Kreis und quer:Mbepperl hat einen Lauf

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Es braucht mehr Bolzplätze wie jenen in Grasbrunn. (Foto: Claus Schunk)

Womöglich kickt der nächste Superstar schon im multikulturellen Schmelztiegel "Am Wald"

Kolumne von Udo Watter

Vor ein paar Jahren galt Heimat noch als eher altmodischer Begriff, aber aus diversen Gründen - von Globalisierungsängsten über Identitätssuche bis hin zur Furcht vor dem "Fremden" an sich - erlebt sie eine Renaissance als Objekt des Diskurses. "Dahoam is do, wo's Gfui is" hat es Otti Fischer alias Sir Quickly in der Serie "Irgendwie und sowieso" bairisch-genial zusammengefasst. Kein Ort, sondern ein Gefühl. Hm.

Der Landkreis München ist jedenfalls gut aufgestellt und profitiert derzeit von der wieder aufjodelnden Heimatseligkeit der Staatsregierung. Der Burschenverein Putzbrunn hat gerade den Heimatpreis Oberbayern gewonnen. Ismaning beherbergt im Schlossmuseum einen von hundert prämierten "Heimatschätzen" - eine Gedenktafel, welche die örtliche Krautverwertungsgenossenschaft 1900 bei der Weltausstellung in Paris erhielt.

Aber Herrgott, Malefiz! Die Heimaterde ist bedroht - vom Flächenfraß. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat sich diese Woche ja quasi als Lordversiegelungsbewahrer geout(let)et und das Volksbegehren gegen den grassierenden Flächenverbrauch als unzulässig abgelehnt. Bildlich gesprochen verschwinden im Freistaat, der hier deutschlandweit einsame Spitze ist, derzeit jeden Tag 14 Fußballfelder.

Im Hinterhof lernt man die Handlungsschnelligkeit

Das verheißt nichts Gutes für die Zukunft des deutschen Fußballs, zumal das DFB-Team fast immer nur dann Titel holte, wenn bayerische Spieler Schlüsselpositionen einnahmen. Andererseits: Vielleicht sind Grünflächen als Nährboden für den Kicker-Nachwuchs überschätzt. Spätestens seit dem Titelgewinn der Franzosen in Russland gelten die Pariser Banlieues ja als größte Talentschmieden der Welt. Allen voran Bondy, die Heimat von Kylian Mbappé, der dort in einem Sozialbau aufwuchs: Stadtrandzonen, wo tor- und lebenshungrige Jugendliche in Hinterhöfen lernen, handlungsschnell auf engem Raum den Gegner zu düpieren. Will der DFB wieder Anschluss an die Weltspitze gewinnen, sollte er sich in den Vorstädten umsehen, in den Banlieus von Berlin oder München. Auf den Landkreis kommt also eine epochale Aufgabe zu: Wer wird das Bondy von Bayern?

In Grünwald wohnen zwar traditionell gute Fußballer, aber dem Ort fehlt der betonraue Charme des täglichen Überlebenskampfes. Dingharting beherbergt mit Thomas Müller einen Weltmeister von 2014, ist aber zu idyllisch. Taufkirchen? Architektonisch und als multikultureller Schmelztiegel darf man der Siedlung "Am Wald" durchaus Banlieu-Charakter attestieren. Ähnliches gilt für die Hochhaussiedlung "Am Jagdfeld" in Haar.

Nicht zu vergessen Sepp Maier, der als Jugendspieler des TSV Haar vom Mittelstürmer zum Torhüter umgeschult wurde und später maßgeblich am WM-Triumph 1974 beteiligt war. Einige Hochhäuser gibt's auch in Unterschleißheim, das einwohnermäßig am ehesten an Bondy (54 000) heranreicht. Man darf also guter Hoffnung sein, dass spätestens bei der WM 2030 in Bahrain ein gewisser Kilian Mbepperl vom SV DJK Taufkirchen die Deutschen zum Titel schießt.

© SZ vom 21.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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