Abschied von Hartz IV:Landratsamt rüstet sich für Folgen der Sozialreform

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Der gesetzliche Mindestlohn stieg zuletzt 2022 auf zwölf Euro je Stunde. Nun soll er in den kommenden zwei Jahren auf 12,82 Euro steigen. (Foto: Ute Grabowsky/imago images/photothek)

Die Behörde erwartet einen höheren Personalaufwand durch das Bürgergeld und das Wohngeld-Plus-Gesetz.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis München

Noch ist nicht entschieden, ob, wann und in welcher Form das von der Ampel in Berlin beschlossene Bürgergeld kommen wird. Den Start der "größten sozialpolitischen Reform seit 20 Jahren", wie Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) das Projekt genannt hat, zum 1. Januar 2023 hat die Union im Bundesrat vorerst blockiert. Jetzt ist der Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat am Zug. Auf den Landkreis München und das Landratsamt aber haben beide Vorhaben bereits jetzt massive Auswirkungen. Denn die Behörde von Landrat Christoph Göbel (CSU) plant mit der termingerechten Einführung des Bürger- und Wohngeldes - und massiv steigenden Fallzahlen.

"Selbst kritische Stimmen in Berlin sprechen sich ja nicht gegen die Erhöhung des Bürgergeldes aus", sagte der Landrat in der jüngsten Sitzung des Sozialausschusses des Kreistags. Und das sogenannte Wohngeld-Plus-Gesetz hat den Bundesrat bereits passiert und wird den Mitarbeitern im Landratsamt deutlich mehr Arbeit bescheren. "Wir gehen von einer verdreifachten Menge an Menschen aus, die künftig in den Genuss von Wohngeld kommen werden", so Göbel. "Damit haben wir auch erhöhte Personalkosten." Diese Einschätzung beruht auf Angaben der Bundesregierung, die vorrechnet, dass von 2023 an etwa zwei Millionen statt bisher 600 000 Haushalte Wohngeld beziehen könnten. Im Landkreis München beziehen derzeit etwa 1200 Menschen Wohngeld. Um den erwarteten Mehraufwand in der Behörde alleine im Bereich Wohngeld bewältigen zu können, hat das Landratsamt in den laufenden Beratungen über Kreishaushalt 2023 sechs Stellen beantragt.

Die Zahl der Leistungsempfänger steigt

Wer bisher Hartz IV in der Regelbedarfsstufe 1 erhalten hat, bekommt mit dem neuen Bürgergeld künftig bundesweit statt 449 Euro pro Monat 502 Euro. Auch in diesem Bereich rechnet das Landratsamt mit weiter steigenden Fallzahlen. Und dies hat vor allem mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und der damit verbundenen Fluchtbewegung aus dem Land sowie einer Gesetzesänderung zum 1. Juli dieses Jahre zu tun. Denn seitdem fallen ukrainische Geflüchtete nicht mehr unter das Asylbewerberleistungsgesetz, sondern werden nach den Regeln des Sozialgesetzbuches (SGB II) behandelt.

Dadurch sei die Zahl der sogenannten Bedarfsgemeinschaften im Landkreis München, die Anspruch Leistungen nach SGB II haben, im Juli sprunghaft von nahezu 4000 auf mehr als 5000 angestiegen, berichtete Andreas Pfaffinger, Fachbereichsleiter im Referat Soziales im Landratsamt, und diese Zahl werde im kommenden Jahr vermutlich weiter ansteigen. Das Landratsamt hat bei der Personalplanung daher auch einen Puffer eingebaut, insgesamt 46 neue Stellen sind alleine für die Betreuung und Integration ukrainischer Schutzsuchender vorgesehen, im Haushalt aber noch nicht freigegeben - sie können erst dann besetzt werden, wenn die Zahl Geflüchteter aus dem Land im kommenden Jahr erneut drastisch ansteigen sollte.

Wenn das Bürgergeld zum 1. Januar kommt, wird es der Landkreis München wie schon bisher den Hartz-IV-Satz freiwillig aufstocken, um den Menschen angesichts der hohen Lebenshaltungskosten unter die Arme zu greifen. In der Regelbedarfsstufe 1 legt der Landkreis noch einmal 15 Euro im Monat oben drauf, sodass die Leistung hier bei 517 Euro liegen wird. Diese Erhöhung des Bürgergeldes durch den regionalen Regelsatz um 2,9 Prozent war in einem Gutachten des Instituts für empirische Sozial- und Wirtschaftsforschung Berlin empfohlen worden, in dem nachgewiesen wurde, dass die Lebenshaltungskosten im Landkreis München deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegen.

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