Jugendarbeit:Die Teenager müssen noch warten

Lesezeit: 3 min

Wenn Tobi Gläser den Haarer Jugendtreff nach 38 Jahren verlässt, wird er ein Ziel nicht erreicht haben: Den notwendigen Neubau des Hauses

Von Bernhard Lohr, Haar

All seine Weggefährten werden sicher mit dabei sein, wenn Tobi Gläser am 7. Dezember seinen Ausstand feiert. Diejenigen, die in den Achtzigerjahren schwer pubertierend im Haarer Jugendtreff "Dino" Ablenkung und Trost fanden. Auch jene, die in den Neunzigern bei ihm Billard spielten und mit ihm auf Freizeiten fuhren, und all die anderen, die bis heute hier Stammgast waren und sind. Es ist davon auszugehen, dass die Party außerordentlich wird, immerhin nimmt Tobi Gläser nach sage und schreibe 38 Jahren als Leiter des Dino seinen Hut.

Und doch bleibt ein Wermutstropfen, denn Gläser, der das Haus als sein "letztes großes Baby" bezeichnet, wird nicht jenes Abschiedsgeschenk bekommen, dass er sich am meisten gewünscht hatte: Einen Neubau des in die Jahre gekommenen Gebäudes. Noch muss das einst aus Fertigteilen zusammengezimmerte Haus eine Zeitlang seinen Dienst tun. Die Gemeinde hat viele große Bauvorhaben auf der Agenda. Sie errichtet gerade eine Grundschule für 38,5 Millionen Euro und baut Gemeindewohnungen. Die Container, die direkt am Jugendtreff Dino stehen, zeugen von weiteren Investitionen. Dort sind derzeit Krippenkinder untergebracht. Wenn für diese das neue Kinderhaus der Gemeinde im Jugendstilpark fertiggestellt ist und wenn diese dann umgezogen sind, dann werden die Jugendlichen aus dem Dino die Container vorübergehend nutzen können. Und dann kann auch der Treff neu errichtet werden. So jedenfalls lautet in etwa der Plan.

Die Notwendigkeit für den Neubau wird im Gemeinderat gesehen. Und man hat auch bereits drei Millionen Euro in den Finanzplan eingestellt. 2022 oder 2023 wird für den Baubeginn anvisiert. Tobi Gläser könnte insofern Ende 2019 relativ entspannt in den Ruhestand gehen, wenn da nicht ein paar Unwägbarkeiten wären. So ist die Finanzplanung nicht verbindlich. 2020 stehen Kommunalwahlen an und der neue Gemeinderat kann natürlich neue Prioritäten setzen. Vor allem aber blickt die Kommune finanziell unruhigen Zeiten entgegen, da ihr im Jahr 2021 der Pharmakonzern MSD als wichtiger Steuerzahler den Rücken kehren wird. Sollte am Ende das Geld knapp werden, so weiß Gläser, "stehen wir hinten dran".

Dabei unterstreicht das Rathaus derzeit bei jeder Gelegenheit, dass man es ernst meint mit den Aussichten, ein neues Dino zu errichten. Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) war im vergangenen Herbst mit Vertretern aus der Verwaltung im Treff und saß mit Gläser, dessen Betreuerteam und Jugendlichen beisammen. Es wurde über den geplanten Neubau gesprochen und auch darüber, warum der so schnell wie erhofft nun doch nicht kommt. Der Dino-Chef erzählt, dass die Jugendlichen zunächst schon sehr enttäuscht gewesen seien. Die Aussicht, dass es erst in fünf Jahren ein neues Haus geben würde, habe viele frustriert. Für einen Teenager seien fünf Jahre eine halbe Ewigkeit, sagt Gläser. Doch am Ende hätten alle das doch akzeptiert. Es sei eine gute Erfahrung gewesen, die Mitarbeiter aus dem Rathaus zu treffen und zu sehen, was alles dranhängt an so einem Projekt.

Die Planungen sind übrigens auch noch keineswegs beendet. Die Jugendlichen sitzen beisammen und bereden, wie das neue Haus einmal aussehen soll. Das Raumprogramm wird besprochen, wobei die Angelegenheit durch die Tatsache erschwert wird, dass das neue Dino nicht größer als das alte sein wird. Der Grund: Für einen größeren Bau müsste wohl der Bebauungsplan geändert werden. Da jedoch das Verhältnis zu einigen Nachbarn im Jagdfeld naturgemäß angespannt ist, muss mit scharfen Einwendungen der Nachbarschaft gerechnet werden. Einfacher ist es also, solche Unwägbarkeiten zu umgehen, indem man sich im bestehenden Baurecht bewegt. Das alles kann Tobi Gläser soweit akzeptieren. Doch kommen sollte der Neubau schon. "Wir müssen dahinter bleiben", sagt er und kündigt schon einmal an, genau drauf zu schauen, was die Parteien vor der Kommunalwahl zum Thema Jugendtreff sagen.

Wenn dann alles gut geht und das neue Haus zwei, drei Jahre nach seinem Abschied steht, soll es ihm auch recht sein. Vieles habe sich zum Guten entwickelt in den 38 Jahren, seit er den Treff leite, sagt Gläser. Mit den großen Freiflächen habe es sich wunderbar entwickelt, und auch die Zusammenarbeit des Dino mit den Schulen schreibt sich Gläser auf die Fahnen. Mit dem neuen Haus, sagt er, "hätte ich alles erreicht, was ich in Haar erreichen wollte".

Vielleicht legt Tobi Gläser bei seinem Abschiedsfest am 7. Dezember dann ja einen Klassiker der Rockband Foreigner auf. Deren Song "Urgent" lief am 1. Februar 1982, als er mit den Jugendlichen die Eröffnungsparty im Keller des heutigen Dino steigen ließ. Es wäre der passende Titel zur jetzigen, nicht ganz befriedigenden Situation in der Baracke, die einst beim Bau des Jagdfeld-Wohngebiets als Arbeiterunterkunft diente und sozusagen heute noch der Haarer Jugend Obdach bietet. "Urgent", also "dringend" notwendig, das wäre der Neubau - diesen Lehrsatz wiederholt der scheidende Leiter des Jugendtreffs unermüdlich.

© SZ vom 19.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: