Landtagswahl: Podiumsdiskussion:Erstwähler und alte Hasen

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In der Aula der Fachoberschule Unterschleißheim diskutierten (von links) Robert Hamm (Die Linke), Claudia Köhler (Grüne), Annette Ganssmüller-Maluche (SPD) sowie (von rechts) Thomas Jännert (FDP), Susann Enders (Freie Wähler), Rainer Gross (AfD), und Ernst Weidenbusch (CSU); Moderation: Sina Fateminejad (Mitte links) und Oscar Franz. Foto: Peter Knoll (Foto: privat)

Bei einer Podiumsdiskussion in Unterschleißheim beziehen Landtagskandidaten Stellung zu Jugendthemen und fallen auch mal aus der Rolle.

Von Kaja Weber, Unterschleißheim

Bei einer Veranstaltung für Jugendliche und Erstwähler in Unterschleißheim haben die Besucher hautnah erlebt, dass Politik ein emotionales Geschäft ist. Die 18- und 19-jährigen Moderatoren hatten es trotz guter Vorbereitung nicht leicht. Als zum Thema Wohnraum nicht jede Behauptung ausdiskutiert wurde, drohte Ernst Weidenbusch (CSU) gar den Saal zu verlassen. Organisiert hatte die Diskussion, zu der sich etwa hundert Zuhörer versammelten, das Jugendparlament Unterschleißheim. Es ging unter anderem um beruflichen Nachwuchsmangel und das politische Interesse von Jugendlichen. Die Direktkandidaten der Landtagswahl für den Stimmkreis München-Land Nord der Parteien CSU, SPD, Grüne, Die Linke, FDP und AfD saßen dabei mit einer Vertreterin der Freien Wähler auf dem Podium.

Im Landkreis herrscht Lehrlings- und Fachkräftemangel. Thomas Jännert (FDP) sprach sich in diesem Zusammenhang für eine "Aufwertung" von Real- und Mittelschulen aus. Handwerkliche Berufe werde es trotz Digitalisierung immer brauchen, und "das Tablet wechselt uns nicht den Wasserhahn", sagte der gelernte Industriekaufmann und studierte Wirtschaftsingenieur. Claudia Köhler (Grüne) hingegen meinte, die Berufswahl hänge nicht unbedingt mit der Schulform zusammen. Sie halte es für wichtiger, Schüler schon früh an Betriebe heranzuführen, etwa durch längere Praktika auch schon vor der 10. Klasse. Sie beklagte aber ebenfalls, dass die Hauptschule lange "sterben gelassen wurde", man habe sich nicht gekümmert.

Rainer Gross (AfD) sprach von einem "traditionell hervorragendem Bildungssystem" in Deutschland. Er sehe nicht, dass handwerkliche Berufe grundsätzlich abgehängt würden. Durch die Digitalisierung würden sich Berufsbilder in Zukunft aber verändern, darauf müsse man mit einem moderneren Schulsystem und besser qualifierzierten Lehrkräften reagieren, so Gross. Robert Hamm (Die Linke) und die stellvertretende Bezirksvorsitzende der Freien Wähler in Oberbayern Susann Enders plädierten dafür, Arbeitskräfte "ordentlich zu bezahlen". Gerade in Pflegeberufen mache auch die finanzielle Wertschätzung einen Unterschied, so Enders. Sie hatte selbst lange als OP-Schwester gearbeitet. Ernst Weidenbusch (CSU) sagte hingegen, dass eine bessere Bezahlung für den Fachkräftemangel wenig Unterschied machen würde, das Problem liege in einer zu niedrigen Geburtenrate. Würde man die vorhandenen Angestellten besser bezahlen, würden es trotzdem nicht mehr, so der Landtagsabgeordnete.

Laut Annette Ganssmüller-Maluche (SPD) fehlt es in allen Schulformen an Informationen darüber, welche Berufsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Außerdem kritisierte sie, dass vor allem die als erfolgreich angesehen würden, die gut "nacherzählen und auswendig lernen" könnten. Als Journalistin habe sie oft Schüler getroffen, doch "selten war der Einser-Abiturient ein interessanter Gesprächspartner", so Ganssmüller-Maluche. Sie würde die Schule in Bezug auf kritisches Denken reformieren wollen, es müssten auch mehr politische Diskussionen stattfinden.

Wie man junge Menschen langfristig für Politik begeistern kann, war ein Thema des Abends. Bereits früh in der Debatte sprach Robert Hamm an, dass Schüler heute unter einem großen Leistungsdruck stünden. Dabei bleibe zu wenig Zeit für ehrenamtliches Engagement. Außerdem sprach er sich für eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre aus. Teilhabe müsse schon früh gelernt und immer wieder eingeübt werden, sagte Claudia Köhler. Thomas Jännert und Susann Enders meinten, es bräuchte unkompliziertere politische Prozesse, Rainer Gross plädierte für mehr "direkte Demokratie". Mehrere Podiumsgäste sprachen in diesem Zusammenhang auch davon, man müsse junge Menschen tatsächlich ernst nehmen, wenn sie sich politisch engagierten.

Gelebt wurde das am Samstagabend aber nicht immer. Weil er mit der Diskussionsführung nicht einverstanden war, versuchte Ernst Weidenbusch wiederholt, die Moderatoren in Gespräche zu verwickeln, während bereits anderen Rednern das Wort erteilt worden war. Später saß er minutenlang mit einem Smartphone in der Hand auf dem Podium, ohne aufzublicken. Auch Ganssmüller-Maluche und Köhler suchten zeitweise eher die direkte Konfrontation mit Weidenbusch, als auf die inhaltlichen Fragen des Jugendparlaments einzugehen. Eine Nachfrage etwa überging Ganssmüller-Maluche mit den Worten: "Das interessiert mich im Moment nicht."

Die Veranstaltung richtete sich vornehmlich an Jugendliche und Erstwähler, im Publikum saßen neben Schülern aber auch Parteimitglieder und Erwachsene aus Unterschleißheim. Nach Schätzungen des Bayerischen Landesamtes für Statistik können bei der Landtagswahl am 14. Oktober knapp 599 000 wahlberechtigte Erstwähler in Bayern ihre Stimme abgeben - davon 15 000 in den Stimmbezirken München-Land Nord und Süd.

© SZ vom 17.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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