Interview:"Noch einmal richtig zuschlagen"

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Kilian-Thomas Semel ist Dekan von St. Alto. (Foto: privat)

Ottobrunns Dekan Kilian-Thomas Semel über die Kirchweih und fette Gänse

interview Von Markus Mayr, Ottobrunn

Der herbstliche Monat Oktober bringt neben dem Erntedankfest auch den Kirchweihsonntag an diesem Wochenende in die katholischen Gemeinden des Landkreises. Vor zwei Wochen dankten Gläubige Gott für die eingebrachte Ernte. Doch was genau verbirgt sich hinter dem kommenden kirchlichen Feiertag? Der Geistliche Kilian-Thomas Semel spricht mit der Süddeutschen Zeitung über das traditionsreiche christliche Fest und seine weltlichen Genüsse. Der gebürtige Saarländer ist 49 Jahre alt und seit Juli dieses Jahres Dekan in Ottobrunn. Dort, in seiner Pfarrgemeinde Sankt Alto, wissen sie etwas, was in vielen Gemeinden nicht mehr bekannt ist.

SZ: Herr Dekan, was ist die Kirchweih eigentlich?

Kilian-Thomas Semel: Das Kirchweihfest erinnert an den Tag, an dem eine Kirche nach ihrem Bau vom Bischof geweiht wurde. Schon seit vielen Jahrhunderten ist es in den einzelnen Pfarreien üblich, die Weihe ihrer Kirche zu feiern. Und zwar eigentlich am wirklichen Jahrestag der Weihe. Früher gab es nämlich keinen einheitlichen Tag. Weil die Leute aber den Tag sehr ausgelassen feierten, auch gerne in der Nachbargemeinde, kam es in Gegenden mit vielen Kirchen vor, dass die Leute gar nicht mehr zur Arbeit erschienen sind.

Und da sollte die einheitliche Kirchweih Abhilfe schaffen?

Um diesem Chaos ein Ende zu bereiten, führte die Obrigkeit in den bayerischen Diözesen den allgemeinen Kirchweihtag am dritten Oktobersonntag ein. Das wiederum kam den Pfarreien zu Gute, in denen das Weihedatum ihrer Kirche ohnehin längst vergessen war.

Kennen Sie den Weihetag ihrer Kirche Sankt Alto?

Ja, den kennen wir noch. Es ist der 18. Dezember 1932. An diesem Tag hat der damalige Münchner Erzbischof, Michael Kardinal Faulhaber, die Sankt-Alto-Kirche geweiht. Wir dürften diesen Tag auch nach wie vor feiern. Aber wir begehen das Kirchweihfest bewusst zur gleichen Zeit wie die anderen Pfarreien.

Warum wählte die Obrigkeit ausgerechnet einen Tag im Oktober für das Kirchweihfest?

Weil es eine günstige Zeit für ein Fest war. Die Ernte war dann schon eingebracht, der Winter stand vor der Tür und mit ihm eine ruhige, magere Zeit. Man wollte einfach noch einmal richtig zuschlagen. Auch im Hinblick auf den bevorstehenden Advent, der für frühere Generationen wie eine kleine Fastenzeit vor Weihnachten gehalten wurde.

Was sind denn die klassischen Leckerbissen?

Da gibt es viele kulinarische Genüsse, zum Beispiel Ausgezogene oder die Kirchweihgans, die über den Sommer gemästet wurde. Irgendwo habe ich sogar mal gehört, dass so eine Gans drei Kilo haben muss, wenn sie aus dem Ofen kommt. Wenn man bedenkt, dass sie während des Bratens ein Kilo Fett verliert, dann muss das ein ordentlicher Brummer sein.

Das klingt, als ob Kirchweih das opulentere Fest wäre als Weihnachten?

Nein, das kann man so nicht sagen. Aber es ist auf jeden Fall lustiger, vielerorts hat es ja Volksfestcharakter. Man denke an die Kirtahutschn, diese riesige Schaukel, auf der viele Menschen Platz finden. Das Weihnachtsfest ist da viel besinnlicher. Aber dennoch kommt ja auch am Weihnachtstag ein Festmahl auf den Tisch.

Wie hat sich das Fest im Lauf der Jahre entwickelt?

Der kirchliche Anlass gerät sicher mehr und mehr in den Hintergrund in einer säkularisierten Gesellschaft wie der unseren. Viele werden sich sicherlich auch nicht mehr die Mühe machen, selbst die Kirchweihgans zuzubereiten. Stattdessen werden viele einfach zum Essen gehen. Aber dennoch ist, gerade auf dem Land, der Kirchweihsonntag noch ein Tag im Spätherbst, an dem ausgelassen gefeiert wird. Apropos: Früher nahmen junge Burschen gerne die Gelegenheit wahr, auf dem traditionellen Kirchweihtanz mit den Mädels anzubandeln.

© SZ vom 17.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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