Kinderbetreuung:Von der Elterninitiative zum Kita-Unternehmen

Lesezeit: 3 min

CécileTorrens-Horak (links) ist eine der beiden Gründerinnen von Zukunft Kinderkrippe. Das Bild zeigt sie mit Mitarbeiterin Andrea Policzka in der Dornacher Kinderkrippe. (Foto: Claus Schunk)

Weil Cécile Torrens-Horak und Anne Branlard vor 15 Jahren in Ismaning keinen Betreuungsplatz fanden, nahmen sie die Sache selbst in die Hand. Heute leiten sie vier Krippen in Gewerbegebieten, die sie in Zusammenarbeit mit dort ansässigen Firmen aufgebaut haben

Von Irmengard Gnau, Aschheim/Ismaning

Es war damals aus der eigenen Not heraus, dass Cécile Torrens-Horak und Anne Branlard aktiv wurden. Die beiden Ismaningerinnen mit französischen Wurzeln kannten sich von der Krabbelgruppe und suchten Anfang der Nullerjahre für ihr jeweils zweites Kind vergeblich einen Krippenplatz in Ismaning. Kurzerhand beschlossen die beiden Mütter, die Betreuung selbst zu organisieren. Sie gründeten den Verein "Kinder für Kinder" und stellten rasch fest, dass der Bedarf an Plätzen hoch war. So kam ihnen die Idee, ihr Konzept größer aufzuziehen - und auch Unternehmen zu beteiligen. "Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf war uns sehr wichtig", sagt Torrens-Horak. Heute, 15 Jahre nach der Gründung ihrer ersten Elterninitiative, leitet sie gemeinsam mit Branlard die GmbH "Zukunft Kinderkrippe", kurz "Zuki", die insgesamt 120 Betreuungsplätze an drei Standorten im Landkreis und einem weiteren im Osten Münchens anbietet.

Der Bedarf gibt den privaten Trägern Recht: Einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge wurden 2017 insgesamt 92 329 Kinder in bayerischen Krippen betreut; mehr als 25 Prozent der Eltern, die einen Krippenplatz suchten, fanden jedoch keinen. Ein Grund dafür ist, dass die Zahl der Mütter, die wieder in den Beruf einsteigen, bevor ihr Kind das Kindergartenalter erreicht hat, auch in Bayern seit Jahren kontinuierlich steigt: 2017 waren es mehr als 56 Prozent. Mit ihrem in dieser Form seltenen Konzept reagierten die Unternehmensgründerinnen zudem auf Veränderungen in der Arbeitswelt. Unternehmen müssen heutzutage angesichts von Fachkräftemangel und Wirtschaftsboom viel stärker um Mitarbeiter werben. "Heute gehört es für Firmen definitiv dazu, im Sozialpaket auch Kinderbetreuung anzubieten", sagt Torrens-Horak. Hinzu kommt: Die Versorgung der Kleinsten ist auch in Deutschland längst nicht mehr nur Aufgabe der Frauen. "Heute ist es ein Thema für die ganze Familie", sagt die Geschäftsführerin.

Das Angebot ist also gefragt. Sie vereinbaren Partnerschaften mit Unternehmen, sodass diese ihren Mitarbeitern Plätze in einer Krippe nahe ihrem Arbeitsplatz anbieten können - und zwar nicht nach einem festen Kontingent, sondern je nach konkretem Bedarf. Die erste Krippe eröffneten Torrens-Horak und Branlard 2006 in Ismaning an der Münchner Straße, direkt auf dem Weg zum Gewerbegebiet Agrob gelegen. Die nächste folgte 2007 im Gewerbegebiet Dornach in der Gemeinde Aschheim, 2008 kam eine Einrichtung in Berg am Laim hinzu; 2013 schließlich eröffnete die vierte Krippe auf dem Business Campus in Garching. Die Partnerunternehmen zeigen sich zufrieden mit dem flexiblen Angebot, vor allem die Nähe zum Arbeitsplatz findet Anklang - so sparen sich Mutter oder Vater weite Umwege am Morgen und Abend und können im Notfall das Kind auch rasch einmal abholen. Lange Öffnungszeiten bis 17.30 beziehungsweise 17 Uhr kommen vielen Beschäftigten entgegen. Auch das pädagogische Modell nach dem Ideal eines achtsamen Umgangs mit dem Kind kommt offensichtlich an.

Auch für die Kommunen wird das Angebot interessanter, stehen ihre Gewerbegebiete doch ebenfalls in steigender Konkurrenz zueinander. Die Infrastruktur für künftige Mitarbeiter gilt längst als wichtiger Standortfaktor. Anfangs sei das Engagement von Zukunft Kinderkrippe in Dornach im Aschheimer Rathaus noch skeptisch betrachtet worden, erinnert sich Geschäftsleiter Christian Schürer. Die Gemeinde sah die Kinderbetreuung lieber in eigenen Händen. Doch schließlich überzeugte der private Träger mit seinem Angebot, insbesondere den langen Öffnungszeiten. "In den vergangenen zehn Jahren hat sich eine gute Zusammenarbeit zwischen der Zuki und der Gemeinde entwickelt", sagt Schürer. Inzwischen bezuschusst die Kommune die GmbH finanziell, seit 2014 im Rahmen ihrer Wirtschaftsförderung, 2018 mit 50 000 Euro. Auch in Ismaning wird die Einrichtung bezuschusst.

Eine Sorge allerdings hat Geschäftsführerin Torrens-Horak. Wie geht es mit der Krippe in Dornach weiter, wenn München seine städtischen Krippenplätze bald beinahe kostenfrei macht? Das hat die Landeshauptstadt kürzlich beschlossen, von September 2019 an sollen die Gebühren für städtische Betreuungseinrichtungen drastisch gesenkt werden. Torrens-Horak befürchtet, dass in Dornach, direkt an der Stadtgrenze, dann die Nachfrage einbrechen könnte. Einer Erhebung des Planungsverbands äußerer Wirtschaftsraum München zufolge pendelten 2016 mehr als 4500 Arbeitnehmer aus München nach Aschheim. "Wir spüren schon durch den massiven Ausbau von Krippenplätzen in München, dass wir weniger Nachfrage haben", sagt sie. Aktuell sind in Dornach noch sechs Plätze frei. Dass die Stadt nun ein beinahe kostenfreies Angebot starten will, hält sie grundsätzlich für unterstützenswert. "Aber wir fragen uns, wie wir als privater Träger das stemmen sollen", sagt Torrens-Horak.

Ihr Unternehmen wäre längst nicht der einzige private Träger, der von den veränderten Bedingungen in München betroffen wäre. Wie es für Elterninitiativen und die weiteren privaten Anbieter weitergehen soll und ob diese möglicherweise auch zusätzliche Förderungen erhalten können, muss erst geklärt werden. Cécile Torrens-Horak und Anne Branlard wollen das Gespräch mit der Stadt suchen. Und bis dahin weitere Unternehmen als Partner gewinnen.

© SZ vom 21.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: