Kreis und quer:Rückenwind für Weltenretter

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Kritiker laufen Sturm gegen ein Windbürgergeld. Aber egal, ob es kommt, die Stoßrichtung stimmt

Kolumne von Bernhard Lohr

Wenn alles neu ist, das Jahr noch frisch und unverbraucht, ist die Zeit gekommen, sich etwas vorzunehmen. Jeder darf rundheraus Ziele formulieren und sich für 2020 etwas wünschen. Besonders gilt das dieses Mal für die Kommunalpolitiker und alle, die es werden wollen. Hunderte bewerben sich im Landkreis im März um ein Amt in einem der 29 Kommunalparlamente oder sehen sich gar vor der Erfüllung ihres lange gehegten Wunsches, endlich Bürgermeister in ihrer Gemeinde zu werden.

Das Dumme in der Politik ist nur, dass man sich vornehmen und wünschen kann, was man will. Wenn der Bürger nicht mitspielt, ist alles für die Katz. Mit Selbstdisziplin, die einem vielleicht hilft, die Finger von den Zigaretten zu lassen, ist noch keine Wahl gewonnen, keine Politik gemacht. So ist das in der Demokratie.

Denn in der gehört immer dazu, dass der Politiker oder jener, der es werden will, den Bürger mit seinen Ideen erreicht und mitnimmt. Nur gemeinsam wird in der Politik ein Schuh draus. Jetzt hat die SPD in Berlin, die selbst zuletzt ja nicht unbedingt von sich behaupten konnte, mit ihren Vorstellungen die Menschen mitgerissen zu haben, den Vorschlag gemacht, mit einem Windbürgergeld die Akzeptanz von Windrädern bei den Bürgern zu erhöhen. So soll es gelingen, dass wir alle dem für 2020 gesteckten Ziel näher kommen, dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen.

Natürlich reden jetzt alle wieder mit. Manche halten es für eine eher windige Idee, Menschen ihre Überzeugung, dass mehr als 200 Meter hohe Windkraftanlagen kein Segen sind, abkaufen zu wollen. Es ist fraglich, dass sich Brunnthaler mit Geld umstimmen lassen, die glauben, dass eine vermeintliche Windkraftlobby ihren Hofoldinger Forst zerstören will. Und überhaupt. Warum soll jemand, der ein Windrad in den benachbarten Wald gesetzt bekommt, finanziell davon profitieren? Mit gleichem Recht könnte der Autobahnanrainer ein Autobahnbürgergeld verlangen und der Nachbar eines Sportplatzes ein Fangesangbürgergeld.

Wer angesichts des Gegenwinds aber ans Aufgeben denkt, ist in der Politik wohl falsch. Er könnte sich Rat bei den vielen Psychologen holen, die dieser Tage allen erklären, wie man erfolgreich abnimmt und bestimmt nicht wieder mit dem Rauchen anfängt. Also: Standhaft bleiben. Wer für sich ein klares Ziel formuliert hat, darf sich daran erinnern, sobald erste Zweifel kommen. Und wer in der Politik kleine Schritte geplant hat, hält auch stolpernd am eingeschlagenen Weg fest. Mancher Fachmann rät dazu, sich richtig hohe Ziele zu setzen. So genannte Optimalziele würden helfen, einen Prozess in Gang zu bringen. Der Weg sei doch das Ziel. Insofern ist das Windbürgergeld trotz des eigenartigen Namens bestimmt ein Schritt in die richtige Richtung, um die Welt zu retten. Dass alle Kommunalpolitiker, die im März zur Wahl stehen, sich mindestens als Weltenretter verstehen mögen, ist ein Wunsch, den viele zum Jahresbeginn teilen.

© SZ vom 04.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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