Rassismusdebatte:Dem Mohren geht es an den Kragen

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Am Donnerstag debattiert der Unterföhringer Gemeinderat darüber, ob der Kulturpreis umbenannt werden soll, dessen Bezeichnung zunehmend als rassistisch empfunden wird. Auch das Wappen steht zur Disposition.

Von Martin Mühlfenzl, Unterföhring

Saran Diané ist in Deutschland geboren, ihr Vater stammt aus Guinea, ihre Mutter ist Deutsche. Rassistische Anfeindungen hat die 18-Jährige immer wieder erlebt. "Ich glaube, wie jeder Mensch, der von anderen nicht als Deutscher angesehen wird", sagt die junge Frau, die seit der Kommunalwahl im Frühjahr für die SPD im Unterföhringer Gemeinderat sitzt. An diesem Donnerstag wird Diané mit ihren Kollegen im Gemeinderat über eine Bezeichnung sprechen, die sie als "zutiefst rassistisch" empfindet: das Wort Mohr.

In Unterföhring ist im Zuge der Black-Lives-Matter-Debatte, die aus den Vereinigten Staaten nach Europa herübergeschwappt ist, eine Diskussion darüber entbrannt, ob der Kulturpreis, den die Gemeinde jedes Jahr als Publikumspreis vergibt, weiter "Unterföhringer Mohr" heißen soll und darf. Die Gewinner des Preises, der 2008 erstmals vergeben wurde und den im Jahr 2017 etwa die "Wellbappn" in Empfang nehmen durften, erhalten eine kleine Statue aus schwarzem Marmor, die einen offenkundig dunkelhäutigen Knaben mit krausem Haar und breiten Lippen zeigt. Ein Motiv, das sich auch im Wappen der Gemeinde wiederfindet, das aus dem Jahr 1957 stammt und dem Herrschaftssymbol des alten Fürstenbistums Freising entliehen worden ist.

Der Gemeinderat wird sich in seiner Sitzung am Donnerstag der Frage annehmen, ob der Preis umbenannt oder möglicherweise ganz abgeschafft wird. Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (PWU) sagt auf Nachfrage der SZ, er sei offen für eine Diskussion. Diese gehöre auch zwingend in den Gemeinderat, gleichwohl er auch für sich persönlich festhält: "Für mein Dafürhalten braucht sich nichts zu ändern."

"Vollster Überzeugung" hätten die Gemeinderäte im Jahr 2008 einstimmig der Einrichtung des Kulturpreises und der Benennung nach dem Mohren zugestimmt, sagt Kemmelmeyer. "Der Preis ist die höchste Wertschätzung gegenüber den Künstlern, eine Ehrerbietung." Er verstehe aber auch, dass im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung eine neue Dynamik entstanden ist, die es vor zwölf Jahren so noch nicht gegeben habe. Daher hätte er auch nichts dagegen, den Kulturpreis eben nur noch Kulturpreis zu nennen, wenn Menschen den Begriff Mohr als rassistisch empfinden und sich daran stören.

Saran Diané empfindet so und spricht davon, dass Rassismus in der deutschen Gesellschaft noch tief verankert sei. Der Mohr spiegle dies wider. "Im Griechischen bedeutet der Begriff Mohr töricht, einfältig, gottlos", sagt die Gemeinderätin. In der Kolonialzeit seien schwarze Kinder als Sklaven verschenkt worden. Die Praxis, eine schwarze Büste als Preis zu verschenken, sei daher mehr als fragwürdig. Nach Ansicht Dianés bedarf es in der Gesellschaft noch immer Aufklärung über das Thema Rassismus. "Wenn ich mit Menschen spreche, heißt es oft, das mit dem Mohren sei doch nicht so problematisch. Aber wenn ich dann die Hintergründe erkläre, davon spreche, dass ich selbst rassistische Erfahrungen gemacht habe, dann verstehen viele plötzlich, dass es eben doch ein gesellschaftliches Problem ist", sagt die Gemeinderätin.

Die SPD-Gemeinderatsfraktion will am Donnerstag mit einem Vorschlag in die Diskussion einsteigen, die laut ihrem Fraktionschef Philipp Schwarz nach langer Beratung entstanden ist: Die nicht unerheblichen Kosten für die Herstellung der Büste sollten in Projekte gegen Rassismus in der Gemeinde gesteckt werden. "Wir wollen in die Zukunft schauen und keine Gräben aufreißen", sagt Schwarz. Diané gefällt der Vorschlag: "Wenn wir den Mohren abschaffen, ist er zwar weg, aber das Problem ist ja noch vorhanden. Wir sollten aktiv gegen Rassismus vorgehen."

Bürgermeister Kemmelmeyer findet, in Unterföhring oder auch der Nachbargemeinde Ismaning, die ebenfalls einen Mohren im Wappen trägt, habe es nie Debatten darüber gegeben, dass jemand rassistisch diskriminiert worden sei. "Unterföhring ist bunt und weltoffen", so der Rathauschef. Dennoch geht Kemmelmeyer einen Schritt weiter. Sollte sich der Gemeinderat dafür entscheiden, den Begriff Mohr beim Kulturpreis zu streichen, müsse "zwangsläufig" auch eine Debatte über das Wappen geführt werden. "So konsequent müssen wir dann schon sein."

So weit will Saran Diané noch nicht gehen. "Wir sollten die Diskussionen voneinander trennen. Jetzt geht es um den Kulturpreis und dabei sind wir als Gemeinderat in der Pflicht zu handeln", so die Sozialdemokratin. Es werde aber kein Weg daran vorbeiführen, auch über den Mohr im Wappen zu sprechen. "Weil es nicht nur Unterföhring betrifft."

© SZ vom 09.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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