Kirchenvorstand:Protestanten haben die Wahl

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Die Haarer Pfarrerin Dagmar Häfner-Becker lud zum Wiesn-Warm-up mit den Kandidaten. (Foto: Claus Schunk)

An diesem Sonntag sind die evangelischen Christen im Landkreis aufgerufen, neue Kirchenvorstände zu bestimmen. In manchen Gemeinden gibt es doppelt so viele Kandidaten, wie Plätze in den Gremien zu vergeben sind.

Von Irmengard Gnau, Ismaning/Oberhaching

Carsten Klingenberg ist guter Dinge, wenn er dieser Tage vom Briefkasten kommt. Denn der Briefkasten an der evangelischen Kirchengemeinde St. Gabriel in Ismaning ist meistens voll. Das freut den Pfarrer, schließlich ist am Sonntag Wahl.

Am 21. Oktober sind die evangelischen Christen in Bayern aufgerufen, einen neuen Kirchenvorstand, das zentrale Gremium jeder evangelischen Kirchengemeinde, zu bestimmen. In diesem Jahr hat erstmals jeder Stimmberechtigte automatisch Briefwahlunterlagen erhalten - "erfreulicherweise offenbar mit dem Effekt, dass die Wahlbeteiligung gut ist", sagt Klingenberg.

Die Menschen zur Wahl zu motivieren, ist gar nicht so einfach. Bei der jüngsten Wahl vor sechs Jahren gaben im Dekanatsbezirk München, der Stadt und Landkreis umfasst, gerade einmal 11,3 Prozent der Berechtigten ihre Stimme ab. "Mittlerweile gibt es leider einige Menschen mit einer nicht so engen kirchlichen Verbundenheit. Die zu erreichen, ist schon schwierig", sagt Klingenberg. Die Pfarrer werden deshalb kreativ. In der Jesuskirche Haar etwa lud Pfarrerin Dagmar Häfner-Becker im September zum "Wiesn-Warm-up" mit den Kandidaten. In Oberhaching hat die Gemeinde Zum Guten Hirten einen Speed-Dating-Abend im Gemeindehaus organisiert, bei dem alle Neugierigen die Kandidaten in ungezwungenem Rahmen bei einem Getränk kennen lernen konnten - eine Methode, die sich bereits 2012 bewährt habe, wie Pfarrer Karsten Schaller berichtet.

Lotte Schimkat ist eine derer, die beim Speed-Dating auf der Seite der Kandidaten saßen. Die 42-Jährige lebt seit zehn Jahren in Oberhaching und hat sich heuer entschlossen, zum ersten Mal für den Kirchenvorstand zu kandidieren. "Die Kirche hat einen großen Wert für mich als Wertegeberin im Leben, als Sinn- und Gemeinschaftsstifterin", sagt sie. Schon in ihrer Kindheit erfuhr Schimkat, wie sich ihre Eltern im Kirchenvorstand engagierten, daher lag es auch für sie nahe, sich selbst irgendwann um das Ehrenamt zu bewerben. Da die beiden Söhne inzwischen alt genug sind, ist nun auch die Zeit dafür da. Die Juristin möchte mitgestalten, was Kirche für sie ausmacht - "das Miteinander und Füreinander". Positive Erfahrungen im Glauben bekräftigen sie darin. Wo sie sich im Falle ihrer Wahl genau einbringen wird, weiß Schimkat noch nicht. Ihr Interesse gilt Umweltthemen und der theologischen Bibelarbeit. "Aber als Neuling warte ich erst einmal ab, wo ich gebraucht werde", sagt sie.

Seit 18 Jahren engagiert - und kein Ende

Schimkats Kollege könnte bald schon Gerhard Eber sein. Der 62-Jährige ist ein erfahrener Kirchenvorsteher, seit 18 Jahren engagiert er sich bereits im Leitungsgremium der Oberhachinger Gemeinde. Er sei seit seiner Jugend in die kirchliche Arbeit hineingewachsen, sagt Eber. Was ihn motiviert? "Man kann nicht ganz für sich alleine leben, man braucht immer Menschen um sich und etwas, das über einen hinausgeht und von außen verankert", sagt er.

Für Eber ist das Gott. Dennoch hat er sich gut überlegt, ob er noch einmal für den Kirchenvorstand kandidieren soll. Wo Menschen miteinander arbeiten, passiert schließlich auch Menschliches, gibt es auch einmal Konflikte. Dass er sich nun für eine weitere Kandidatur entschieden hat, liegt auch daran, dass er seine Gemeinde als sehr lebendig empfindet und sie weiter mitgestalten möchte. "Kirche ist nicht nur Pfarrerskirche", das ist Eber wichtig, "sondern die Kirche aller Gläubigen."

Idealerweise sollen die Mitglieder des Kirchenvorstands die ganze Vielfalt einer Gemeinde abbilden, im Alter wie auch in Stellung und Beruf. Anders als bei der Kirchenvorstandswahl vor sechs Jahren sei es

dieses Jahr leichter gewesen, Kandidaten zu finden, insbesondere auch Frauen und Männer, die in der Mitte ihres Lebens stünden, erklärt Dekanin Barbara Kittelberger. Auch in der Kirchengemeinde Ismaning-Unterföhring ist es Pfarrer Klingenberg gelungen, doppelt so viele Kandidaten zu finden wie es Plätze im Vorstand gibt. Von insgesamt zehn Plätzen werden sechs frei. "Neue Kandidaten sind immer auch eine Chance, dass neue Impulse gesetzt werden", sagt Klingenberg. Schließlich gehen auch die Kirchengemeinden neuen Herausforderungen entgegen. "Wir müssen Veränderungen in der Gesellschaft abbilden", sagt der Pfarrer. In der Seniorenarbeit zum Beispiel seien heute ganz andere Angebote gefragt als noch vor 15 Jahren.

In der Jesuskirche Haar können Mitglieder am Sonntag, 21. Oktober, zwischen 11 und 16 Uhr, im Anschluss an den Reformationsgottesdienst mit Blasmusik ihre Stimme im Gemeindehaus abgeben. Das Wahllokal in der Jakobuskirche Pullach ist von 11 bis 12 Uhr und 17 bis 18 Uhr geöffnet. In Oberhaching gibt es von 9 Uhr an Gelegenheit, im Gemeindehaus seine Wahl zu treffen. Die Mitglieder der Gabrielkirche in Ismaning haben vor dem Gottesdienst um 9.30 Uhr die Möglichkeit, ihre Stimme abzugeben. Von 17.30 Uhr an lädt die Gemeinde zur Wahlparty in den Gemeindesaal.

© SZ vom 19.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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