Kommunalpolitik in Ottobrunn:Sozialdemokraten als Juniorpartner

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Thomas Loderer stützt sich auf neue Verbündete. (Foto: Claus Schunk)

CSU-Bürgermeister Thomas Loderer hat in der geschrumpften SPD-Fraktion eine verlässliche Stütze im Gemeinderat. Die Grünen müssen als zweitstärkste Gruppe ihre Rolle erst noch finden.

Von Martin Mühlfenzl, Ottobrunn

Es war keine große, politische Niederlage. Schließlich ging es ja nur um ein paar Luftpumpen, die im Ortsgebiet verteilt werden sollen, und etwas Werkzeug, um das eigene Radl wieder auf Vordermann zu bringen. Und doch enthielt die Abstimmung Mitte April im Ottobrunner Gemeinderat Brisanz. Denn Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) war es bis dahin eigentlich nicht gewohnt, im Gemeinderat auch mal einen Misserfolg verdauen zu müssen. Doch das Abstimmungsverhalten von Grünen, SPD, Bürgervereinigung Ottobrunn (BVO) und der beiden Räte von FDP und ÖDP machte deutlich: Es kann gegen die CSU und den Rathauschef regiert werden.

Wird es in der Regel im Ottobrunner Gemeinderat aber nicht. Denn so grundlegend haben sich die Mehrheitsverhältnisse bei der Kommunalwahl vor einem Jahr nicht verschoben. Der Absturz der SPD, die sich von sieben auf nur noch vier Mandatare reduzierte, war gleichermaßen der Aufstieg der Grünen, die mittlerweile mit neuen Gemeinderäten die zweitstärkste Fraktion sind. Und die CSU? Blieb mit 40 Prozent bei der Gemeinderatswahl und zwölf Gemeinderäten in etwa gleich stark wie sechs Jahre zuvor.

Wenn es um Fahrräder geht, ist man sich im Ottobrunner Gemeinderat nicht immer einig. (Foto: Claus Schunk)

"Schmerzhaft" sei das Wahlergebnis gewesen, sagt SPD-Fraktionschefin Ruth Markwart-Kunas rückblickend, und "unverdient". Ihr Fraktion habe gute Arbeit geleistet, aber der "Hype" um die Grünen habe dann Stimmen gekostet. Dass sie und ihre drei Mitstreiter dennoch nicht gewillt sind, Einfluss abzugeben, wurde in der konstituierenden Sitzung vor einem Jahr deutlich. Bei der Wahl der Stellvertreter paktierten die Genossen mit der CSU und wählten Monika Modrow-Lange (CSU) zur ersten Stellvertreterin und ihre eigene Kandidatin Ariane Wißmeier-Unverricht zur zweiten. Denn trotz des Einbruchs der SPD kommen CSU und die Genossen mit 16 Stimmen, den Bürgermeister eingeschlossen, auf die denkbar knappste Mehrheit.

Ein "etwas selbstherrlicher" Bürgermeister

"Blöde Mehrheitsverhältnisse", schimpft BVO-Chefin Erika Aulenbach, die der SPD vorwirft, den "Bürgerwillen" missachtet zu haben. Aus ihrer Sicht hätte der erste Stellvertreterposten der bei der Bürgermeisterwahl unterlegenen Kandidatin der Grünen, Tania Campbell, zugestanden, die in beiden Wahlen in der konstituierenden Sitzung unterlegen war. Aber "die Bürgermeister-Mehrheit" habe gestanden - also die SPD in ergebener Treue zum Bürgermeister. Nicht zuletzt seit diesem Zeitpunkt, so Aulenbach, sei die Zusammenarbeit im Gemeinderat mit dem Bürgermeister und auch der SPD "schwierig". "Etwas selbstherrlich" agiere Loderer seit einem Jahr, findet die BVO-Sprecherin. Das habe sie auch gemerkt, als sie mit einem Antrag mehr Transparenz bei der Darstellung der Gemeinderatsarbeit in der Öffentlichkeit eingefordert habe. Es war dabei etwa um Artikel im Gemeindeblatt Mein Ottobrunn gegangen, was Loderer abgelehnt hatte. Am Ende stand ein Kompromiss, den auch der Bürgermeister mittragen konnte, seitdem aber ist das Verhältnis zwischen ihm und Teilen der BVO zerrüttet.

Loderer selbst verschweigt nicht, dass er in der SPD einen verlässlichen Partner erkennt - und attestiert der BVO gleichzeitig ein "gehöriges Maß an Frust" wegen des verlorenen Sitzes bei der Kommunalwahl. CSU und SPD hätten zwar keinen "Koalitionsvertrag" geschlossen, aber es sei für ihn beruhigend, wenn seine Partei geschlossen stehe und die SPD bei Beschlüssen mitgehe. "Ich kann mir aber nicht zu sicher sein und will immer im Einzelfall überzeugen", so der Bürgermeister. Als natürlichen Partner will sich SPD-Chefin Markwart-Kunas nicht sehen, ihre Fraktion agiere eigenständig und bilde sich selbst eine Meinung, die auch nicht immer von allen Fraktionsmitgliedern mitgetragen werde, wie etwa beim Thema Neubau des Kunstrasenplatzes. Sie selbst erkenne vielmehr in vielen Bereichen, zum Beispiel beim Aufbau eines Radwegekonzeptes "eine große Nähe zu den Grünen", so Markwart-Kunas.

Den Grünen fehlt die Routine

Die müssen indes erst noch lernen, mit ihrem neuen Selbstvertrauen umzugehen. Die Fraktion finde sich, sagt Gemeinderat Dietrich Zeh, der seit einem Jahr neu im Gremium ist. Als "sehr angenehm" bezeichnet er die Atmosphäre, die Arbeit mache ihm Spaß. "Ich war auch etwas überrascht, wie zeitintensiv sie ist. Aber es ist für mich als Naturwissenschaftler eine neue Welt, die mich sehr interessiert", sagt Zeh. "Und wenn man etwas Routine bekommt, kann man auch viel bewegen." Ihm sei dabei nicht die Parteizugehörigkeit wichtig, er erkenne auch keine Front, die sich durch die Wahl der Stellvertreter aufgetan haben könnte. "Ich empfinde es eher so, dass alle aufeinander zugehen. Auch die Verwaltung im Rathaus ist sehr offen bei Fragen und reagiert immer sehr schnell", findet er lobende Worte.

Fakt ist, die Arbeit im neuen Ottobrunner Gemeinderat ist lebhafter geworden - trotz Corona, des ewigen Abstand haltens, der Masken. Dennoch knirscht es manchmal etwas, das kam früher seltener vor. So attestiert Loderer den Grünen, sie wollten vor allem Opposition sein: "Aber inhaltlich haben sie mich noch nicht überzeugt, da können auch hie und da ein paar markige Worte nicht darüber hinwegtäuschen." Und wenn er schon dabei ist, Seitenhiebe zu verteilen: "Ja, manche Dinge sind lebhafter geworden. Aber in der zweitgrößten Fraktion sind auch viele neue dabei, die noch nicht sichtbar angekommen sind." Rückblickend sagt Loderer, hätte es einigen Grünen wohl nicht geschadet, "ein paar Kurse bei der Hanns-Seidel-Stiftung zu besuchen" - des CSU-nahen Vereins, der auch Angebote für frisch gewählte Gemeinderäte bereit hält.

Einen Kurs soll es im Oktober zwar nicht geben, aber eine gemeinsame Fahrt aller Gemeinderäte in die Partnergemeinde Margreid in Südtirol. Die soll dann dabei helfen, sich näher kennenzulernen, falls es die Pandemie zulässt. Denn noch gibt es offenkundig ein paar Ungereimtheiten im neu gewählten Gremium, die ausgeräumt werden sollten.

© SZ vom 17.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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