Offenes Singen mit Flüchtlingen:Mit Elvis bis ins Paradies

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Ahmad Abbas (rechts) trägt ein arabisches Volkslied vor. (Foto: Florian Peljak)

Die Musikschule in Ismaning bringt Menschen aus verscheidenen Kulturen zusammen - durch gemeinsames Singen.

Von Irmengard Gnau

Es dauert ein bisschen, bis sich alle Besucher in die Mitte des Saals trauen, einige treten zunächst nur schüchtern ein und bleiben zurückhaltend in der Nähe der Türe stehen. Doch die Unsicherheit währt nicht lange - mit freundlichen Gesten lädt Naomi Grundke die Gäste ein, sich zu einem großen Kreis in dem holzgetäfelten Musiksaal im Obergeschoss des Kultur- und Bildungszentrums Seidl-Mühle zusammenzufinden. Der Kreis reicht bis an die Wände des Raumes, so viele Menschen sind gekommen, um das Angebot der Musikschule wahrzunehmen und gemeinsam zu singen.

Einfach singen, ohne bestimmte Niveauanforderungen oder Vorkenntnisse, ein Angebot, das offen ist für wirklich jeden, ob jung oder alt, alteingesessen oder frisch angekommen im Ort, mehr oder weniger wohlhabend - das war es, was Musikschulleiter Carsten Reinberg schon länger im Sinn gehabt hatte. Gemeinsam mit dem Ismaninger Helferkreis Asyl und dessen Koordinatorin Yvonne Meininger entstand die Idee eines offenen Singens für Erwachsene, zu dem sich künftig alle, die Lust haben, jeweils am ersten Mittwoch des Monats in der Musikschule treffen können.

Die Bewohner der Asylunterkunft in Fischerhäuser sind in Fahrgemeinschaften gekommen

Zum Auftakt sind es mehr als 50 Neugierige, die gekommen sind, um zu singen und sich dabei gegenseitig ein wenig besser kennenzulernen. Die Gruppe ist bunt gemischt, neben Jeans und Cordhosen blitzen die bunten traditionellen Gewänder vier somalischer Frauen hervor. Viele der Asylbewerber, die im nördlich gelegenen Ortsteil Fischerhäuser wohnen, sind in Fahrgemeinschaften mit Ismaningern zum Singen gekommen. Die Stimmung ist erwartungsvoll. Das leise Tuscheln ebbt ab, als Gesangslehrerin Naomi Grundke mit den ersten Aufwärmübungen für die Stimme beginnt. Rasch hat die Musik die Runde erfasst, die Körper wippen von Seite zu Seite, Hände schnipsen im Takt mit.

Das Angebot des offenen Singens in Ismaning findet großen Anklang. (Foto: Florian Peljak)

Die Melodien sind eingängig, Grundke singt sie in kleinen Abschnitten vor, sodass jeder in der Runde folgen kann. Die Texte sind zunächst in deutscher oder englischer Sprache, Übersetzer Salim Boutaieb überträgt sie für die Sänger ins Arabische, die sich mit dem Verstehen noch schwer tun. Dass Lieder verbinden können, auch wenn eine gemeinsame Sprache fehlt, kann auch er bestätigen. Seit 1992 lebt der gebürtige Tunesier in Deutschland, mehr als 20 Jahre davon in Ismaning.

"Musik macht Heimat", heißt das Motto

"Musik und Sport sind die besten Wege, um Kontakt zwischen Menschen herzustellen", sagt Boutaieb. Er spricht aus eigener Erfahrung, als Angekommener, der sich integriert hat in eine zunächst fremde Kultur und der nun anderen Neuankömmlingen Hilfestellung geben will. "Musik macht Heimat", heißt auch das Motto, das Musikschule und Helferkreis für die Veranstaltungsreihe gewählt haben. Als Grundkes Kollege Ramon Bessel Elvis Presleys Klassiker "Falling In Love With You" anstimmt, huscht ein Lächeln über viele Gesichter.

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Noch größer wird das Lächeln bei vielen, als eine Gruppe junger Syrer nach vorne tritt und darum bittet, auch ein Lied anstimmen zu dürfen. Ahmad Abbas, Deaa Alrehani und die Cousins Uday und Shokvi Alturk sind eigens aus München, beziehungsweise Unterschleißheim nach Ismaning gekommen, als sie von dem Singabend gehört haben. Sie stammen aus der Nähe von Homs, von wo sie geflüchtet sind, und singen in München gemeinsam im "Syrischen Friedenschor", den Abbas gegründet hat. Der Chor singt arabische und deutsche Lieder und will über die Musik eine Brücke schlagen zwischen Münchnern und Asylbewerbern.

"Jana, jana, janaa", stimmt Abbas im Musiksaal an, vom "Paradies" handeln die Verse, ein bekanntes arabisches Volkslied, wie der Sänger erklärt. Rasch fallen die übrigen Singfreudigen mit ein, diesmal sind es die Deutschsprachigen, die sich bei manchen Silben eher auf ein stimmhaftes Summen verlegen. Am Ende klatschen alle, die Freude am gemeinsamen Singen erfüllt den Saal.

Endlich sind auch Männer dabei

Die Initiatoren sind begeistert von der großen Resonanz auf ihr Angebot, zumal "endlich auch Männer dabei sind", wie Musikschulleiter Reinberg augenzwinkernd sagt. Auch Kirsten Mayer und Alexandra von Wulffert aus Ismaning sind am Ende angetan, die Stunde ist wie im Flug vergangen. Familienpatin Mayer ist mit einem Teil der afghanischen Familie gekommen, die sie ehrenamtlich unterstützt. Die beiden jungen Männer hielten sich zwar noch ein wenig im Hintergrund, doch auch ihnen habe die Singstunde gefallen, beteuern sie. Beim nächsten Mal wollen auch sie ein Lied aus ihrer Heimat mitbringen.

Das offene Angebot "Sing - Musik macht Heimat" findet jeden ersten Mittwoch im Monat (außer in den Schulferien) von 19.30 bis 20.30 Uhr in der Musikschule Ismaning, Mühlenstraße 19, statt. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

© SZ vom 05.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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