Ladensterben:Das letzte Kapitel

Lesezeit: 3 min

Für den Buchladen von Irmgard Mannes (links) und Heidi Dudek-Mannes gab es nach 35 Jahren keine Rettung mehr. Die Schwestern sperren ihr Geschäft Ende März zu. (Foto: Robert Haas)

Nach 35 Jahren schließt der einzige Buchladen in Ismaning - eine Folge veränderten Kaufverhaltens

Von Irmengard Gnau, Ismaning

Die Titel strahlen immer noch aus den Regalen, Romane stapeln sich auf den Büchertischen in der Mitte des Ladens und laden zum Schmökern ein, aus der Ecke locken bunte Kinderbücher zum Kauf. Und auch die Gesichter der Expertinnen hinter der Theke sind freundlich wie immer. Dennoch meint man dieser Tage einen Hauch von Wehmut durch den Buchladen am Korbinianplatz schweben zu spüren. Für den Laden sind die letzten Wochen angebrochen. 35 Jahre nach der Eröffnung haben die Inhaberinnen Irmgard Mannes und Heidi Dudek-Mannes beschlossen, ihr Geschäft in Ismaning aufzugeben.

Die Entscheidung haben sich Mannes und Dudek-Mannes nicht leicht gemacht. "Wir haben die Reißleine gezogen", sagt Mannes. Der Umsatz war in den vergangenen Jahren stetig zurückgegangen, der Steuerberater sprach nur mehr vom "Hobby-Charakter" des Unternehmens. "Diese klassische Art von Buchladen hat sich offensichtlich leider überlebt", sagt Mannes und lässt den Blick über die etwa 100 Quadratmeter große, liebevoll eingerichtete Ladenfläche schweifen. Sie haben einige treue Stammkunden, das ja, doch der Mittelbau wächst kaum nach, haben Mannes und Dudek-Mannes beobachtet. "Zwischen 30 und 40 kaufen die Leute allenfalls mal Kinderbücher für ihren Nachwuchs", sagt Dudek-Mannes.

Das war längst nicht immer so, berichten die Inhaberinnen. Als Ute Volz 1983 den Buchladen am Korbinianplatz eröffnete, war Mannes - Lehrerin in der Erwachsenenbildung mit einer Liebe für Literatur - schon dabei, zunächst nur im operativen Geschäft. Die Gründerin verunglückte einige Jahre später tödlich bei einem Autounfall und Mannes stand vor der Entscheidung, den Laden selbst fortzuführen oder aufzugeben. Der Beschluss, dass es weitergehen muss, war rasch gefasst, das eingespielte Team eine große Stütze bei der Übernahme. 2002 holte Mannes ihre Schwester Heidi Dudek-Mannes, studierte Historikerin und ebenfalls in der Erwachsenenbildung tätig, als Mitinhaberin ins Geschäft. In den Folgejahren sei die Nachfrage gut gewesen, berichten die Schwestern. Mit ihren Mitarbeiterinnen bieten sie Beratung an, stellen regelmäßig ihre persönlichen Empfehlungen vor. Doch seit zehn Jahren lässt das Geschäft stark nach.

Der Buchladen in Ismaning ist nicht der einzige, den nun die Schließung ereilt. Viele kleine Läden in der Gemeinde kämpfen um ihren Bestand. Vor zwei Jahren erst gab der Inhaber von "Bücher am Schloss" in Oberschleißheim auf. Die Konkurrenz durch den Online-Handel ist stark, bei dem Kunden bequem vom Sofa aus Kleidung, Haushaltswaren oder eben Bücher bestellen können. Das sei sicher ein Grund dafür, dass sich kleine Buchläden schwer tun, sagt Mannes. Aber wohl nicht der einzige. Kommt Lesen aus der Mode? Statistiken legen zumindest nahe, dass heute weniger Menschen Bücher lesen als noch vor einigen Jahren. "Es gibt heute so viele Möglichkeiten, sich zu beschäftigen, da fällt das Buch hinten runter", sagt Mannes. Dem statistischen Jahrbuch zufolge haben Privathaushalte in Deutschland ihre durchschnittlichen Ausgaben für Bücher von 13 Euro im Jahr 2006 bis 2016 auf zehn Euro reduziert. Der Börsenverein des deutschen Buchhandels zieht hingegen eine optimistische Bilanz: 2018 sei der Umsatz der Branche stabil gewesen, nachdem er 2017 gesunken war - wohlgemerkt bezogen auf alle zentralen Vertriebswege, darunter auch der E-Commerce über Amazon.

Mannes und Dudek-Mannes wollen nicht zu schwarz malen für ihre Branche. "Aber es braucht junge Ladeninhaber, die sich auch auf neue Medien und Entwicklungen einstellen", sagt Mannes. Ein Café mit dem Buchverkauf kombinieren, E-Books und Reader bereithalten, das Sortiment um Geschenke erweitern, Konzerte veranstalten - alles Strategien, mit denen andere Ladenbesitzer experimentieren. "Aber dieses Vielerlei wäre nicht unseres gewesen", sagt Mannes. Trotz langer Suche hat sich kein geeigneter Nachfolger für den Laden gefunden. Die beiden Schwestern haben inzwischen mit ihrer Entscheidung leben gelernt. "Wir sind beide im Rentenalter", sagt Dudek-Mannes. Sie erinnert an das Tragen der schweren Bücherstapel, Auslieferfahrten, das lange Stehen im Laden. "Und wenn dann so wenig übrig bleibt ..." - der Satz bleibt unvollendet.

Diese Abwägung macht den Abschied vielleicht ein wenig leichter. Auch das Wissen, dass die Mitarbeiter anderweitig unterkommen werden. Mitte März soll es noch ein Abschiedsfest mit den Kunden geben. Sie selbst werden sich auch zu beschäftigen wissen, Kurse geben oder sich als Hilfsschöffin engagieren, vielleicht auch als Lesepatin. "Aber es wird auf jeden Fall eine große Umstellung", sagt Dudek-Mannes. Nicht zuletzt, ergänzt Mannes, müssten sie sich eine neue Buchhandlung suchen, um ihre Lesewünsche zu erfüllen.

Von Freitag, 1. Februar, bis Samstag, 2. März, findet der Räumungsverkauf des Ismaninger Buchladens am Korbinianplatz, Korbinianstraße 14, statt.

© SZ vom 31.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: