Kirchheimer Ortsmitte:Finaler Beschluss

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Der Kirchheimer Gemeinderat entscheidet nächste Woche über die Gestaltung der Ortsmitte. Nun soll der Schlusspunkt unter eine seit mehr als 40 Jahre währende Debatte gesetzt werden. Nicht alle sind mit den Ideen des Bürgermeisters einverstanden, sie stellen Bedingungen

Von Christina Hertel, Kirchheim

Einer findet ziemlich klare Worte, Gerd Kleiber von der FDP sagt: "Irgendwann machen wir uns lächerlich." Auch der Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) wird deutlich: "Die Leute glauben schon gar nicht mehr, dass das Ganze jemals kommt."

Die beiden sprechen von einem Thema, das die Gemeinde schon seit fast 40 Jahren umtreibt: ihre Ortsmitte und damit auch die Frage, wie und ob die beiden Ortsteile Kirchheim und Heimstetten zusammenwachsen sollen. Am Dienstag, 4. Oktober, entscheidet der Gemeinderat über die mittlerweile dritte Planung. Für Böltl ist klar: Lehnt das Gremium sie ab, ist das Projekt gescheitert.

Wenn Bürger nicht mehr daran glauben, dass es jemals ein gemeinsames Zentrum geben wird, kann man ihnen das wohl kaum verübeln. Vor gut sieben Jahren konnten sie selbst ihre Wünschen und Visionen dafür einbringen. Auf dieser Grundlage lobte die Gemeinde einen Architekturwettbewerb aus, ein Sieger wurde ermittelt, doch gebaut wurde nichts. Dafür weiter geplant, überarbeitet, gefeilt - im Grunde bis heute.

Am Ende soll ein Bürgerentscheid Gewissheit bringen

Weil sich in der Zwischenzeit so viel verändert hat, will Böltl die Bürger noch einmal miteinbeziehen - mit Bürgerdialog, eigener Website über das Vorhaben und am Ende einem Bürgerentscheid. Bei so einem Thema, das schon seit so vielen Jahren in der Gemeinde diskutiert wird, will Böltl den Rückhalt der Menschen, obwohl er sagt: "Den wesentlichen Teil des Siegerentwurfs von damals haben wir beibehalten."

Damit meint er den Ortspark, der sozusagen als grüne Lunge Kirchheim und Heimstetten miteinander verbinden soll. In ihm sollen Einrichtungen der Gemeinde wie Rathaus, Kindertagesstätte und das neue Gymnasium errichtet werden.

Verändert wurde seit 2011 trotzdem einiges. Zum Beispiel ist die Fläche des gesamten Umgriffs in dem neuen Entwurf nur noch halb so groß wie geplant. Sie ist von etwa einem Hektar auf etwas weniger als 500 000 Quadratmeter geschrumpft. So fällt etwa das Gebiet südöstlich des Lindenviertels und östlich vom Heimstettener Moosweg weg. Auch der Ortspark wird kleiner, weil auf dem Gebiet das neue Kircheimer Gymnasium stehen soll. Für den Park bleibt eine Fläche von etwa 100 000 Quadratmetern.

Verändert haben sich auch die Anteile von Mehr- und Einfamilienhäusern. 70 Prozent Ein- und 30 Prozent Mehrfamilienhäuser waren 2011 geplant. Das Verhältnis hat sich inzwischen so weit verschoben, dass fast so viel Fläche für Reihen- wie für Mehrfamilienhäuser verwendet werden soll. Böltl gibt zu, dass er früher selbst ein Befürworter von einer möglichst großen Zahl an Einfamilienhäusern war.

In punkto Einfamilienhäuser hat Böltl seine Meinung revidiert

Doch er habe seine Meinung korrigiert. Der Immobilienmarkt habe sich in den vergangenen Jahren verändert. Außerdem höre er immer wieder, dass Senioren gerne aus ihrem Haus in eine barrierefreie Wohnung umziehen würden. Aus Böltls Sicht haben sich die Pläne gegenüber 2011 verbessert. Doch entscheiden, ob sie realisiert werden, kann der Bürgermeister alleine nicht. Er braucht am Dienstag die Mehrheit seines Gemeinderats. Und die Stimmung in dem Gremium ist gespalten.

Gerd Kleiber von der FDP ist zufrieden. Er findet alle Veränderungen gut und sinnvoll - vor allem, dass durch die größere Zahl von Mehrfamilienhäusern auch mehr günstiger Wohnraum geschaffen werden soll. Ein Punkt, der Stephan Keck von der SPD ebenfalls gefällt. Seine Fraktion hat immer gefordert, dass auch der Durchschnittsverdiener in Kirchheim ein Zuhause finden soll.

"Und bei Reihenhäusern, die mittlerweile mehr als 600 000 Euro kosten, geht das nicht." Doch die SPD will noch einen Schritt weitergehen. Sie möchte, dass 30 Prozent geförderte Wohnungen entstehen sollen, und das nicht nur auf in der neuen Ortsmitte, sondern im gesamten Gemeindegebiet, wenn eine Bebauung ansteht. Dieser Beschluss ist für die SPD eine Voraussetzung, den Plänen zuzustimmen. Es brauche eine gesunde, soziale Mischung: "Es sollen nicht nur Millionäre nach Kirchheim ziehen", sagt Keck.

Unentschlossen ist Marcel Proffert (LWK). Er will abwarten, welche Argumente in der Sitzung am Dienstag vorgetragen werden. Ihm gefällt nicht, dass der Ortspark kleiner werden und dass es mehr Geschosswohnungen geben soll. Auch, dass nach den neuen Plänen Platz für bis zu 3190 Personen geschaffen werden soll, behagt ihm nicht. Er hält das für zu viel. "Um die 2400 wären mir lieber." Blind zustimmen könne er nach den ganzen Veränderungen jedenfalls nicht.

Auch Wolfgang Heinz-Fischer (VFW) ist nicht zufrieden mit den neuen Entwicklungen. Die Pläne haben sich aus seiner Sicht inzwischen zu weit von dem entfernt, was einst beschlossen wurde. Vor allem treibt ihn um, dass es für die neuen Ideen noch kein Finanzierungskonzept gebe. "Ich habe Angst, dass wir etwas beschließen und dann heißt es plötzlich: Ups, das rechnet sich ja gar nicht."

Rüdiger Zwarg von den Grünen geht es ähnlich: "Zahlen würden dem Ganzen eine Struktur geben." Aber diese existierten nicht und so könne er den Plänen nicht zustimmen. "Erst einmal brauchen wir eine Basis, auf der sich rechnen lässt", entgegnet Bürgermeister Böltl. Der Gemeinderat müsse definieren, was er überhaupt will, dann könne man mit dem Rechnen beginnen.

"Es ist nur das ganze Paket zu haben."

Selbst, wenn sich der Gemeinderat am Ende einig sein sollte, will Böltl einen Bürgerentscheid, und einige Gemeinderäte befürworten das. Gerd Kleiber von FDP sagt, dass sich die Zeiten schlicht verändert hätten, der Bürger verlange, einbezogen zu werden. Geplant ist der Bürgerentscheid für den Frühsommer 2017. Davor sollen alle die Möglichkeit haben, sich umfassend zu informieren.

Dafür will Böltl den Kirchheimern auch die städtebaulichen Verträge, die geschlossen werden sollen, zeigen. "Die Menschen sollen das in ihre Entscheidung miteinbeziehen können." Wenn sich der Gemeinderat am Dienstag einig wird und wenn die Bürger am Ende auch dafür sind, soll von 2017 an bis 2030 gebaut werden. Zuerst Gymnasium und Rathaus, dann nach und nach die Wohnviertel.

Und was, wenn das Ganze scheitert? Dann müsse für das Gymnasium ein anderer Standort gefunden werden, sagt Böltl. Für das Rathaus womöglich auch, weil es sonst irgendwo im Nirgendwo zwischen Wiesen und Feldern steht. "Es ist nur das ganze Paket zu haben", sagt der Bürgermeister.

© SZ vom 01.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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