Digitalisierung:Grünwald will keine Hybridsitzungen

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Seit einem Jahr streamt der Bezirksausschuss Schwabing-Freimann seine Sitzungen (Bild) und tagt mittlerweile auch in Eigenregie in hybrider Form. Nun hat der Berg am Laimer Bezirksausschuss mit städtischer Unterstützung eine hybride Sitzung rechtskonform erprobt. (Foto: Florian Peljak)

Gemeinderat spricht sich mit knapper Mehrheit auch gegen einen Livestream der Bürgerversammlung aus. Die CSU-Gemeinderäte sehen ihre Persönlichkeitsrechte durch die Übertragung im Internet gefährdet.

Von Claudia Wessel, Grünwald

Wer in Grünwald einer Gemeinderatssitzung beiwohnen oder an der Bürgerversammlung teilnehmen möchte, muss sich live und persönlich an den Ort des Geschehens begeben. Der Gemeinderat hat am Dienstagabend sowohl die vom Bayerischen Landtag aufgrund der Corona-Pandemie ermöglichten Hybridsitzungen der lokalen Gremien abgelehnt als auch den Antrag von Michael Lehmann-Horn zur Bürgerversammlung 2020, selbige künftig als Live-Stream zu übertragen. Bei beiden Tagesordnungspunkten fiel die Entscheidung mit jeweils elf zu zehn Stimmen.

Vorausgegangen waren lange und intensive Diskussionen zwischen den Mitgliedern der CSU-Mehrheit und den Gemeinderäten von Grünen, FDP, SPD und Parteifreien. In der CSU herrschte die Meinung vor, die unter anderem Barbara Portenlänger-Braunisch formulierte: "Wir haben jetzt ein einhalb Jahre lang in der Coronasituation die Sitzungen hier im Saal des Bürgerhauses gemacht und dies gut gemanagt." Es gebe also keinen Grund, dies nicht weiterhin so zu machen. Vor allem sei bei nichtöffentlichen Sitzungen der Datenschutz schwierig, fürchtete Portenlänger-Braunisch. Alles in allem aber sprach ihrer Meinung nach vor allem eines für Präsenzsitzungen: "Das Atmosphärische ist wichtig."

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Auch Uschi Kneidl von der CSU drückte sich ähnlich aus, in dem Falle über die Bürgerversammlung: "Selbst auf die Gefahr hin, dass ich wie ein Dinosaurier lebe - ich möchte es nicht", sagte sie über einen Live-Stream von der Bürgerversammlung und wohl zugleich auch auf die Hybridsitzungen bezogen. "Es ist schrecklich, weil das Menschliche kaputt geht." Auch wolle sie sich "nicht im Internet sehen".

Das nannte übrigens auch Bürgermeister Jan Neusiedl (CSU) als Grund, warum er einen Live-Stream von der Bürgerversammlung ablehnt. Er möchte seine Persönlichkeitsrechte schützen. Dieses Argument löste bei den Verfechtern von Hybridsitzungen und Live-Stream besonderes Unverständnis aus. Für einen Amtsträger, der nun mal in der Öffentlichkeit stehe, sei dies vollkommen unverständlich, sagte etwa Oliver Schmidt von den Parteifreien Bürgern. "Das muss ich schon selbst entscheiden", entgegnete Neusiedl. Schon die Sitzungsvorlage zum Punkt Hybridsitzungen war bemerkenswert. Unter dem Beschlussvorschlag "Alternative 1" für die Einführung standen neun Punkte, die die nicht unkomplizierten Voraussetzungen auflisteten. "Alternative 2" dagegen lautete schlicht: "Der Gemeinderat Grünwald sieht von einer Einführung von Hybridsitzungen ab".

Die Argumente für die Hybridsitzungen und einen Live-Stream von der Bürgerversammlung waren zahlreich und kamen alle von den Nicht-CSU-Räten. "Digitalisierung ist die oberste Priorität, wir müssen handlungsfähig bleiben", erklärte etwa Michael Ritz (FDP). Achim Zeppenfeld (SPD) und Ingrid Reinhart (Grüne) wiesen darauf hin, dass auch bei einer Entscheidung für Hybridsitzungen jeder Gemeinderat persönlich erscheinen dürfe, das sei kein Zwang. "Wir müssen die Voraussetzungen schaffen, wir müssen vorbereitet sein", so Zeppenfeld. Hauptamtsleiter Tobias Dietz gab zu bedenken, dass die technische Möglichkeit, sich von außen zuzuschalten, immer bereitgestellt werden müsse, denn jeder Gemeinderat habe das Recht, "auch fünf Minuten vorher" zu entscheiden, wie er teilnehmen wolle.

"Wir sind im 21. Jahrhundert", war ein Satz, der des öfteren fiel auf der Seite der Befürworter bei beiden Tagesordnungspunkten. "Kulturveranstaltungen werden ja auch gestreamt", sagte Reinhart zum immer wieder vorgebrachten Argument der Verwaltung, dass es zu schwierig sei, den Datenschutz zu beachten und viele Bürger nicht gefilmt werden möchten. Die neue Technik sei noch zu unausgereift, fanden die Gegner, etwa der Zweite Bürgermeister Stephan Weidenbach. Außerdem "muss ja keiner einfliegen" und daher müsse eine Hybridsitzung keine Reisen vermeiden. "Wir sind hier in Grünwald."

© SZ vom 01.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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