Kunst:Wild, bunt, verdreht

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Die Künstlerin Brigitte Doege-Schellinger trägt zwar selbst gern Schwarz-Weiß, liebt aber in ihrer kreativen Arbeit den lustvollen Umgang mit Farbstiften. Derzeit sind zahlreiche ihrer Werke in Ottobrunn zu sehen

Von Sophie Kobel, Ottobrunn

Brigitte Doege-Schellinger hat schwarz-weiße Haare, die eine kreisrunde schwarze Brille umrahmen und trägt eine weiße Bluse zur schwarzen Hose. Aber eines an dieser Frau könnte bunter nicht sein: ihre Kunst.

"Ich lebe von der Lust an Farben. Von den vielen kleinen Strichen, die überlagert werden und neue Farben bilden", sagt die Künstlerin und bleibt vor einem ihrer Werke stehen. Es zeigt die Abbildung einer lieblos zerknitterten Ausgabe der Bild-Zeitung. Doege-Schellinger hat die Artikel und Fotos teilweise detailgetreu abgezeichnet und geschrieben, aber teilweise auch wild, bunt und verdreht dargestellt. Es ist eines von 33 Werken, die an diesem Mittwoch auf ihrer Vernissage in der Galerie "Treffpunkt Kunst" des Kunstvereins Ottobrunn präsentiert werden. Einen Monat lang werden ihre Zeichnungen dort zu sehen sein.

Denn was für manch einen der Besucher von weitem nach Malerei mit Pinsel aussieht, sind Tausende Striche, die mit Farbstiften aufgetragen wurden. Genauer gesagt mit Stiften der Marke Faber-Castell, denn für diese Firma hat Doege-Schellinger jahrelang als Zeichnerin gearbeitet. Wenn bei einem der Aufträge mal wieder nicht der richtige Farbton dabei war, bat sie um das Zusenden jenes fehlenden Stiftes. "Aber sie schickten mir jedes Mal ganze Paletten und irgendwann hatte ich so viele Farbstifte daheim. Die wollte ich nicht einfach ungenutzt lassen", erzählt die gebürtige Münchnerin. Zuvor hatte sie als freiberufliche Künstlerin an verschiedenen Akademien gelehrt, eine eigene Farblehre geschrieben und Stoffe, Teppiche, Tapeten bis hin zu Fassaden designt. Sogar ein komplettes Service des Porzellan-Herstellers Rosenthal gibt es von ihr.

Designerin, Farbberaterin, Malerin und Autorin - die gebürtige Münchnerin Brigitte Doege-Schellinger ist - beruflich gesehen - quasi ein bunter Hund. (Foto: Claus Schunk)

Acrylmalereien, das Arbeiten mit Ölfarben, Monotypien - auch das alles hat sie vor gut zehn Jahren aufgegeben, für die Farbstifte. Mit Erfolg, ihre Werke fesseln auch die Besucher in Ottobrunn. Das erste Werk in der Reihe hängt direkt neben der Eingangstür und nennt sich "Japan". Im rechten oberen Teil sind zwei junge Frauen mit pechschwarzen Haaren beim Musizieren abgebildet. Sie sind jedoch keineswegs der Mittelpunkt des Werks. Doege-Schellinger liebt es, mit Auslassungen zu arbeiten. In diesem Fall hat sie auf einen braunen Packpapier-artigen Untergrund gezeichnet, der an vielen Stellen freigelassen wurde. Die vielen verschiedenen Blautöne wirken auf ihm besonders stark. Das Bild daneben trägt den Titel "Die Sportlichen" und zeigt junge Frauen in stylischer Trainingskleidung. Man merkt schnell, Doege-Schellingers Motive sind vielfältig. Und oftmals zufällig gewählt: "Ein Lieblingsmotiv habe ich sowieso nicht. Das ist für mich zweitrangig, die Farbe steht immer an erster Stelle. Manchmal habe ich überhaupt keine Idee und fange einfach an irgendeiner Ecke an", erzählt sie. So war es auch mit der Zeichnung der Bildzeitung: "Die lag genau so auf dem Tisch, die Schlagzeile war Heiko Maas' neue Liebelei. Ich habe angefangen, alles außenherum zu malen. Darum der Titel 'Heimliche Liebesaffaire'", sagt sie.

Geht man die Treppe in der Galerie hinunter und wirft einen Blick in den hinteren Raum, sieht man das Stillleben eines gedeckten Tisches an der Wand hängen. Bei Doege-Schellingers Kunst wirkt allerdings nicht einmal das still. Es ist ein Durcheinander von tiefblauen Schüsseln, rot gemusterten Bechern, umgeworfenen Tüten und einem überquellenden Obstkorb in der Mitte. "Da hat mich ein Foto in der Zeitung inspiriert, von einem türkischen Fest", erzählt die Künstlerin lächelnd. Dann allerdings begutachtet sie ihr Werk mit Strenge: "Aber man muss aufpassen. Farbstift kann für meinen Geschmack sehr schnell zu brav wirken. Dafür muss ich dann immer aufstehen und vom Schreibtisch zur Staffelei wechseln", sagt sie. Die Lust an schönen Farbstiften, darüber hat Doege-Schellinger ein Buch ("Mit Farbstiften malen und zeichnen") geschrieben. Für ihre Studenten und alle anderen, denen dieses Gefühl aus Schultagen noch bekannt ist. Mit ein paar Texten zur Farblehre und der allgemeinen Wirkung von Farben. Aber vor allem mit vielen Anleitungen, die Schritt für Schritt zu kleinen schönen Zeichnungen führen.

Eines versucht Doege-Schellinger immer zu vermeiden: in ihren Farbstiftarbeiten brav zu wirken: Hier die hübsch zerknittere Ausgabe einer Bild-Zeitung. (Foto: Claus Schunk)

Die Ausstellung "Alles Farbstift" im Ottobrunner "Treffpunkt Kunst" dauert bis zum 6. Oktober

© SZ vom 08.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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