Kreis und quer:Der Landkreis als Wildpark

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Wer glaubt, dass Wildtiere die Einsamkeit der Wälder und Wildbäche suchen, täuscht sich. Längst fühlen sich zahlreiche Kreaturen heimisch im Landkreis

Von Bernhard Lohr

Alle zieht es in den Landkreis München. Wirklich alle wollen dort hin, wo es so viele gut bezahlte Arbeitsplätze gibt und wo es bekanntlich so schön ist. Dabei wurde bisher wenig beachtet, dass nicht nur junge Familien den Ballungsraum schätzen. Auch in der Tierwelt scheint sich, wie auch immer, die Nachricht zu verbreiten, dass hier ein gutes Auskommen zu finden ist. Tiger und Bär zogen bei Janosch noch los nach Panama. Heute zieht es Biber, Wildsau und angeblich sogar den Wolf auf der Suche nach dem Glück gen Putzbrunn.

Es gibt viele und ganz unterschiedliche Gründe, warum Wildtiere, die lange Zeit nicht mehr gesichtet wurden, wieder hier heimisch werden. Jedenfalls sieht sich jeder, der meinte, Wildtiere suchten die Einsamkeit der Wälder und Wildbäche, eines besseren belehrt. Sie wollen nicht dorthin, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Im Gegenteil. Sie suchen die Nachbarschaft zum Menschen. So landete in Ismaning schon einmal ein Biber im Gartenteich, und so stapfte zuletzt ein Wildschwein durch Pullach. In Putzbrunn wollte ein Waldarbeiter sogar einmal Auge zu Auge einem Wolf gegenübergestanden sein.

Das Ganze ging für den Mann gut aus. Doch Konflikte bleiben nicht aus. Vor allem die Landwirte sind wenig erfreut. Sie müssen verkraften, dass in einer Region, in der die Bodenpreise durch die Decke schießen, wegen der Biber wertvolle Flächen vernässen. Was der Biber in Ismaning, das ist die Wildsau im Süden, wo Bauern berichten, dass sich saumäßig aufführende Rotten in Maisfeldern und Kartoffeläckern wahre Schneisen der Verwüstung hinterlassen. Die Gemeinde Grünwald berät, wie Gartenbesitzer mit aufdringlichen Füchsen verfahren sollen, die lieber am Kompost nach Fressbarem suchen, statt im Forst dem Mittagessen hinterherzuhecheln. Nicht jedes Tier ist so unauffällig wie der putzige Feldhamster, der sich sicher mit allgemeiner Zustimmung rühmen darf, Wildtier des Jahres 2016 zu sein.

Der Landkreis München hat sich zum Wildpark entwickelt, in dem man im Unterschied zu Poing oder Blindham ohne Zäune auskommen muss. Die Untere Naturschutzbehörde betreibt stattdessen Bibermanagement auf hohem Niveau. Moderne Informationstechnologie soll helfen, der Wildsau Herr zu werden. Landwirte versprechen sich da einiges von einer App der Firma Wildlife Consulting (Wilcon). Das Schwarzwild-Informationssystem (SIS) soll Jägern helfen, einen Überblick zu bekommen, wo die wild herumstreunenden Schweine, die sie schießen sollen, überhaupt sind. Mensch und Tier werden lernen müssen, miteinander auszukommen. Noch lässt sich der Biber nicht abrichten, in Neubiberg kranke Bäume zu fällen, um den ebenfalls eingewanderten Laubholzbockkäfer zu bekämpfen. Den wollen wirklich alle loswerden.

© SZ vom 16.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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