so Stürzer.

Von den Vorwürfen, Naturschutz werde in der GAP zu wenig gewürdigt, hält der Bauernverband nicht viel. Denn Bio-Betriebe erhalten zusätzliche Förderungen, in Bayern würden außerdem durch das sogenannte Kulturlandschaftsprogramm etwa 75 Prozent der Mittel aus der zweiten Säule für Agrarumweltmaßnahmen und Ökolandbau genutzt - mehr als in jedem anderen Bundesland. Laut Stürzer wird das Programm von den Landwirten sehr gut angenommen. Auch das Argument, dass nur große Betriebe von den flächengebundenen Direktzahlungen profitieren würden, entkräftet er: Durch die höhere Prämie für die ersten Hektar würden viele kleine und mittlere Höfe unterstützt.

Als großes Hindernis sehen die Landwirte die Bürokratie, die durch die GAP aufkommt. "Es geht in der Ausbildung kaum noch um die eigentliche Landwirtschaft, sondern hauptsächlich um die Maßnahmen, die man einhalten muss", sagt ein Bauer aus dem Landkreis, der anonym bleiben möchte. Wenn man die Richtlinien nicht genauestens befolge, müsse man zudem mit hohen Strafen rechnen, fügt eine seiner Kolleginnen hinzu. "Die EU stellt von oben Forderungen, und wir müssen sie umsetzen", sagt Kreisbäuerin Sonja Dirl aus Kirchheim, die gleichzeitig auf ein weiteres Problem hinweist: Ob man in Finnland Viehzucht betreibt oder in Süditalien Gemüse anbaut, ist schließlich ein fundamentaler Unterschied. "Jedes Land, sogar jede Gegend ist anders. Das muss man ganz speziell sehen, und das macht es unwahrscheinlich schwierig", so Dirl.

Trotz aller Kritik an der GAP räumt der BBV ein, dass diese ihre Herausforderungen "verhältnismäßig gut" meistere. Und auch Christian Hierneis vom Bund Naturschutz gibt zu: "Ohne die EU hätten wir keine so hohen Umweltstandards in Deutschland."

© SZ vom 18.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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