Kita "Arche Noah":Energiesparhaus mit hohen Nebenkosten

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Das Kinderhaus „Arche Noah“ in Höhenkirchen-Siegertsbrunn ist nicht so nachhaltig wie geplant. (Foto: Claus Schunk)

Höhenkirchen-Siegertsbrunn wollte ein besonders innovatives, nachhaltiges Kinderhaus bauen. Doch die Technik funktioniert nur bedingt und muss permanent von einem eigens eingestellten Hausmeister betreut werden.

Von Cristina Marina, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Das Kinderhaus "Arche Noah" sollte nicht nur den Mangel an Kinderbetreuungsplätzen in Höhenkirchen-Siegertsbrunn lindern, sondern dies auch auf besonders energiesparende Weise tun. Der Bund förderte den fünf Millionen Euro teuren Bau mit 1,2 Millionen; damit sollten technische Innovationen in der Praxis erprobt werden. Jetzt stellt die Gemeinde fest, dass der Unterhalt des fünf Jahre alten Gebäudes mit hohen, unvorhergesehen Kosten verbunden ist. Obwohl eine Untersuchung der Hochschule Rosenheim zahlreiche Mängel auflistet, verbuchen die Verantwortlichen den Bau als Erfolg: Planer, Architekten, auch die Geldgeber - fast alle führen das Kinderhaus als Vorzeigeprojekt auf. Zumindest solange niemand genau nachfragt.

Über die Schwachstellen des Projektes redet kaum jemand, auch - oder gerade - diejenigen nicht, die heute unter den hohen Folgekosten leiden und dies auf unbestimmte Zeit noch werden tun müssen. Kaum einer redet, obwohl der Zweck eines Pilotprojektes eigentlich genau darin besteht: die Erfahrungen mitzuteilen, damit andere daraus lernen. Doch mehrere Brancheninsider verraten, dass der Gebäudebau in Höhenkirchen-Siegertsbrunn keinen Einzelfall darstellt. Vielmehr sei der Fall typisch vor allem für öffentlich finanzierte Bauprojekte.

"Es wäre schön, wenn es einen offenen Umgang mit Fehlern gäbe", sagt Doris Laase vom Projektträger Jülich, die das Vorhaben im Namen des Bundeswirtschaftsministeriums betreut hat. Derzeit werde an einer Plattform gearbeitet, die alle Informationen über öffentlich geförderte Unternehmungen sammeln und leicht zugänglich machen sollte. Was der betriebene Aufwand der Gemeinde Höhenkirchen-Siegertsbrunn eingebracht hat, betrachtet Laase als "ambivalent". Als Blaupause für zukünftige Vorhaben diene das Bauprojekt zwar nicht, doch viele der Ansätze seien im Kern richtig, wie andere Erfahrungen gezeigt hätten.

Ehrgeiziges Projekt mit "intelligenter Steuerung"

Die "Arche Noah" war ein ehrgeiziges Projekt. Das Haus sollte aus "natürlichen und nachwachsenden Rohstoffen" bestehen, wie Holz und Lehm, und am Ende nicht nur Strom einsparen, sondern als sogenanntes Plusenergiehaus sogar welchen erzeugen. Sonne und Wasser sollten Strom und Heizwärme liefern, das Gebäude sollte sich über Nachtlüftung von selbst abkühlen, während eine "intelligente Steuerung" das alles aufs Effizienteste regeln sollte. Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik hatte mit dem ausgeklügelten Vorschlag einen Wettbewerb des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gewonnen. Das Haus nahm im Oktober 2013 den Betrieb auf. Zwei Jahre lang überwachte die Hochschule Rosenheim als vom Bund eingesetzte unabhängige Prüfstelle den Betrieb. Der Abschlussbericht liest sich ernüchternd.

Das Fazit: An sich spart das Haus Energie. Doch an bestimmten Stellen wird es schwierig, von Effizienz zu sprechen. Die Wärmepumpen sowie die Steuerung der gesamten Technik weisen laut Bericht einen "auffallend" hohen Energieverbrauch auf. Schäden an der Solaranlage, die durch Sturm und Blitzeinschlag verursacht wurden, konnten erst nach langwierigen Absprachen zwischen den Versicherungen der Bauverantwortlichen behoben werden. Unterdessen musste für das Haus, ungeachtet seiner aufwendigen Technologie, Strom eingekauft werden.

Krach, trockene Luft und dunkle Bereiche

Die größten Probleme ergeben sich laut Bericht jedoch aus der Interaktion mit den Nutzern des Hauses. Stark vereinfacht sieht es so aus: Sollte es energiesparend zugehen, wird es im Haus besonders laut, was weder der pädagogischen Arbeit noch den Schlaf- und Ruhezeiten der Krippe zuträglich ist. Greift der Mensch ein, also macht das Kita-Personal beispielsweise die Türen zu, geht im Umkehrschluss die räumlich sehr genau ausgerechnete Energieeffizienz verloren. Weitere Beeinträchtigungen ergeben sich durch trockene Luft oder zu dunkle Bereiche, die durch die automatisierte Lichtregelung verursacht werden. Auch hier führen manuelle Eingriffe zu einem "erheblich größeren" Energieverbrauch, wie es in dem Bericht heißt. Diese Probleme seien noch immer aktuell, bestätigt Bürgermeisterin Ursula Mayer (CSU). Zahlen will sie allerdings nicht nennen. Das Rathaus hat auf die Probleme reagiert, indem es einen Hausmeister eingestellt hat, der das intelligente Gebäude von Hand steuert.

Ernst Rummel beherrscht die komplizierte Technik des Hauses. (Foto: Claus Schunk)

Aus Sicht des Geldgebers sei das ratsam, erklärt Doris Laase. Die Gebäude der Zukunft würden mehr Betreuung brauchen, sie seien nicht mehr so einfach zu nutzen wie die alten. "Das ist für uns alle eigentlich Neuland", sagt Laase. Wusste die Gemeinde vom Beginn an, dass ihr zusätzliche Personalkosten drohten? "Eine gute Frage", sagt Laase. Das Förderprogramm verpflichte die Bewerber in dieser Hinsicht nicht. Also eher: Nein.

Es bleibt also die Frage: Wie konnte ein derart ambitioniertes Vorhaben, von klugen Köpfen geplant und umgesetzt, dermaßen hinter den Erwartungen zurückbleiben? "Das ist der Unterschied zwischen gut gemeint und gut gemacht", sagt Mathias Wambsganß, Professor an der Hochschule Rosenheim. Er und sein Team haben den Abschlussbericht geschrieben. "Es scheint, als hätten alle von diesem Projekt sehr viel gewollt", sagt Wambsganß. "Und dabei unterschiedliche Interessen verfolgt."

© SZ vom 03.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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